· Fachbeitrag · ZGA
Ansatz des Liquidationswerts im ZGA
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Der BGH hat sich mit dem Ansatz des Liquidationswerts eines Unternehmens im ZGA und mit der Hemmung der Verjährung der ZGA-Forderung befasst. Dazu im Einzelnen: |
Sachverhalt
Die Parteien schlossen am 27.3.99 die Ehe. Der Scheidungsantrag wurde am 1.10.04 zugestellt. Der Ehemann (M) war Arzt für Mund, Kiefer und Gesichtschirurgie sowie für Plastische Chirurgie in eigener Praxis, während er kosmetische Operationen als Konsiliararzt in einer Privatklinik durchführte, die er treugeberisch gründen ließ. Geschäftsführerin (GF) und Alleingesellschafterin davon war die F. Diese Gesellschaft mietete die Räumlichkeiten an und tätigte Investitionen in deren Ausstattung. Sie stellte dem M die Räumlichkeiten nebst Inventar gegen Zahlung einer Vergütung zur Verfügung. M und F übernahmen selbstschuldnerische Bürgschaften für die Kredite der Gesellschaft.
Im Mai 2004 trennten sich die Eheleute. Noch im gleichen Monat wurde die F als GF der Gesellschaft abberufen. Sie trat die Geschäftsanteile an den M ab. Mit Urteil vom 11.8.05 wurde die Gesellschaft rechtskräftig dazu verpflichtet, die F von Kreditbürgschaften von rund 650.000 EUR freizustellen. Kurz danach stellte der M als neuer GF der Gesellschaft einen Insolvenzantrag; das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 13.10.05 eröffnet. Die von der Gesellschaft eingebrachten Einbauten und Inventargegenstände veräußerte der Insolvenzverwalter Anfang 2006 für 75.000 EUR.
Über das Vermögen des M wurde mit Beschluss vom 1.11.15 das Insolvenzverfahren eröffnet. Seine Praxis wurde durch den Insolvenzverwalter des M noch im November 2005 geschlossen. Auch die F durchlief ein Insolvenzverfahren.
Im vorliegenden Verfahren hat die F von dem M im Wege eines Stufenverfahrens ZGA begehrt. Sie hat einen Teilbetrag von 5.000 EUR geltend gemacht. Der M hat widerklagend die Feststellung begehrt, dass der F keine ZGA-Ansprüche über 5.000 EUR hinaus zustehen. Das AG hat die Ehe geschieden, den VA geregelt und zum ZGA nach den Anträgen des M erkannt. Gegen die Entscheidung zum ZGA hat die F Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung am 28.11.11 haben die Parteien vor dem OLG Vergleichsmöglichkeiten erörtert. Mit Schreiben vom 9.2.12 hat der M ein Schreiben an die Gegenseite vorgelegt, mit dem er Vergleichsbereitschaft signalisierte, sofern das Steuerstrafverfahren gegen ihn niedergeschlagen würde.
Im Juli 2016 hat die F klageerweiternd ZGA letztlich von rund 250.000 EUR begehrt. Der M hat Zurückweisung beantragt und sich u. a. auf Verjährung berufen. Das OLG hat den M verurteilt, einen ZGA von rund 70.000 EUR zu zahlen. Die Revision des M führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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Entscheidungsgründe
Der Unternehmenswert ist auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens nach dem Wert des Anlagevermögens und des Materiallagers abzüglich der Verbindlichkeiten zu bemessen. Wegen der Besonderheiten des Falls kommt die Ertragswertmethode nicht in Betracht, die grundsätzlich als Bemessungsgrundlage für den Wert einer Unternehmensbeteiligung geeignet ist. Diese Ertragswertmethode, die auch den ideellen Wert des Unternehmens miteinbezieht und auf der Summe aller zukünftigen Erträge des fortgeführten Unternehmens ruht, ist nicht anzuwenden, weil die Geschäftstätigkeit der GmbH in erster Linie darauf ausgerichtet war, dem M die erforderliche Infrastruktur für seine ärztliche Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Die von der Gesellschaft beschafften Einrichtungen und Anlagen wurden ganz überwiegend über die Miete des M finanziert und unterhalten. Ein Erwirtschaften nachhaltiger Überschüsse war nicht zu erwarten, sodass sich für die Gesellschaft kein ideeller Geschäftswert darstellen ließ.
Hier ist der Liquidationswert für das Unternehmen anzusetzen
Allerdings ist die Bewertung des Anlagevermögens mit rund 830.000 EUR zu beanstanden. Der Substanzwert des Unternehmens bemisst nach dem Betrag, mit dem die Gesamtheit der materiellen Wirtschaftsgüter im Fall des Unternehmensverkaufs auf den gedachten Erwerber übergeht. Dabei kann grundsätzlich der Wiederbeschaffungswert zugrunde gelegt werden. Wenn der zu bewertende Vermögensgegenstand allerdings nicht ohne Weiteres wiederbeschafft werden kann, ist der Wert z. B. durch Abschreibung aus dem Neupreis zu entwickeln. Auf Grundlage dieser Berechnungsweise ist der Sachverständige zu dem Wert von rund 830.000 EUR gelangt. Der Substanzwert beruht auf der Annahme, dass das Unternehmen über den Bewertungsstichtag hinaus fortgeführt wird. Kommt eine Fortführung des Unternehmens nicht in Betracht, weil dem Unternehmen wegen schlechter Ertragslage oder aus sonstigen Gründen keine günstige Fortführungsprognose gestellt werden kann, ist der Liquidationswert, also der Zerschlagungswert, anzusetzen, der darauf beruht, dass das Unternehmen versilbert werden muss, um das Vermögen zu mobilisieren, damit der ZGA gezahlt werden kann.
Hier fehlen tragfähige Erwägungen für eine günstige Fortführungsprognose. Nach dem Stichtagsprinzip ist grundsätzlich auf die Erkenntnismöglichkeiten abzustellen, die am Stichtag gegeben waren. Nach dem Stichtag eintretende Entwicklungen sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Stichtag schon angelegt waren. Wenn das Unternehmen in einem nicht zu großen zeitlichen Abstand nach dem Bewertungsstichtag liquidiert wird, kann darin ein Indiz gesehen werden, dass die Fortführungsprognose schon am Bewertungsstichtag ungünstig gewesen ist. Für diesen Fall kann sich der Liquidationswert an dem kurz nach dem Stichtag erzielten realen Verkaufswert orientieren, sofern wesentliche Veränderungen auf dem Markt zwischen dem Stichtag und dem Veräußerungszeitpunkt nicht ersichtlich sind.
Die Fortführungsprognose war hier schon deshalb ungünstig, weil das Unternehmen für sich genommen keinen positiven Ertragswert hatte. Dies ist mit der besonderen Struktur der Gesellschaft als Infrastrukturbetrieb für die Praxis des M zu begründen, sodass eine Gesamtbetrachtung aus der Einzelpraxis und der Gesellschaft vorzunehmen ist. Der Sachverständige hat im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung am Bewertungsstichtag eine positive Ertragsprognose gestellt.
Auch das Insolvenzverfahren spricht bei der Gesamtbetrachtung nicht für eine negative Fortführungsprognose. Denn das Insolvenzverfahren ist nur deswegen eingeleitet worden, weil der M die von F übernommenen Kreditsicherheiten in Höhe von 650.000 EUR freistellen musste.
ZGA-Forderung der F ist nicht verjährt
Die ZGA-Forderung der F ist nicht verjährt, soweit sie den Betrag von 5.000 EUR übersteigt. Die Verjährung ist mit Beendigung des Güterstands durch die am 9.8.10 rechtskräftig gewordene Ehescheidung in Gang gesetzt worden. Folglich hätte die Verjährungsfrist bis Ablauf des 31.12.13 gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB geendet, wenn sie nicht vorher gehemmt worden wäre oder neu begonnen hätte. Der mit der Klage zunächst geltend gemachte Teilantrag erstreckt sich nicht auf den Lauf der Verjährung auf den im Verfahren noch nicht geltend gemachten Rest ihres ZGA.
Die Verteidigung gegen den Feststellungswiderantrag des M kann die Verjährung wegen des vom M geleugneten über 5.000 EUR hinausgehenden ZGA nicht hemmen.
Zu prüfen ist, ob der 5.000 EUR übersteigende ZGA-Anspruch wegen der seit dem 28.11.11 schwebenden Verhandlungen gehemmt worden ist, § 203 BGB. Der Begriff der Verhandlungen i. S. d. § 203 BGB ist verwirklicht, wenn der Gläubiger klarstellt, dass er einen Anspruch geltend macht und worauf er ihn stützen will und sich hieran ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen anschließt, sofern der Schuldner nicht sofort und erkennbar die Leistung ablehnt. Verhandlungen schweben daher schon, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Fraglich ist, ob die Verhandlungen durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des M vom 9.2.12 beendet wurden. Verhandlungen enden, wenn eine Partei sich weigert, diese fortzusetzen. Dies muss durch ein klares und eindeutiges Verhalten ausgedrückt werden. Eine einvernehmliche Unterbrechung der Verhandlungen, insbesondere durch das Abwarten weiterer Entwicklungen oder durch den Ausgang anderer gerichtlicher Verfahren, beendet die Verhandlungen nicht. Zu welchem Zeitpunkt die Verhandlungen bei einer Verhandlungspause beendet sind, hängt davon ab, von welcher Partei nach dem Inhalt der Vereinbarungen oder nach Treu und Glauben ein Aufgreifen der Verhandlungen erwartet werden muss. Ist dies der Schuldner, muss er selbst tätig werden und die Verhandlungen für beendet erklären, um die Wirkungen der Hemmung zu beenden.
Nach diesen Maßstäben sind die Verhandlungen mit Schriftsatz des M vom 9.2.12 nicht beendet worden, weil nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass er sich weigert, die Verhandlung fortzusetzen. Denn der M hat mitgeteilt, grundsätzlich weiterhin an Verhandlungen interessiert zu sein, nur wegen des laufenden Steuerverfahrens davon Abstand nehmen zu wollen, während nach Abschluss des Verfahrens Vergleichsbereitschaft bestehe. Daraus folgt, dass ein von den Parteien ins Auge gefasster Vergleichsschluss, zumindest dem Grunde nach, nur von einem günstigen Ausgang des gegen ihn gerichteten Steuerstrafverfahrens abhängig gemacht ist. Angesichts dieser Verknüpfung mit dem Ausgang des Steuerstrafverfahrens hätten sich weitere Verhandlungen aus Sicht der F als Fortsetzung unterbrochener Verhandlungen dargestellt. Deswegen ist der M verpflichtet, die Kommunikation zwischen den Parteien wieder aufzugreifen, wenn er von seiner Position aus diesem Schriftsatz hätte abrücken und sich nun unabhängig vom Ausgang des Steuerstrafverfahrens nicht mehr hätte vergleichen wollen.
Wenn keine günstige Fortführungsprognose für die Gesellschaft gestellt werden kann, weil die Gläubigerbank die F nicht aus der Haftung entlassen hätte, muss dies noch nicht zwangsläufig bedeuten, dass deshalb nur der vom Insolvenzverwalter vereinnahmte Verkaufserlös von 75.000 EUR als Liquidationswert angesetzt werden könnte. Hier könnte auch ein abweichendes Zerschlagungskonzept erwogen werden, in dem das wirtschaftlich an sich tragfähige Gesamtunternehmen, die Einzelpraxis und die Gesellschaft, an einen geeigneten Erwerber veräußert wird, der unter Stellung eigener Sicherheiten die Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernimmt.
Relevanz für die Praxis
Diese Entscheidung verdeutlicht die Gefahren im Hinblick auf die Verjährung, wenn nur ein Teilbetrag des Anspruchs gerichtlich geltend gemacht wird. Da nur dieser rechtshängig ist, kann im Übrigen eine Hemmung der Verjährung durch Rechtshängigkeit nicht eintreten. Auch, wenn der vermeintliche Schuldner eine negative Feststellungsklage als Widerklage erhebt, bedeutet die Erwiderung darauf nicht, dass damit auch Verjährung im Hinblick auf den weitergehenden Anspruch gehemmt ist. Vielmehr bleibt es bei dem Lauf der Verjährung des nicht geltend gemachten Restanspruchs.
Wenn Verhandlungen geführt werden, muss deren Beendigung klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Dadurch werden schützenswerte Interessen der Gläubiger nicht beeinträchtigt. Vielmehr hat der Schuldner ein Interesse daran, unmissverständlich auf die Beendigung der Verhandlungen hingewiesen zu werden, damit er weitere rechtliche Schritte zur Geltendmachung der Forderung ergreifen kann.
PRAXISTIPP | Um Anhaltspunkte für die Aufnahme von Verhandlungen von vornherein zu vermeiden, dürfte es angebracht sein, Ansprüche ohne Wenn und Aber abzulehnen. |
Der Liquidationswert ist der Wert, der bei einer Veräußerung z. B. eines Unternehmens nach Abzug der Verbindlichkeiten, der auch bei einer nur fiktiv durchgeführten Liquidation anfallenden Kosten, insbesondere der Ertragsteuern nach §§ 16, 18, 34 EStG übrig bleibt. Er ist i. d. R. der unterste Wert für die Unternehmensbewertung und eines Vermögensgegenstands. Im ZGA ist er nur wirksam, wenn ein Vermögenswert als Folge der ZGA-Zahlung in Geld eingesetzt werden muss und eine Veräußerung auch nicht durch eine Stundung abgewendet werden kann (BGH FamRZ 93, 1183) oder wenn das Unternehmen wegen schlechter Ertragslage nicht weitergeführt werden kann. Weist ein Unternehmen zum Stichtag keinen positiven Ertragswert auf und wird das Unternehmen in absehbarer Zeit tatsächlich liquidiert, ist ebenfalls dieser Wert als der wirkliche Wert zugrunde zu legen. Bei unrentablen Unternehmen kann der maßgebliche Wert bei der Ermittlung nach dem Ertragswertverfahren auch unter dem Liquidationswert absinken. Dies kommt allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht, z. B. dann, wenn es sich um einen erhaltenswerten Betrieb handelt (BGH FamRZ 86, 776) oder ein rechtlicher oder tatsächlicher Zwang besteht, das Unternehmen z. B. aufgrund testamentarischer Auflagen oder öffentlich-rechtlicher Bindungen fortführen zu müssen (Kuckenburg, FuR 05, 401).
Die häufigste Bewertungsmethode ist das Ertragswertverfahren. Auf den Ertragswert wird abgestellt, wenn der Betrieb fortgeführt werden soll. Für einen potenziellen Käufer ist die Chance auf künftige Nutzung und künftigen Ertrag das entscheidende Kriterium. Der Ertrag des Unternehmens ist entscheidend für seinen Wert. Je stärker das Unternehmen von der Person des Inhabers abhängt, desto weniger eignet sich zur Bewertung die Ertragswertmethode, etwa bei Handwerksbetrieben, kleineren Personen- oder Kapitalgesellschaften, freiberuflichen Praxen etc.
In den Fällen, in denen die Ertragswertmethode ungeeignet ist, weil das Unternehmen stark inhabergeprägt ist, oder für das Unternehmen kein Markt besteht, wird das Substanzwertverfahren herangezogen.
Der BGH geht auch von einem Veräußerungsfall aus, wenn das Unternehmen fortgeführt wird. Daher ist die Steuerlast, die mit einer Veräußerung verbunden wäre, auch in die Unternehmensbewertung einzubeziehen.
Weiterführende Hinweise
- BGH NJW 17, 949, die vorliegende Entscheidung knüpft daran an
- BGH NJW 04, 1654, die vorliegende Entscheidung knüpft daran an