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· Fachbeitrag · Rückforderungsanspruch

Teurer Verzicht auf Wohnungsrecht

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| In Übergabeverträgen wird oft aus einem gewissen Automatismus heraus ein lebenslängliches Wohnungsrecht bestellt. Geht der Wohnungsberechtigte dann aus Altersgründen freiwillig oder gezwungenermaßen in ein Heim, stellt sich die Frage nach dem Schicksal des Wohnungsrechts. Ein Verzicht kann kostspielig werden, wie der nachfolgende Beitrag anhand einer jüngst ergangenen Entscheidung des OLG Nürnberg zeigt. |

1. Problemstellung

Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Eigentümer in diesen Fällen zwar vermieten. Auch muss er die Miete nicht an den Wohnungsberechtigten herausgeben. Jedoch kann dieser oder unter Umständen sein Betreuer jederzeit die Unterlassung der Vermietung verlangen. Dieses Risiko will kaum ein Eigentümer eingehen. Deshalb kommt es beim Umzug ins Heim oft zu einem Verzicht auf das Wohnungsrecht.

Die ältere Dame D überträgt 1995 ein Hausgrundstück auf ihre Kinder K. Dabei behält sie sich ein dingliches Wohnungsrecht vor, das auch zur Aufnahme ihrer Familie und von Pflegepersonen berechtigt. Die Überlassung zur Ausübung durch dritte Personen gestattet es nicht. 2000 entschließt sich D für den Umzug ins Heim und erteilt für das Wohnungsrecht eine notarielle Löschungsbewilligung ohne irgendeine Gegenleistung. Die durch die Heimunterbringung entstehenden Kosten werden durch eigene Einkünfte der D nicht ganz gedeckt. Der Sozialhilfeträger S übernimmt daher einen Teil der Kosten. Sodann leitet S unter dem Gesichtspunkt der Verarmung, alle Ansprüche auf Schenkungsrückforderung auf sich über und nimmt die K aus übergeleitetem Recht gesamtschuldnerisch auf Zahlung bisher erbrachter Leistungen für D in Anspruch. Die K wurden in erster Instanz verurteilt. Ihre Berufung zum OLG Nürnberg hatte keinen Erfolg.

 

a) Wohnrechtsaufgabe als Schenkung?

Die Annahme einer Schenkung durch den Verzicht auf das Wohnungsrecht setzt voraus, dass es ein Vermögenswert ist (Palandt/ Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. 14, § 516, Rn. 5). Ein Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit erlischt, wenn seine Ausübung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauernd unmöglich wird. Dies ist der Fall, wenn das Recht niemanden mehr einen Vorteil bieten kann. Diese Voraussetzungen sind für das OLG Nürnberg hier nicht erfüllt. So könne die vormals Wohnungsberechtigte z.B. mit Gestattung der Eigentümer vermieten und Mieteinnahmen erzielen. Auch könnte sich ihre finanzielle Lage z.B. durch eine Erbschaft verbessern, sodass sie mit zur Pflege benötigten Personen in die Wohnung wieder einziehen könnte. Auf diese Möglichkeiten hat sie mit ihrer Erklärung verzichtet. Bei einem nur formalen Weiterbestand des Wohnungsrechts ist nicht von dessen Wertlosigkeit auszugehen. Dies zeigt sich am ehesten daran, dass die Verwertbarkeit des betroffenen Hausgrundstückes mit Wohnungsrecht erheblich beeinträchtigt ist (BGH ZEV 00, 111, mit Anmerkung Putzo).

 

b) Keine Vergleiche mit anderen Rechtsgebieten

Das Argument der Beklagten, der Verzicht auf das Wohnungsrecht sei vom Finanzamt schenkungssteuerrechtlich nicht als steuerbarer Vorgang behandelt worden, erkennt das OLG nicht an. Es lehnt diese vergleichende Argumentation mit dem Hinweis darauf ab, das Finanzamt dürfte davon ausgegangen sein, dass die Zuwendung jeweils unter dem Freibetrag gelegen habe.

 

c) Kein Vergleich mit dem Betreuungsrecht

Die Beklagten hatten sich weiter auf die Entscheidung BGH ZEV 12, 371, gestützt. Dort ging es um die Zulässigkeit eines Verzichts eines Betreuers auf ein nicht genutztes Wohnungsrecht. Der BGH hat im Wege einer teleologischen Reduktion festgestellt, dass der Begriff der Schenkung i.S. des § 1804 BGB nicht demjenigen des § 516 BGB entsprechen müsse. Bei § 1804 BGB solle verhindert werden, dass durch unentgeltliche Verfügungen des Vormunds oder des Betreuers das Vermögen des Betreuten vermindert werde. Eine Verfügung, die nach § 516 BGB eine Schenkung ist, müsse demnach nicht zwingend auch eine solche i.S. des § 1804 BGB sein, wenn sie objektiv zu keinem Vermögensnachteil für den Betreuten führe. Im Vergleich zur Entscheidung des BGH zu § 1804 BGB sieht das OLG Nürnberg das aufgegebene Wohnungsrecht als nicht wirtschaftlich bedeutungs- und damit wertlos an.

 

d) Einwand der Leihe

Auch diesen Einwand lässt das OLG Nürnberg nicht durchgreifen, und zwar mit Hinweis auf BGHZ 82, 354, wonach Leihe nur für ein schuldrechtliches Wohnungsrecht angenommen werden kann. Hier lag aber ein dingliches Wohnungsrecht vor.

 

e) Befreiung von Nebenkosten

Schließlich beschäftigt sich das OLG Nürnberg mit dem Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen einer Schenkung. Hierzu stellt es fest, konkret handelt es sich nicht um eine nach § 875 BGB durchaus mögliche einseitige Aufgabe eines Rechtes, sondern um die schenkweise Erfüllung einer Vereinbarung. Es verweist auf den ausdrücklichen Wortlaut der Löschungsbewilligung, in der es unter anderem heißt, dass Gegenleistungen für die Aufgabe nicht zu erbringen seien, die Kosten der notariellen Urkunde sind zwischen den Beteiligten hälftig geteilt worden. Ausweislich der Urkunde habe die Schenkungssteuerstelle eine beglaubigte Abschrift der Löschungsbewilligung erhalten sollen. Dass mit der Aufgabe des Rechts für die Wohnungsberechtigte auch die Verpflichtung entfallen ist, die üblichen Nebenkosten für die Wohnung zu tragen, ist für das OLG Nürnberg damit ohne Bedeutung.

2. Bewertung der Schenkung

Unter Hinweis auf die Entscheidung BGH ZEV 00, 111, geht das OLG Nürnberg davon aus, der Wert der Schenkung richtet sich nach der Erhöhung des Verkehrswerts des Hausgrundstücks durch Wegfall des Wohnungsrechts. Diese Werterhöhung hat der gerichtlich bestellte Gutachter mit bis zu 95.000 EUR ermittelt. Für die Kinder bedeutet dies, dass sie allmonatlich die Differenz der Heimkosten zahlen müssen, begrenzt auf insgesamt 95.000 EUR. Dass die Beklagten das Hausgrundstück im Jahr 2005 um 10.000 EUR weniger als vom Sachverständigen im Verkehrswert geschätzt, verkauft haben, spielt für das OLG Nürnberg am Ende keine Rolle, obwohl der BGH in ständiger Rechtsprechung z.B. im Erbrecht grundsätzlich vom erzielten Kaufpreis für die Wertfeststellung ausgehen will, wenn der Verkauf relativ zeitnah, und dies geht bis zu fünf Jahren, zum Erbfall erfolgt.

3. Folgerungen für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Nürnberg lässt natürlich aufhorchen. Mit einem solch gravierenden Ergebnis, dass mehr als die Hälfte des Verkehrswerts des Hausgrundstücks wieder herauszuzahlen sein kann, konnte man nicht rechnen. Man muss aber feststellen, dass die wesentlichen Argumentationslinien des OLG Nürnberg auf der Rechtsprechung des BGH beruhen. Dies gilt vor allem für die grundsätzliche Annahme einer Schenkung. Es gilt aber auch für die Bewertungsmethode, nach der nicht der Wert des Wohnungsrechts, sondern die Erhöhung des Verkehrswertes des Grundstückes bei seinem Wegfall maßgeblich ist. Man kann also dem OLG Nürnberg nicht den Vorwurf machen, es habe hier das Rad neu erfunden. Allerdings kann man sich beim Lesen der Entscheidung auch nicht des Eindrucks erwehren, dass seine Sympathien eher auf der Klägerseite lagen. Dies lässt sich an zwei Punkten aus der Urteilsbegründung ableiten:

 

  • Zum einen erscheint die Begründung nicht sehr lebensnah, dass die D mithilfe einer Erbschaft noch einmal in die Wohnung zurückkehrt.
  • Zum anderen geht das OLG entgegen gefestigter BGH-Rechtsprechung bei der Verkehrswertbemessung nicht vom tatsächlich erzielten Kaufpreis aus.

 

Offenbar sehr unglücklich agiert haben die Beteiligten bei der Gestaltung der Urkunde für den Wohnungsrechtsverzicht mit Löschungsbewilligung. Hier hat man ausdrücklich festgehalten, dass keine Gegenleistungen erbracht werden müssen und die Kosten der notariellen Urkunde von jeder Seite zur Hälfte getragen werden. Dem hat man noch die Krone aufgesetzt, indem man in der Urkunde festgehalten hat, dass die Schenkungssteuerstelle des Finanzamts eine beglaubigte Abschrift der Löschungsbewilligung erhalten soll.

 

PRAXISHINWEIS | Mit einer einseitigen Aufgabeerklärung über § 875 BGB hätten sich alle negativen Folgen vermeiden lassen. Die Aufgabeerklärung ist nämlich einseitig und eben nicht rechtsgeschäftlich, schließt also eine Schenkung aus.

 

Unabhängig davon empfiehlt es sich, Wohnungsrechte enden zu lassen, wenn der Rechtsinhaber, insbesondere aus Gesundheits- oder Altersgründen, das Recht nicht mehr ausüben kann und/oder ausüben will. Damit werden nicht nur Fälle wie der des OLG Nürnberg vermieden, sondern auch die Gefahr, dass mit einem Wohnungsrecht belegte Räume über lange Zeiträume leer stehen und so lange wirtschaftlich nutzlos sind. Für Berater zeigt die Entscheidung des OLG Nürnberg ein Haftungspotenzial auf, das auf gar keinen Fall unterschätzt werden darf!

 
Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 39 | ID 42561678