· Fachbeitrag · Wirtschaftlichkeitsprüfung, Teil 4
Richtlinien des G-BA richtig anwenden: Füllungstherapie und Endodontie
von Yvonne Lindner, ZMV, Referentin, Jena, www.dentalcheck-thueringen.de
| Der Umfang von Kassenleistungen ist strikt festgelegt durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Dieser Beitrag befasst sich mit den sensiblen Schnittstellen zwischen GKV-Sachleistung und der GOZ in der Füllungstherapie und Endodontie. Er verdeutlicht, wann Sie den Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung verlassen und sich vom Sachleistungsprinzip der GKV in die GOZ begeben. |
Füllungstherapie im Frontzahnbereich
Längst nicht alle Füllungen im Frontzahngebiet sind komplett zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnungsfähig. So heißt es in der KCH-Richtlinie Teil III Nr. 5: „(…) Im Frontzahnbereich sind i. d. R. adhäsiv befestigte Füllungen das Mittel der Wahl. Mehrfarbentechnik im Sinne der ästhetischen Optimierung ist nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung.“ Gerade im ästhetisch wichtigen Frontzahnbereich arbeiten behandelnde Zahnärzte häufig zusätzlich zur dentinadhäsiven Befestigung in Mehrfarbentechnik oder mit opaken Farben, um das Ergebnis ästhetisch zu optimieren. Damit wird eine Mehrkosten-Füllung erbracht, die beim Kassenpatienten über das Formular „Mehrkosten bei Füllungeni“ (§ 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V) abgerechnet wird.
Wann entstehen Mehrkosten bei Frontzahnfüllungen?
Neben der Mehrfarbentechnik gibt es noch weitere Merkmale, die zu „Mehrkosten-Füllungen“ führen. Das sind u. a.
- spezielle Kavitätenrestauration in Adhäsivtechnik,
- Konditionieren der Oberfläche,
- Komposit (fehlersensitives, schwieriges und zeitaufwendiges Material)
- Mehrschichttechnik,
- schichtweises Polymerisieren,
- aufwendige Politur.
| ||||||||||||||||||||||||||||||
Frau Schneider benötigt am Zahn 25 eine Füllung und hat sich nach eingehender Beratung über die Füllungsalternativen für eine dentinadhäsive Füllung mit Mehrkosten entschieden. Abgerechnet wird wie folgt:
* je nach Kassenpunktwert |
Mehrkosten vor der Behandlung mit dem Patienten vereinbaren
Die Mehrkostenvereinbarung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V dient ausschließlich für Füllungsleistungen und ist vor der Behandlung mit dem GKV-Patienten zu vereinbaren und von diesem zu unterschreiben. Die Mehrkosten, die nach Abzug des Kassenanteils übrig bleiben, sind vom Patienten zu tragen.
Wichtig | Der Austausch intakter Füllungen ist eine Wunschleistung und kann nicht über das Mehrkostenformular abgerechnet werden. Diese müssen mit dem Kassenpatienten komplett privat vereinbart werden.
PRAXISTIPP | Liegen bei der Behandlung Besonderheiten vor, sind Sie nach § 5 Abs. 2 GOZ berechtigt, den Faktor nach Zeit, Schwierigkeit und Umstand zu steigern. In solchen Fällen sind individuelle, patientenbezogene Begründungen auf der Rechnung zu erfassen. |
Gewährleistungen in der Füllungstherapie
In § 136a Abs. 4 Satz 3 SGB V heißt es: „Der Zahnarzt übernimmt für Füllungen und die Versorgung mit Zahnersatz eine zweijährige Gewähr. Identische und Teilwiederholungen von Füllungen sowie die Erneuerung und Wiederherstellung von Zahnersatz einschließlich Zahnkronen sind in diesem Zeitraum vom Zahnarzt kostenfrei vorzunehmen.“ Das heißt: Wiederholungsfüllungen können nicht abgerechnet werden, wenn ein Verschulden des Zahnarztes vorliegt. Da seit 2011 vom BEMA-Abrechnungsmodul auch die quartalsübergreifenden Daten geprüft und Auffälligkeiten mit einer Fehlermeldung aufgezeigt werden, sollten solche Füllungen auch tatsächlich nicht aufgeführt werden.
Ausgenommen von der zweijährigen Gewährleistung und zulasten der gesetzlichen Krankversicherung abrechenbar sind
- Zahnhalsfüllungen (mit dem Zusatz „z“ oder „7“)
- Milchzahnfüllungen
- Eckenaufbauten im Frontzahnbereich unter Einbeziehung der Schneidekanten
- mehr als dreiflächige Füllungen
- besondere Umstände (Bruxismus).
Bei Wiederholungsfällen ist im „KZV-intern“-Feld eine Begründung zur wiederholten Abrechnung zu erbringen, z. B. Aufbisstrauma bei Tiefbiss, Füllungsfraktur bei nächtlichen Parafunktionen; okklusale Füllungsfläche nach endodontischer Behandlung. Die angegebenen internen Gründe muss die zuständige KZV im Rahmen ihrer Abrechnungsprüfung beurteilen.
Zuzahlungsverbot für Kassenpatienten
Bei der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten muss der Zahnarzt neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot zusätzlich das Zuzahlungsverbot beachten. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die erbrachten zahnärztlichen Leistungen im Rahmen des Sachleistungsprinzips nur, wenn diese von einem Vertragszahnarzt erbracht werden. Dieses Zuzahlungsverbot gilt nach dem Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) für alle vertragszahnärztlichen Leistungen.
Immer mehr spezialisierte Zahnärzte ‒ gerade in der Endodontie ‒ bieten daher private Zuzahlungen für GKV-Patienten an, sodass auch Kassenpatienten GOZ-Leistungen in Anspruch nehmen können. Diese müssen jedoch vor Behandlungsbeginn und Aufklärung privat mit dem Patienten vereinbart werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zahnbehandlung den Behandlungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) entspricht. Das heißt, die Wurzelbehandlung wird über die Chipkarte zulasten der GKV abgerechnet und mit dem Patienten wird zusätzlich eine Privatvereinbarung für Zusatzleistungen nach § 8 Abs. 7 BMV-Z getroffen. Solche Zusatzleistungen mit Zuzahlungen in der Endodontie sind u. a.
- Nr. 2400 GOZ: elektrometrische Längenbestimmung
- Nr. 2420 GOZ: elektrophysikalisch-chemische Methode
- Nr. 2430 GOZ: medikamentöse Zahneinlage (ab der vierten Sitzung)
- Nr. 2020 GOZ: speicheldichter Verschluss
- Nr. 2197 GOZ: adhäsive Befestigung
Wichtig | Bei vereinbarten Zuzahlungen bleibt die Hauptleistung im BEMA. Somit kann eine Wurzelkanalaufbereitung oder Wurzelfüllung nicht als Zuzahlung vereinbart werden, sondern ausschließlich Leistungen, die nicht im BEMA gelistet sind.
Fehlerpotenzial Endodontie
Gerade in der Endodontie gibt es neue Behandlungsmethoden, die auch GKV-Patienten im Rahmen der Zuzahlung angeboten werden. Zu beachten ist, dass Verstöße gegen das Zuzahlungsverbot diziplinarrechtliche Konsequenzen haben können. So ist es z. B. nicht möglich, einem Kassenpatienten Nickel-Titan-Feilen gemäß § 4 Abs. 3 GOZ privat zu berechnen, wenn die Wurzelkanalbehandlung über die Chipkarte abgerechnet wird und damit sämtliche Materialien, Geräte und Instrumente abgegolten sind.
Vor endodontischen Behandlung ist jeweils kritisch zu hinterfragen, ob der Zahn im Rahmen des Sachleistungsprinzips und der Richtlinien über die GKV abzurechnen ist oder ob es sich um eine reine Privatbehandlung handelt. Dies ist anhand der KCH-Richtlinie III Nr. 9 zu prüfen: Demnach ist die Wurzelkanalbehandlung von Molaren in der Regel angezeigt, wenn
- damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann,
- eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
- der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.
Beispiel 1: Kassen- oder Privatbehandlung?

Zahn 17 | Kassenleistung, da eine einseitige Freiendsituation vermieden wird. |
Zahn 24 | Kassenleistung, da eine geschlossene Zahnreihe erhalten bleibt und es sich um einen Prämolaren handelt. |
Zahn 46 | Privatleistung, da keine geschlossene Zahnreihe erhalten bleibt und eine einseitige Freiendsituation nicht vermieden wird. |
Beispiel 2: Kassen- oder Privatleistung?

Zahn 28 | Privatleistung, da keine geschlossene Zahnreihe erhalten bleibt und der Zahn keinen Antagonisten hat. |
Zahn 37 | Kassenleistung, da eine einseitige Freiendsituation vermieden wird. Voraussetzung ist, dass im Verlauf einer prothetischen Versorgung im Oberkiefer ein Antagonist hergestellt wird. |
Zahn 44 | Kassenleistung, da der Zahn eine intakte Krone hat und ein Prämolar ist. |
Diese Unterscheidung ist auch bei Wurzelkanalrevisionen vorzunehmen. Diese sind nicht automatisch privat zu berechnen.
Weitere Auflagen bei der Endodontie
Nicht nur die Unterscheidung trägt zur korrekten Abrechnung bei, sondern auch die Methodik sowie die Materialien, die dazu verwendet werden. So ist gemäß der KCH-Richtlinie III Nr. 9.1 zusätzlich zu beachten
- die Aufbereitbarkeit aller Wurzelkanäle sowie die Möglichkeit der apexnahen Wurzelfüllung,
- dass medikamentöse Einlagen auf drei Sitzungen beschränkt sind,
- dass biologisch, verträgliche, erprobte, dauerhafte, randbeständige und röntgenpositive Wurzelfüllmaterialien zu verwenden sind,
- dass die Wurzelkanalfüllung das Kanallumen vollständig ausfüllen soll und
- dass begleitende Röntgenaufnahmen (Messaufnahmen, Kontrollaufnahmen) unter Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen durchzuführen sind.
Erst wenn Sie alle genannten Auflagen erfüllen, ist die endodontische Behandlung zulasten der GKV berechnungsfähig. So sichern Sie Ihr Honorar für sämtliche erbrachte Leistungen und vermeiden Regresse, etwa weil
- eine Wurzelkanalbehandlung ohne Eingangsröntgenaufnahme (fehlender Beweis) erfolgte oder
- nach erfolgter Wurzelkanalbehandlung kein Röntgenbild angefertigt wurde (Kontrolle nach WF) oder
- weil während der Behandlung eine Messaufnahme unterblieb.