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· Fachbeitrag · Lebenslanges Wohnrecht

Grundstück gegen Wohnrecht und Pflege: Beim frühen Tod des Verkäufers gehen die Erben leer aus

| Wird ein Teil des Kaufpreises für ein bebautes Grundstück durch ein Lebenslanges Wohnrecht und eine Pflicht zur Pflege des Verkäufers abgegolten, ist es für die Erben bitter, wenn der Verkäufer kurz nach dem Verkauf stirbt. Sie erhalten keinen Ausgleich, so das OLG Frankfurt a. M. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Die Antragstellerin ist Erbin ihres verstorbenen Bruders. Dieser hatte sein Haus an seine Nichte, die Antragsgegnerin, verkauft. Laut Kaufvertrag erhielt der Bruder ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht. Zudem verpflichtete sich die Nichte, ihn im häuslichen Bereich zu pflegen. Die Jahreswerte von Wohnrecht und Pflegeleistung wurden beziffert, die Rechte kapitalisiert und vom Kaufpreis des Hauses abgezogen. Knapp drei Wochen nach Vertragsschluss verstarb der Erblasser überraschend. Die Antragstellerin meint, dass die Nichte die kapitalisierten Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen zahlen müsse.

 

Das LG hat ihren PKH-Antrag zurückgewiesen. Ihre Beschwerde blieb auch vor dem OLG erfolglos (6.5.19, 8 W 13/19, Abruf-Nr. 209451). Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung sei nach Ansicht des Senats eine Lücke im Regelungskonzept des Vertrags. Diese liege aber nicht vor.

 

Beide Seiten hätten sich bei Abschluss im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Verkäufer (der Erblasser) leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrags werden würde. Die Nichte sei das Risiko eingegangen, dass sie ‒ sofern der Erblasser sehr alt werde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig ‒ über einen sehr langen Zeitraum Pflegeleistungen erbringen müsse. Umgekehrt sei der Erblasser das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung deswegen eingegriffen werden sollte, da sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Nichte ihre Verpflichtungen für einen sehr langen Zeitraum hätte erfüllen müssen, hätte kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung bestanden.

 

Relevanz für die Praxis

Hier greift auch nicht das Argument a„Wegfall der Geschäftsgrundlage“. Wird ein lebenslanges Wohnrecht vereinbart, muss jeder Vertragsteil damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben kann“. Ebenso ist es beim Tod des Berechtigten. Gleiches gilt für die Pflegeverpflichtung. Auch hier muss damit gerechnet werden, dass die Verpflichtung infolge des Todes des Berechtigten bereits kurze Zeit nach dem Abschluss des Vertrags gegenstandslos wird.

Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 9 | ID 45983861