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· Fachbeitrag · Unternehmensnachfolge

Erbschaft- und schenkungsteuerlicheAuswirkungen der COVID-19-Pandemie

von RA und Notar Dr. Ralf Laws, FA Steuerrecht und Arbeitsrecht,Fachberater für Unternehmensnachfolge, LL.M. M.M., Brilon

| Der Gesetzgeber hat auf die COVID-19-Pandemie mit verschiedenen Gesetzen und finanziellen Hilfen reagiert. Folgen ergeben sich auch bei der praktischen Handhabung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts,wobei der Gesetzgeber auf bestimmte Problemfelder noch nicht reagiert hat. Denn im Kontext einer betrieblichen Nachfolgeplanung können krisenbedingte Maßnahmen eine Nachversteuerung auslösen und damit eine steuerbegünstigte Übergabe/Unternehmensnachfolge gefährden. Dieser Beitrag sensibilisiert den anwaltlichen Berater, der Mandanten im Bereich der Unternehmensnachfolge berät, hierfür. |

1. Erbschaftsteuerliche Grundlagen

Die Grundstrukturen des gesetzlichen Verschonungsmodells für den Erwerb von unternehmerischem Vermögen lassen sich ‒ stark vereinfacht ‒ dahin gehend beschreiben, dass die steuerliche Verschonung im ersten Schritt den Erwerb begünstigten Vermögens (vgl. § 13b ErbStG) voraussetzt. Als begünstigtes Vermögen gilt land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen sowie bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 13b Abs. 1 ErbStG). Im zweiten Schritt werden nach dem System des ErbStG die erb- und schenkungsteuerlichen Vergünstigungen, nämlich die Gewährung eines Verschonungsabschlags bzw. Abzugsbetrags, nicht von einer Augenblicksbetrachtung abhängig gemacht; vielmehr sind nachlaufende gesetzliche Vorgaben einzuhalten.

 

Wird ‒ unterhalb des sogenannten Großerwerbs von 26 Mio. EUR ‒ Betriebsvermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 ErbStG erb- oder schenkungsteuerlich übertragen, können die gesetzlichen Verschonungsregelungen in Anspruch genommen werden. Dem Steuerpflichtigen stehen dabei als Alternativen zur Verfügung:

 

  • die sog. Regelverschonung nach § 13a Abs. 1 ErbStG sowie
  • die sog. Optionsverschonung nach § 13a Abs. 10 ErbStG ‒ unter Voraussetzung der Einhaltung bestimmter Quoten in Bezug auf das Verwaltungsvermögen.

 

Zudem bleibt der sogenannte Abzugsbetrag außer Ansatz (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Eine Begünstigung ist allerdings an die Einhaltung der sogenannten Lohnsummenregelung sowie an gesetzliche Behaltensfristen geknüpft. Die gesetzlichen Lohnsummenerfordernisse und Behaltensfristen stellen sich aktuell wie folgt dar:

 

  • Lohnsummenerfordernisse und Behaltensfristen
≤ 5 Beschäftigte

Regelverschonung

Haltefrist: 5 Jahre

keine Lohnsummenprüfung

Verschonungsabschlag: 85 %

Optionsverschonung

Haltefrist: 7 Jahre

keine Lohnsummenprüfung

Verschonungsabschlag: 100 %

> 5 aber ≤ 10 Beschäftigte

Regelverschonung

Haltefrist: 5 Jahre

Lohnsumme: mind. 250 % (≈ 50 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 85 %

Optionsverschonung

Haltefrist: 7 Jahre

Lohnsumme: mind. 500 % (≈ 71,4 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 100 %

> 10 aber ≤ 15 Beschäftigte

Regelverschonung

Haltefrist: 5 Jahre

Lohnsumme: mind. 300 % (≈ 60 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 85 %

Optionsverschonung

Haltefrist: 7 Jahre

Lohnsumme: mind. 565 % (≈ 80,7 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 100 %

Unternehmen mit > 15 Beschäftigten

Regelverschonung

Haltefrist: 5 Jahre

Lohnsumme: mind. 400 %(≈ 80 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 85 %

Optionsverschonung

Haltefrist: 7 Jahre

Lohnsumme: mind. 700 %(≈ 100 % p. a.)

Verschonungsabschlag: 100 %

 

2. Problemfelder bei bereits erfolgtem Übergang

Angesichts dieser gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich bei bereits übergegangenem Betriebsvermögen Problemfelder, wenn der Erwerber‒ pandemiebedingt ‒ gegen eine noch nachlaufende Lohnsummenregelung und/oder Behaltensfrist verstößt.

 

a) Verstoß gegen die Lohnsummenregelung

Ob tatsächlich ein Lohnsummenverstoß eingetreten ist, kann grundsätzlich erst nach Ablauf der fünf- bzw. siebenjährigen Lohnsummenfrist festgestellt werden. In der Praxis erfolgt zwar regelmäßig bereits ab dem Erwerbszeitpunkt eine kontinuierliche Prognose bzw. Hochrechnung der Lohnsummen, um innerhalb der Lohnsummenfrist frühzeitig die künftigen steuerlichen Folgen abschätzen zu können. Jedoch schützt auch eine vorausschauende Lohnsummenüberwachung nicht vor plötzlich eintretenden Ereignissen wie der COVID 19-Pandemie, die zu einem Rückgang oder gar Einbruch der Lohnsumme führen kann. Konkret kann ein Verstoß gegen die Lohnsummenregelung dadurch eintreten, dass

  • Arbeitsplätze abgebaut werden müssen oder
  • Kurzarbeit angeordnet werden muss.

 

Der Abbau von Arbeitsplätzen stellt den klassischen Fall der Verminderung der Lohnsumme dar. Solchen ‒ regelmäßig betriebsbedingten ‒ Entlassungen ist immanent, dass die negative Beeinflussung der Lohnsumme nicht durch Neueinstellungen oder andere Erhöhungen der Lohnsumme kompensiert wird (Wagner/Farinato, COVuR 20, 286, 290). Der Steuerpflichtige kann sich in derartigen Fällen nicht darauf berufen, dass die durch Kündigungen bedingte Unterschreitung der für ihn geltenden Lohnsumme „unverschuldet“ eingetreten sei, weil er durch außerbetriebliche Umstände zur einer Arbeitsplatzreduzierung gezwungen worden ist. Dies folgt schon daraus, dass die Gründe für das Unterschreiten der Lohnsumme nach der gesetzlichen Konzeption unerheblich sind (Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rn. 74).

 

Das Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld (KuG) vom 13.3.20 (BGBl. 20, 493 ff.) bezweckt eine gezielte Unterstützung der Unternehmen, bei denen es durch die COVID 19-Pandemie zu Arbeitsausfällen gekommen ist, um Entlassungen zu vermeiden und damit Arbeitsplätze in der Krise zu sichern. Gemäß den ErbStR 2019 ist das Kurzarbeitergeld im Rahmen der jeweils maßgeblichen Lohnsummen zu erfassen und wird durch die Erstattungen seitens der Bundesagentur für Arbeit an den jeweiligen Arbeitgeber nicht gemindert, da hierfür das Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB greift (ErbStR 2019 R E 13a.5 S. 4; Thonemann-Micker/Naus, DB 20, 856, 857). Im Ergebnis sinkt bei der Gewährung von Kurzarbeitergeld das Lohnniveau des betroffenen Unternehmens, wobei der Rückgang aber zumindest abgeschwächt wird. Von Bedeutung ist allein die kumulierte Lohnsumme innerhalb der Lohnsummenfrist. Folgt auf die Phase der Kurzarbeit dagegen auch eine Kündigungswelle und damit ein nachhaltiger Rückgang der Löhne und Gehälter, verstärkt sich das Risiko eines Lohnsummenverstoßes deutlich (Weiss/Barthel/Pritzl, NWB 20, 1417, 1421).

 

Damit sind aus steuerlicher Sicht die Fälle kritisch zu bewerten, in denen die bisherigen Jahreslohnsummen ‒ noch ‒ nicht ausgereicht haben und nunmehr auch noch die entscheidenden Beträge zur Überschreitung der Mindestlohnsumme durch die COVID-19-Pandemie wegzubrechen drohen. Ein Ausgleich könnte allenfalls dadurch erfolgen, dass die durch das Kurzarbeitergeld bedingte Reduktion des Personalaufwands mittels Aufstockung der Gehälter durch den Arbeitgeber/Erwerber ausgeglichen wird.

 

b) Verstoß gegen die Behaltensfrist

Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Behaltensfrist. Ein Verstoß gegen eine Behaltensfrist kann vorliegen bei

  • einem Verkauf von Betriebsvermögen,
  • einer Insolvenz des Unternehmens und
  • einer Verletzung der gesetzlichen Entnahmebeschränkung.

 

aa) Verkauf von Betriebsvermögen

Bei vielen Unternehmen steht augenblicklich angesichts fehlender Umsätze ohne äquivalente Kostenreduzierung die Liquiditätsbeschaffung im Vordergrund. Der eine oder andere Unternehmensnachfolger muss darüber nachdenken, hierzu einen Teil seiner Beteiligungen oder wesentliche Betriebsgrundlagen des Unternehmens zu veräußern (Hannes/Lorenz, ZEV 20, 385, 385). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Wegfall der Vergünstigungen selbst dann mit dem Gesetzeszweck im Einklang steht, wenn dasBetriebsvermögen krisenbedingt veräußert wird bzw. werden muss (BFH 4.2.10, II R 25/08, BFHE 228, 130). Der Steuerpflichtige kann sich auch nicht auf ein nicht gegebenes Verschulden berufen, da die Gründe für den Verstoß gegen die Behaltensregelungen unbeachtlich sind (ErbStR R E 13a.12 [1] S. 2).

 

bb) Insolvenz

Im Extremfall bleibt dem Erwerber nur der Weg, eine Insolvenz zu beantragen. Damit ist der Sachverhalt aber erbschaft- und schenkungsteuerlich nicht abgeschlossen. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 4 S. 2 ErbStG führt im Bereich der Kapitalgesellschaften als nachträglichen Versagungsgrund für die Steuervergünstigung ausdrücklich die Auflösung der Kapitalgesellschaft an. Eine Kapitalgesellschaft wird durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG bzw. § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG aufgelöst. Die Insolvenz erfüllt einen veräußerungsgleichen Tatbestand (BFH 4.2.10, II R 25/08, BFHE 228, 130; BFH 16.2.05, II R 39/03, BFHE 209, 143) und ist damit als Behaltenspflichtverstoß zu qualifizieren (ErbStR 2019 R E 13a.13 [1] S. 3). Dies gilt im Ergebnis auch für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft. Darin liegt eine schädliche Verfügung i. S. d. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 ErbStG, wobei noch nicht geklärt ist, ob bereits durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein schädlicher Vorgang ausgelöst wird (so FG Nürnberg 26.4.18, 4 K 571/16, EFG 18, 1276; Revision anhängig unter BFH II R 19/18). Der nachträgliche Wegfall der Steuerbegünstigung des Betriebsvermögens tritt unabhängig davon ein, aus welchem Grund die Insolvenz eingetreten ist (vgl. BFH 26.2.14, II R 36/12, BFHE 244, 449).

 

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO wegen pandemiebedingter Zahlungsunfähigkeit war zwar gemäß § 1 COVInsAG bis zum 30.9.20 und ist bei Überschuldung bis zum 31.12.20 ausgesetzt; eine solche Aussetzung bewahrt aber nicht davor, dass außerhalb der Aussetzungsfrist ein Antrag gestellt werden muss.

 

cc) „Überentnahmen“

Je nach Finanzlage des Unternehmens/Erwerbers werden Situationen eintreten, in denen in der Krise Gewinne ausbleiben oder nicht ausreichen, um die für den privaten Bedarf erforderliche Liquidität zu decken. Dies kann zu Entnahmen aus den thesaurierten Gewinnen der Vergangenheit führen. Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag fallen mit Wirkung für die Vergangenheit jedoch weg, soweit der Erwerber innerhalb der Behaltensfrist Entnahmen i. S. d. § 13a Abs. 6 Nr. 3 ErbStG tätigt, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 150.000 EUR übersteigen. Gleiches gilt sinngemäß für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft. Die Überentnahmen führen hinsichtlich des Überschussbetrages zu einer Nachversteuerung.

 

Deshalb ist es sinnvoll, rechtzeitig vor Ablauf der Behaltensfrist die Höhe der im Behaltenszeitraum getätigten Entnahmen zu überprüfen. Werden Überentnahmen festgestellt, kann die Steuernachzahlung unter Umständen durch eine Einlage vor Ende der Behaltensfrist ausgeglichen werden.

3. Reaktionsmöglichkeiten

Drohen die nachlaufenden Vorgaben des ErbStG nicht eingehalten zu werden, sind die Reaktionsmöglichkeiten hierauf äußerst begrenzt. Dies liegt schlicht daran, dass das Gesetz keine Ausnahmen zulässt. Hinzu kommt: Hinsichtlich eines steuerschädlichen Verkaufs von Betriebsvermögen oder einer Insolvenz sind keine Vermeidungsstrategien erkennbar, denn zu solchen Schritten wird der Unternehmer erst greifen, wenn ihm kein anderer Ausweg bleibt.

 

a) Erhöhung bzw. Aufstockung bei Lohnsummenverstoß

Einem drohenden Verstoß gegen die Lohnsummenregelung kann nur begegnet werden, indem ‒ entsprechende finanzielle Mittel vorausgesetzt ‒ eine „Erhöhung“ oder „Aufstockung“ bis zur Gesamtlohnsumme erfolgt. Da nicht der einzelne Jahreslohn, sondern die Summe der Löhne innerhalb der Lohnsummenfrist maßgebend ist (vgl. § 13a Abs. 3 S. 5 ErbStG), wird in der Praxis vorgeschlagen, durch „Gestaltungsmaßnahmen“ die Lohnsumme so zu erhöhen, dass „die geforderte Summe erreicht wird“ (Uhl-Ludäscher/Holly, NWB-EV 20, 170, 172).

 

b) Ausübung eines Widerrufs- oder Rückübertragungsrechtes

Ist Betriebsvermögen im Wege der Schenkung übergegangen und drohen Nachversteuerungstatbestände, wird in der Praxis als Alternative angeregt, das Eingreifen eines ‒ vertraglichen ‒ Widerrufs- oder Rückübertragungsrechtes zu prüfen (Uhl-Ludäscher/Holly, NWB-EV 20, 170, 171). Hintergrund ist, dass eine Schenkung als solche schenkungsteuerrechtlich rückgängig gemacht werden kann, als ob sie nicht erfolgt wäre (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dies führt dazu, dass in Schenkungsverträgen häufig derartige Rechte für den Fall aufgenommen werden, dass ein bestimmter Steuerbetrag infolge der Übertragung überschritten wird, teils auch, dass Behaltensregelungen oder die Lohnsummenregelung nicht eingehalten werden (vgl. Schulte, ErbR 14, 145 ff.).

 

Sind im konkreten Einzelfall derartige steuermotivierte Widerrufs- oder Rückforderungsrechte vereinbart und auch einschlägig, muss eingehend geprüft werden, ob hiervon tatsächlich auch Gebrauch gemacht wird. Abzuwägen ist die Nachsteuer gegen die bei einem Widerruf entstehenden Rückabwicklungsprobleme (vgl. §§ 346 ff. BGB) und die Kosten einer erneuten Übertragung sowie auch die zeitliche Komponente. Dieses Abwägungserfordernis gilt insbesondere, wenn im Insolvenzfall die Steuerbelastung durch eine nachträglich festgesetzte Schenkungsteuer vermieden werden soll (Uhl-Ludäscher/Holly, NWB-EV 20, 170, 172).

4. Erforderlichkeit gesetzgeberischer Maßnahmen

Die Praxis fordert 1‒ zu Recht ‒ vom Gesetzgeber die Abmilderung bzw. Vermeidung einer Nachsteuer, wenn die Verletzung der Lohnsummenbestimmungen und/oder der Behaltensregelungen ‒ ausschließlich ‒ auf pandemiebedingte Umstände zurückzuführen ist (Uhl-Ludäscher/Holly, NWB-EV 20, 170, 172). Denkbar ist etwa das Einfrieren der Lohnsummenregelung auf den 1.3.20, die Verkürzung der Lohnsummenfrist, die Einführung einer Billigkeitsregelung (Thonemann-Micker/Naus, DB 20, 856, 857) oder der Verzicht auf eine Nachsteuer in den vorbeschriebenen Fällen.

Quelle: Seite 184 | ID 46944452