Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Werkvertragsrecht

Nicht ausgeführte LV-Positionen: Vergütungsrisiko kann auf den Planer durchschlagen

von Rechtsanwalt Markus Cosler, Fachanwalt für Bau- und ArchitektenrechtDelheid Soiron Hammer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Aachen

| Es kommt immer wieder vor, dass Positionen, die in einem LV beauftragt worden sind, im Zuge des Baufortschritts doch nicht ausgeführt werden. Zwei Entscheidungen des BGH und des OLG München lehren, dass sich in solchen Fällen ein ungeahntes Zahlungsrisiko für Ihren Auftraggeber auftut. Beraten Sie Auftraggeber deshalb sorgfältig und vermeiden Sie, dass der Auftraggeber Sie im Zahlungsfall mit in die Haftung nimmt. |

Typischer Fall aus der Praxis

Es beginnt mit einer nahezu alltäglichen Situation: Der Bauherr kommt zu Ihnen und beauftragt Sie mit Architekten- bzw. Ingenieurleistungen. Dabei bittet er dringend darum, einen von vorne herein realistischen Maximalpreis zu erhalten. Er möchte lieber von Anfang an etwas mehr finanzieren, als nachfinanzieren zu müssen. Er möchte also quasi eine größtmögliche Budgetsicherheit.

 

Im scheinbaren Interesse des Auftraggebers nehmen Sie also Planungsleistungen vor, in die Sie wirklich alles reinpacken, was evtl. erforderlich wird. Und Sie kommunizieren dem Bauherrn auch glasklar, dass Sie ganz viele Eventualitäten einkalkuliert haben, die vermutlich gar nicht benötigt werden. Aber der Bauherr wollte es ja so. Der Bauherr ist rundum zufrieden bis begeistert ‒ und Sie gehen in die nächsten Lph hin zu einer Beauftragung des Unternehmers.

 

Es wird dann auch eifrig gebaut. Wie zu erwarten war, werden einige der beauftragten Positionen nicht benötigt. Sie werden also folglich auch nicht ausgeführt. Man ist mit der Handwerkerleistung zufrieden, die Leistung wird abgenommen. Es folgt die Schlussrechnung, in der man aber zum größten Erstaunen des Bauherrn nun feststellen muss, dass für die Positionen, die gar nicht ausgeführt wurden, auf einmal tatsächlich zu zahlende Summen ausgeworfen werden. Der Bauherr ist überrascht bis empört und fragt, warum er denn Geld für etwas zahlen soll, was er überhaupt nicht erhalten hat.

Auch nicht ausgeführte Leistungen müssen bezahlt werden

Die meisten von Ihnen werden von diesem Verhalten des Unternehmers sicherlich genauso überrascht sein. Der Baujurist ist es weniger. Er weist da-rauf hin, dass das Vorgehen des Unternehmers über § 2 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 S. 2 VOB/B genauso wie über § 648 BGB nicht zu beanstanden ist.

 

Aktuelle Rechtsprechung lässt wenig Interpretationsspielraum

Das hat auch das OLG München vor nicht allzu langer Zeit klargestellt (OLG München, Beschluss vom 02.04.2019, Az. 28 U 413/19 Bau, Abruf-Nr. 215956): Lässt der Auftraggeber einzelne Positionen des LV nach Auftragserteilung tatsächlich nicht mehr vom Auftragnehmer ausführen, so liegt insoweit nicht etwa eine Leistungsänderung vor, sondern eine Teilkündigung.

 

Eine solche kann bei oben geschildertem Sachverhalt recht häufig vorkommen. Sie kann aber auch geschehen, wenn der Bauherr sich im Laufe des Baufortschritts ‒ z. B. aus Budgetgründen ‒ dafür entscheidet, bestimmte Leistungen nachträglich aus dem Auftragsvolumen herauszunehmen.

 

Herausnahme von Leistungen gilt als Teilkündigung

Nun ist es so, dass dies für den Unternehmer aber eben wirtschaftlich nicht völlig unerheblich ist. Man muss berücksichtigen, dass der Unternehmer ja kalkulatorisch seine Kosten auf die beauftragte Leistung umlegt. Dies tut er in der Regel dadurch, dass er Kosten auf alle Positionen verteilt. So ist in jedem Euro des Preises in gewissem Umfang eine Kostenumlage vorhanden.

 

Vergütungsfolgen sind erheblich

Nimmt aber der Auftraggeber Einzelpositionen aus dem LV heraus, so reduziert das ja nicht im gleichen Umfang die Kosten des Unternehmers. Diskutieren kann man natürlich über die Frage, ob insoweit nicht nur der Materialeinkauf, sondern ggf. auch der Lohn nicht wirklich anfällt, weil der Mitarbeiter an einer anderen Baustelle eingesetzt werden kann. Was aber in jedem Fall relevant ist, ist die Tatsache, dass der Unternehmer seine allgemeinen Geschäftskosten (z. B. seine Miete) anteilig auf die entsprechende Position umgelegt hat. Gelangt diese Position aber nicht mehr zur Ausführung, fehlt dem Unternehmer eben diese anteilige Miete. Dies berücksichtigen sowohl das BGB als auch die VOB/B; eben in den bereits genannten § 2 Abs. 4 und § 8 Abs. 1 S. 2 der VOB/B und in § 648 BGB.

 

Sowohl BGB- als auch VOB/B-Verträge sind betroffen

Die dortige Regelung lautet nahezu wortgleich, dass der Unternehmer für die entfallene Position das ursprüngliche Auftragsvolumen verlangen kann, sich jedoch dasjenige anrechnen lassen muss, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

 

Das Gesetz sieht hier im Übrigen zusätzlich vor, dass der Unternehmer im Rahmen einer gesetzlichen Vermutung pauschal fünf Prozent der vereinbarten Vergütung, die auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfällt, verlangen kann.

 

Legt der Unternehmer seine Kalkulation offen, wird er aber üblicherweise viel mehr erhalten. Denn man wird in der Regel davon ausgehen können, dass er jedenfalls seine allgemeinen Geschäftskosten, die Baustellengemeinkosten sowie Wagnis und Gewinn für die nicht ausgeführte Position verlangen können wird. Dies sind üblicherweise deutlich mehr als fünf Prozent.

Die Folgen für Ihre Planung und Beratung

D. h. konkret, dass Sie in dem eingangs geschilderten Fall sehr vorsichtig sein und den Bauherrn sinnvollerweise auf dieses Risiko hinweisen müssen.

 

Alternativ wäre zu überlegen, die entsprechenden Positionen als Eventual- bzw. Bedarfspositionen auszuschreiben. Aber auch hier müssen Sie aufpassen. Denn dann fließen sie meistens nicht in die Wertung und/oder das Endergebnis ein.

 

Die einvernehmliche Herausnahme allein führt noch nicht zum Ziel

Nun könnte man auf die Idee kommen zu sagen, dass man die entsprechend entfallenen Positionen nicht „einfach so“ weglässt, sondern mit dem Bauherrn und dem Unternehmer ein nachträgliches Gespräch führt. Das endet damit, dass man einzelne Positionen aus dem bereits beauftragten LV während der Baumaßnahme quasi „einvernehmlich“ herausnimmt.

 

Dem steht aber eine BGH-Entscheidung entgegen (BGH, Urteil vom 26.04.2018, Az. VII ZR 32/17, Abruf-Nr. 196065). Der BGH hat dort klargestellt, dass die oben dargelegten Vergütungsvorschriften ausdrücklich auch dann greifen, wenn eine einvernehmliche Vertragsbeendigung vorgenommen wird. Einigen sich also Auftraggeber und Auftragnehmer nachträglich darauf, dass

  • der Vertrag beendet sein soll und/oder
  • Einzelpositionen aus dem Vertragsvolumen herausgenommen werden,

kann der Unternehmer diese Positionen dennoch nach obigem Modell abrechnen.

 

Auftragnehmer muss explizit auf Vergütung verzichten

Hier muss seitens des Auftraggebers ‒ bzw. eben von Ihnen als Sachwalter des Auftraggebers ‒ unbedingt darauf geachtet werden, dass auch eine Einigung über die mit der Herausnahme der Einzelpositionen einhergehenden Vergütungsfolgen herbeigeführt wird.

 

Mit anderen Worten: Wenn es über die Folgen keine Einigung gibt, gilt das Gesetz bzw. die VOB/B. Der Auftragnehmer darf dann die entsprechenden Leistungen abrechnen (abzüglich der ersparten Aufwendungen).

 

Wenn Ihr Auftraggeber dies nicht möchte, muss er bei einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung ausdrücklich regeln, dass der ausführende Unternehmer damit einverstanden ist, für die nicht ausgeführten Leistungen keine Vergütung bzw. Entschädigung zu erhalten.

 

Ohne explizite Regelung läuft Ihr Auftraggeber Gefahr, für die nicht ausgeführten Leistungen dennoch eine Vergütung zahlen zu müssen. Und Sie laufen Gefahr, dass er Sie dafür wegen Beratungsfehler in die Haftung nimmt.

 

Weiterführender Hinweis

  • Beitrag a„BGH ändert Regeln für die Abrechnung von Nachträgen: Neues Haftungsrisiko minimieren“, PBP 6/2020, Seite 18 → Abruf-Nr. 46579955
Quelle: Seite 17 | ID 46620090