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11.02.2010 | Vereine mit Untergliederungen - Teil 2

Die Delegiertenversammlung bei Vereinen und Verbänden: Wissenswertes für die Praxis

Für große Vereine oder Vereine mit regionalen Untergliederungen ist die Vertreter- oder Delegiertenversammlung eine Alternative zur - organisatorisch kaum zu bewältigenden - Mitgliederversammlung. In der Januar-Ausgabe haben wir Sie mit den rechtlichen und satzungsmäßigen Voraussetzung von Delegiertenversammlungen vertraut gemacht.  

 

Nachfolgend steigen wir noch tiefer in die „Praxis der Delegiertenversammlung“ ein. Sie erfahren alles zur Wahl und Amtsdauer der Delegierten, zu ihren Rechten und Pflichten sowie zum Ablauf der Delegiertenversammlung.  

Die Amtsdauer der Delegierten

Die Amtszeit eines Delegierten beginnt grundsätzlich mit der Annahme der Wahl. Werden Delegierte im Zusammenhang mit der Satzungsänderungen gewählt, die an Stelle der Mitgliederversammlung eine Delegiertenversammlung einführt, beginnt das Amt mit dem Beginn der ersten Delegiertenversammlung. Enthält die Satzung keine Regelung über die Amtsdauer, sind die Delegierten nur bis zum Ende der Wahl der nachfolgenden Delegiertenversammlung im Amt. Sind Delegierte für mehrere Delegiertenversammlungen gewählt, muss das die Satzung so bestimmen. Eine Bestelldauer von drei bis vier Jahren ist nicht zu beanstanden.  

 

Die Delegiertenversammlung kann zwar die Wahlperiode - durch Satzungsänderung - verlängern, das gilt aber erst für die Mitglieder der nachfolgenden Delegiertenversammlung.  

Mehrfachstimmrecht

Damit mitgliederstarke Vereine in der Delegiertenversammlung angemessen repräsentiert sind, kann die Satzung festlegen, dass bestimmte Delegierte ein mehrfaches Stimmrecht haben. Die Versammlungsordnung kann dann bestimmen, dass vor der Eröffnung der Versammlung die Zahl der Stimmen geprüft wird, die ein Delegierter hat. Die Satzung kann dann auch regeln, dass bei bestimmten Beschlüssen nicht die Zahl der Stimmen eines Delegierten entscheidend ist, sondern eine Abstimmung „nach Köpfen“ erfolgt.  

Die Form der Bestellung von Delegierten

Die Satzung muss die Art der Bestellung der Delegierten festlegen. Möglich ist eine direkte Wahl durch die Mitgliederversammlung, aber auch eine Bestellung durch ein - gewähltes - Vereinsorgan, meist den Vorstand.  

 

Basis muss mittelbar Einfluss auf Willensbildung haben

Die Mitgliederbasis wird grundsätzlich nur dann angemessen repräsentiert, wenn sie die Möglichkeit hat, wenigstens mittelbar Einfluss auf die Willensbildung in der Delegiertenversammlung ausüben zu können. Nicht zulässig wäre es also, wenn die Delegierten durch ein Vereinsorgan bestimmt werden, das selbst nicht von der Mitgliederversammlung gewählt wird; zum Beispiel sogenannte „geborene“ Vorstandsmitglieder.  

 

Beispiel

Der Bürgermeister ist automatisch Vorstandsmitglied in einem Stadtmarketingverein und bestimmt allein die Verbandsdelegierten. Das ist unzuzulässig.  

Die Wahl der Delegierten

Hier sind vor allem die Punkte Wahlrecht und Wahlvorschlagsrecht sowie das Wahlverfahren wichtig.  

 

Wahlrecht und Wahlvorschlagsrecht

Grundsätzlich hat jedes Mitglied des Verbands das aktive und passive Wahlrecht. Das Wahlrecht kann aber nach allgemeinen Vorgaben (aber nur per Satzung) eingeschränkt werden - etwa weil ein Mitglied mit den Beitragszahlungen im Rückstand ist. Die Satzung kann aber Einschränkungen bei der Wählbarkeit machen. Das kann zum Beispiel ein bestimmtes Mindestalter sein oder eine bestimmte Dauer der Vereinszugehörigkeit.  

 

Das Wahlvorschlagsrecht steht grundsätzlich jedem Mitglied zu. Es darf nicht auf Verbandsorgane beschränkt sein. Einschränkungen durch die Satzung sind aber zulässig. Etwa in der Form, dass ein Wahlvorschlag von einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern unterstützt oder innerhalb einer bestimmten Frist eingereicht werden muss.  

 

Das Wahlverfahren

Wie bei der Mitgliederversammlung können die Einzelheiten der Durchführung der Delegiertenwahlen in einer Wahlordnung festgelegt werden. Diese kann vorsehen, dass für die Abwicklung der Wahl ein Wahlvorstand berufen wird. Die Mitglieder des Wahlvorstands dürfen nicht selbst Wahlbewerber sein und sich auch nicht an Wahlvorschlägen beteiligen.  

 

Die Wahl der Delegierten muss grundsätzlich in einer Mitgliederversammlung stattfinden, da Wahlen Abstimmungen sind. Eine Briefwahl ist möglich. Dies Satzung muss dann aber die Einstimmigkeitsregelung des § 32 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch abändern, weil andernfalls alle Mitglieder der schriftlichen Beschlussfassung zustimmen müssten.  

 

Wie die Delegierten zu wählen sind, muss sich aus der Satzung ergeben. Hier gelten die gleichen Regelungen wie für die Vorstandswahl. Deswegen sind Listenwahlen nur zulässig, wenn die Satzung sie ausdrücklich vorsieht.  

Das Delegiertenamt

Anders als Mitglieder in der Mitgliederversammlung haben Delegierte eine Organstellung, ähnlich wie auch der Verbandsvorstand. Aus diesem organschaftlichen Verhältnis zum Verband ergeben sich Rechte und Pflichten.  

 

Die Rechte des Delegierten

Der Delegierte hat das Recht, aber auch die Pflicht, an den Tagungen der Delegiertenversammlung teilzunehmen. Er muss dazu unter Mitteilung der Tagesordnung eingeladen werden (wie das Mitglied zur Mitgliederversammlung). Die Delegierten haben auch das Minderheitsrecht nach § 37 BGB (zur Einberufung der Versammlung). In der Versammlung steht jedem Delegierten das Anwesenheits-, Rede-, Antrags- und Stimmrecht zu. Er kann fehlerhafte Beschlüsse anfechten - auch auf gerichtlichem Weg. Jeder Delegierte hat außerdem das Recht auf eine Abschrift des Protokolls der Delegiertenversammlung.  

 

Wie der Vorstand steht der Delegierte in einem Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB). Er hat also nur Anspruch auf Aufwendungsersatz. Ein zusätzliches Anstellungsverhältnis mit Vergütungsanspruch (Dienstvertrag) muss getrennt abgeschlossen werden. Den Anspruch auf Aufwendungsersatz hat der Delegierte gegen den Verband. Per Satzung kann der Anspruch auch auf die Untergliederung übertragen werden. Nach § 670 BGB müssen vor allem Fahrt-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten ersetzt werden. Dazu kann auch ein sonstiger Schaden gehören, den der Delegierte im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit erlitten hat, zum Beispiel bei einem Unfall auf der Fahrt zur Delegiertenversammlung.  

 

Unser Tipp: Der Verband sollte diese Risiken eines Delegierten durch eine Versicherung abdecken.  

 

Wichtig: Der Delegierte steht nicht in einem Auftragsverhältnis zu den Mitgliedern, die ihn gewählt haben. Er hat also keine imperatives Mandat, sondern ist weisungsunabhängig und trifft seine Entscheidungen frei. Eine Stimmbindung ist möglich, muss aber eigens geregelt werden.  

 

Die Pflichten des Delegierten

Anders als für einfache Mitglieder ist für den Delegierten die Anwesenheit in der Delegiertenversammlung Pflicht. Dies ergibt sich organschaftlich aus dem übernommenen Amt. Für die Nichtteilnahme müssen triftige Gründe (zum Beispiel eine Erkrankung) vorliegen.  

 

Der Delegierte muss sowohl die Gesamtinteressen des Verbands als auch die Interessen der ihn wählenden Mitglieder im Auge haben. Er muss sich dazu laufend informieren - und sollte also zumindest die Ergebnisse von Mitgliederversammlungen der Basisorganisation kennen.  

 

Nach § 666 BGB ist der Delegierte zur Auskunft verpflichtet - allerdings nur der Delegiertenversammlung und eventuell dem Verbandsvorstand gegenüber, da sein Vertragspartner der Verband ist. Nach der Beendigung des Amts muss der Delegierte alles an den Verband herausgeben, was er von ihm oder Dritten in Zusammenhang mit seinem Amt erhalten hat (§ 667 BGB).  

 

Bei Rechtsgeschäften zwischen dem Verband und dem Delegierten gilt der Stimmrechtsausschluss des § 34 BGB. Das Gleiche ist der Fall, wenn es zu einer Interessenskollision zwischen dem Verband und den Eigeninteressen des Delegierten kommt.  

Die Haftung des Delegierten

Verletzt der Delegierte schuldhaft (Fahrlässigkeit genügt) seine Amtspflichten, ist er dem Verband wegen Schlechterfüllung des Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsvertrags zum Schadenersatz verpflichtet. Zu den Mitgliedern, die ihn gewählt haben, besteht dagegen kein Rechtsverhältnis. Ihnen gegenüber kann er deshalb nicht schadenersatzpflichtig werden.  

 

Etwas anderes gilt nur, wenn zu diesen Mitgliedern ein Vertragsverhältnis besteht, das den Delegierten zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet (zum Beispiel Stimmbindung), das der Delegierte aber missachtet. Auch gegenüber Gläubigern des Verbands haftet der Delegierte aufgrund seiner Organstellung nicht. Das gilt aber - wie beim Vereinsvorstand - nur für die vertragliche Haftung, nicht für unerlaubte Handlungen (Delikthaftung).  

Das Ende des Delegiertenamts

Das Delegiertenamt endet mit dem Ablauf der Wahlperiode, und zwar auch dann, wenn neue Delegierte noch nicht gewählt sind. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass die amtierenden Delegierten so lange im Amt sind, bis neue Delegierte gewählt sind.  

 

„Unzeitregelung“ bei kurzfristiger Amtsniederlegung

Der Delegierte kann sein Amt außerdem durch Erklärung gegenüber dem Verband niederlegen, in dessen Versammlung er gewählt worden ist. Der ehrenamtlich tätige Delegierte kann sein Amt jederzeit niederlegen. Hier gilt aber die „Unzeitregelung“. Entsteht dem Verband durch die vorzeitige Amtsniederlegung ein Schaden, hat er gegen den Delegierten einen Schadenersatzanspruch (§ 671 Absatz 2 BGB). Die Satzung kann den jederzeitigen Rücktritt ausschließen, das heißt auf wichtige Gründe beschränken.  

 

Das Delegiertenamt endet immer mit dem Eintritt der Geschäftsunfähigkeit. Es erlischt außerdem durch den Tod; eine automatische Amtsnachfolge ohne Neuwahl ist nur bei ausdrücklicher Satzungsregelung möglich.  

 

Voraussetzungen der Bestellung sind nicht mehr gegeben

Macht die Satzung entsprechende Vorgaben, endet das Amt auch, wenn der Delegierte die Voraussetzungen für die Bestellung nicht mehr erfüllt. Das ist etwa der Fall, wenn der Delegierte Vereinsmitglied sein muss und während der Amtsperiode die Vereinsmitgliedschaft verliert.  

 

Wahl in den Vorstand

Wird ein Delegierter in den Vorstand des Verbands gewählt, in dem er Delegierter ist, endet mit der Annahme der Wahl automatisch die Delegiertenstellung. Die Satzung kann die Aberkennung des Delegiertenamts außerdem bei Vorliegen bestimmter Tatbestände anordnen. Natürlich endet das Amt auch, wenn die Satzung das vorsieht, durch eine satzungsmäßig vorgesehene Abwahl. Möglich ist ein Amtsende auch durch die Selbstauflösung der Delegiertenversammlung. Das muss die Verbandssatzung aber so vorsehen.  

Die Delegiertenversammlung

Die Delegiertenversammlung hat im Verband die Funktion einer Mitgliederversammlung. Deshalb gelten die Regelungen der §§ 32 ff. BGB. Das betrifft zum Beispiel Satzungsänderungen oder die Auflösung des Verbands.  

 

Aufgaben der Delegierten

Die Delegierten müssen in der Vertreterversammlung für sich und für die vertretenen Mitglieder diejenigen Rechte und Pflichten wahrnehmen, die sonst im Verein jedes Mitglied selbst und ausschließlich für sich ausübt. Der Delegierte muss in der Vertreterversammlung mittels eines Rede-, Auskunfts- und Antragsrechts sachgerecht mitarbeiten.  

 

Vereinsmitglieder, die nicht Delegierte sind, haben grundsätzlich kein Recht zur Teilnahme an Delegiertenversammlungen. Ein solches Teilnahmerecht muss die Satzung ausdrücklich gewähren. Besteht die Delegiertenversammlung aus „gekorenen“ und „geborenen“ Mitgliedern, haben Vorstandsmitglieder, die Delegierte sind, automatisch ein Teilnahmerecht. Das gilt aber nicht für sonstige Vorstandsmitglieder der Untergliederungen. Es sei denn, die Satzung regelt das ausdrücklich so.  

 

Ausübung des Stimmrechts

Die Delegierten müssen ihr Stimmrecht persönlich ausüben. Eine Stimmrechtsübertragung ist nur zulässig, wenn die Satzung das - eventuell nur für Sonderfälle wie die Erkrankung des Delegierten - ausdrücklich so regelt.  

 

Anfechtung von Beschlüssen

Beschlüsse der Delegiertenversammlung können unter bestimmten Voraussetzungen auch von Vereinsmitgliedern, die nicht Delegierte sind, gerichtlich angefochten werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Beschluss unter Verstoß gegen elementare Rechtsgrundsätze gefasst worden ist und dass er in die Mitgliedschaftsrechte des anfechtenden Mitglieds eingreift.  

 

Beispiel

Der Verband beschließ eine gravierende Erhöhung der Mitgliederumlagen in den Basisorganisationen.  

 

 

Quelle: Seite 13 | ID 133482