· Fachbeitrag · Unternehmenskrise
Der Weg in die Krise und Insolvenz ‒ und mögliche Auswege
von Christin Malsch, Fachanwältin für Insolvenzrecht
| Am 26.1.17 (IX ZR 285/14 ) verurteilte der BGH einen Steuerberater zu Schadenersatz, weil dieser seinen Mandanten nicht hinreichend auf eine drohende Insolvenzgefahr hingewiesen hatte. Dieses Urteil zeigt, dass Steuerberater im Rahmen ihres Mandats die Pflicht haben, einen gegebenenfalls bestehenden Anmeldetatbestand im Blick zu haben und ihre Mandanten zu informieren. Für den Steuerberater ist es wichtig, die Indikatoren einer Krise zu erkennen und hilfreich, wenn er seinem Mandanten die grundsätzlich bestehenden Sanierungsoptionen aufzeigen kann. |
1. Der Weg in die Krise und Insolvenz
Eine Existenzkrise in Form einer Überschuldungs- oder Liquiditätskrise entsteht nicht von heute auf morgen. Diese stellt in der Regel die Fahnenstange einer Eskalation von Krisenzuständen dar. Der Existenzkrise gehen strategische und Ertragskrise voraus. Diese Krisen gilt es für den Steuerberater zu erkennen, um es erst gar nicht zu einer solchen Entwicklung kommen und damit einen Anmeldetatbestand entstehen zu lassen.
Durch dieses vorausschauende Verhalten verhindert der Steuerberater nicht nur eine Inhaftungnahme, sondern kann, als oftmals ausgelagerte betriebswirtschaftliche Abteilung des Mandanten, weitere Produkte beim Mandanten platzieren. Stichwort: digitalisiertes und automatisiertes Kennzahlensystem als Frühwarnsystem auf Basis von DATEV.
1.1 Krisenstadien und typische Krisensymptome
Klassischerweise laufen strategische, Ergebnis- und Existenzkrise sukzessive ab. Exogene Schocks, wie z. B. aktuell die Coronapandemie verbunden mit einer Lockdown-Abwehrstrategie, können jedoch bewirken, dass Krisenstadien übersprungen werden. Je näher ein Unternehmen der Existenzkrise kommt, desto stärker werden die finanziellen wie zeitlichen Handlungsspielräume eingeengt und steigt der Handlungsdruck.
1.1.1 Strategische Krise
In der strategischen Krise kann das Unternehmen durchaus noch über starke Erträge verfügen, jedoch erfährt es einen Substanzverzehr seiner kritischen Erfolgsfaktoren, also jener spezifischen Stärken, mit denen es sich in der Vergangenheit seinen Erfolg am Markt erkämpft und vom Wettbewerb differenziert hat. Je nach Unternehmen, verfolgter Strategie und Branche können das ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Stärken sein.
Klassische Symptome für eine strategische Krise sind z. B. das Aufkommen von substitutivem Wettbewerb, der Verlust von Marktanteilen und der damit verbundene Auftragsrückgang oder wenn neue Produkte am Markt nicht an den Erfolg der Vorgänger anknüpfen und Produktionskapazitäten nicht ausgelastet werden. Typisch ist auch, dass gute, langjährige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen und die Stimmung in der Unternehmensführung sich verschlechtert.
1.1.2 Ergebniskrise
In der Ergebniskrise sind die Erfolgsfaktoren des Unternehmens bereits soweit geschwächt, dass sich der Substanzverlust spürbar auf das Ergebnis niederschlägt. Die operative Profitabilität ist gefährdet oder bereits negativ.
Die zentralen Kennzahlen verschlechtern sich. Symptome hierfür sind unter anderem:
- Die Verschlechterung von EBIT, operativem Cashflow, Produktergebnisrechnungen und weiterer Finanzkennzahlen
- Die Reduzierung der Investitionen
- Zunehmender Verkauf unter Preis
- Ausschöpfung von Zahlungszielen zulasten von Skonti
- Mitarbeiterfluktuation steigt
- Stimmung im Unternehmen verschlechtert sich
- Offensive Bilanzpolitik
2. Auswege aus der Krise und Insolvenz
Der Erfolg einer Sanierung im Insolvenzumfeld und der Erhalt eines Unternehmens hängen entscheidend von dem rechtzeitigen Erkennen der Krise und einer schnellen und entschlossenen Reaktion ab: Hierbei ist das geeignete Sanierungsinstrument auszuwählen und der auf die Beseitigung der Krisenursachen gerichtete Sanierungsplan konsequent umzusetzen.
2.1 Der außergerichtliche Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR)
Um das nach wie vor bestehende Stigma der Insolvenz zu vermeiden, gibt es mit dem StaRUG seit dem 1.1.21 einen Rechtsrahmen für eine außergerichtliche Sanierung. Der sog. außergerichtliche Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen (SRR) bietet die Möglichkeit einer Entschuldung ohne Einbindung des Insolvenzgerichts und Kontrolle eines Insolvenzverwalters. Im Folgenden wird analysiert, welche Kernelemente eine außergerichtliche Sanierung beinhaltet und in welchen Fällen diese Erfolg versprechend sein kann.
2.1.1 Inhalt und Ablauf des Restrukturierungsverfahrens
Den betroffenen Gläubigern wird ein vom Schuldner vor Anzeige beim Restrukturierungsgericht vorbereiteter Restrukturierungsplan zunächst zur Erörterung und sodann zur Abstimmung vorgelegt. Nach Annahme durch die Gläubigermehrheit wird dieser später durch das Gericht bestätigt und somit rechtswirksam gegenüber allen Beteiligten, §§ 60, 67 StaRUG. Der Plan muss ein klar definiertes Restrukturierungsziel zum Inhalt und die Restrukturierung muss objektiv positive Erfolgsaussichten haben. Dies setzt bereits zu Beginn des Verfahrens ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell voraus, welches nach Umsetzung des Plans ein operativ profitables Unternehmen zum Ergebnis hat.
Durch eine Anzeige des Schuldners beim zuständigen Restrukturierungsgericht wird die sog. „Restrukturierungssache“ zunächst rechtshängig (§ 31 Abs. 3 StaRUG). Dem Schuldner kann dann durch eine sog. Stabilisierungs-anordnung auf Antrag vorübergehend für drei (Regel) bis maximal vier (auf Verlängerung) Monate Vollstreckungsschutz gewährt werden (§§ 49, 53 StaRUG).
Zudem kann eine Verwertungssperre für Gegenstände verhängt werden, an denen Aus- und Absonderungsrechte bestehen, wenn diese für die Fortführung des Unternehmens notwendig und von erheblicher Bedeutung sind. Der gestaltende Teil des Plans kann einen Schuldenerlass oder die Änderung von Rechtsbeziehungen vorsehen. Ferner können durch die Einteilung und Abstimmung der Gläubiger in Gruppen einzelne Akkordstörer ausgeschlossen werden.
Ausgenommen von der Gestaltung sind Arbeitsverhältnisse und die ein-seitige Beendigung von Dauerschuldverhältnissen.
Voraussetzung der Planannahme durch die Gläubiger ist, dass in jeder der von dem Schuldner gebildeten Gruppe Gläubiger mit 75 % der dort vertretenen Stimmrechte dem Plan zustimmen (§ 25 StaRUG). Das Stimmrecht richtet sich nach der Höhe der sog. Restrukturierungsforderungen. Die Einteilung der Gruppen in Planbetroffene hat nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen. Innerhalb jeder Gruppe sind die Planbetroffenen gleichzubehandeln. Sollte in einer Gruppe keine erforderliche Mehrheit zustande kommen, kann eine sog. gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden (§ 26 StaRUG). Voraussetzungen sind, dass die Gläubiger durch den Plan nicht schlechter gestellt werden, als im Regelinsolvenzverfahren und dass die überstimmten Gläubiger angemessen am Planwert beteiligt werden.
Sowohl im Vorfeld einer außergerichtlichen Sanierung als auch bei deren Durchführung spielen insolvenzspezifische Kriterien (vgl. Vorprüfung) eine zentrale Rolle. Diese gilt es unbedingt zu beachten, da sonst Haftungsgefahren drohen und der Erfolg der Sanierung gefährdet wird.
2.1.2 Vorprüfung: Abgrenzung drohende Zahlungsunfähigkeit zur Insolvenz-reife
Entscheidende Voraussetzungen für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRUG (vgl. § 29 StaRUG) sind dabei die lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit und eine positive Fortbestehensprognose. Beide Kriterien dienen als Abgrenzung zur sog. Insolvenzreife, bei der für die Geschäftsführung ‒ abgesehen von den Sonderregelungen des COVInsAG ‒ nach wie vor eine Insolvenzantragspflicht besteht.
Ein Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen (§ 18 Abs. 2 InsO).
Tritt nach Anzeige der Restrukturierungssache die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ein, ist dies unverzüglich bei Gericht anzuzeigen (§§ 32 Abs. 3, 42 StaRUG). Die Anzeige ist das Äquivalent zur Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO. Diese ruht zwar während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache. Unterbleibt eine rechtzeitige Anzeige, können sich die Geschäftsleiter jedoch gleichermaßen straf- und haftbar machen. Deshalb ist die Prüfung der Insolvenzgründe auch während des laufenden Restrukturierungsverfahrens ein fortwährender Prozess. Auch und gerade während des Restrukturierungsverfahrens haben die Geschäftsleiter darauf zu achten, dass die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger fortgeführt werden. Widrigenfalls haften sie bis zur Höhe des Gesamtgläubigerschadens (§ 43 StaRUG).
Innerhalb der von dem Schuldner im Zuge der Vorbereitung der Anzeige anzustellenden Prognose ist zu ermitteln, wann voraussichtlich mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu rechnen ist.
- Keine Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
- Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen weniger als 90 % der fälligen (§ 271 BGB) Verbindlichkeiten durch die verfügbaren liquiden Mittel beglichen werden können (BGH 19.12.17, II ZR 88/16). In einem ersten Schritt ist ein aktueller Liquiditätsstatus aufzustellen. Zu den liquiden Mitteln gehören neben Bargeld und Kontoguthaben auch der noch verfügbare Kontokorrentrahmen und die fälligen Forderungen. Dem werden alle fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten gegenübergestellt.
- Ist die Liquiditätslücke größer als 10 %, muss als zweiter Schritt in einem Liquiditätsplan über einen Zeitraum von drei Wochen ermittelt werden, ob die Zahlungsunfähigkeit beseitigt wird. Dabei werden sowohl die in diesem Zeitraum fakturierten und fällig werdenden Forderungen aber auch die fällig werdenden Verbindlichkeiten einbezogen. Kann die Liquiditätslücke von 10 % oder mehr innerhalb von 21 Tagen geschlossen werden, liegt lediglich eine vorübergehende Zahlungsstockung vor.
- Im Rahmen einer weiteren Liquiditätsplanung ist dann im dritten Schritt zu prüfen, ob und gegebenenfalls wann der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlich ist, d. h., die Liquiditätslücke länger als drei Wochen mehr als 10 % betragen wird. Hier können gestaltende Maßnahmen wie Umstellung von Zahlungszielen, auf Factoring, Sale & Lease Back positive Cash-Effekte haben. Auch bereits beantragte Überbrückungshilfen können in die Planung mit einfließen. Auf der Passivseite wirken sich Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen z. B. mit langjährigen Geschäftspartnern, liquiditätsverbessernd aus.
- Keine Überschuldung (§ 19 InsO)
- Eine außergerichtliche Sanierung kann nur dann eingeleitet werden, wenn weder Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung vorliegen. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich („positive Fortbestehensprognose“).
- Diese positive Fortbestehensprognose für die nächsten zwölf Monate setzt wiederum voraus, dass in diesem Zeitraum voraussichtlich keine Zahlungsunfähigkeit eintritt. Sollte der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit hingegen erst nach Ablauf der zwölf Monate wahrscheinlich sein, ist dies unschädlich für den Überschuldungsstatus, da dann nach der Definition des § 19 InsO keine Überschuldung, sondern lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegt.
- Der Gesetzgeber wollte mit der 12-Monatsprognose für die Prüfung des Überschuldungsstatus bewusst eine Abgrenzung zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, bei der ein 24-Monatszeitraum zugrunde zu legen ist, schaffen. Fällt der voraussichtliche Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach der angestellten Fortführungsprognose nun aber in das Zeitfenster der ersten zwölf Monate, wäre grundsätzlich (abgesehen von der Aussetzung der Antragspflicht bis 30.4.21 nach dem COVInsAG) von einer Überschuldung des Unternehmens und damit einer Insolvenzantragspflicht auszugehen.
- Die Frage ist, ob dem Unternehmen in einem solchen Fall der Weg einer außergerichtlichen Sanierung über das StaRUG verwehrt ist. Zwar enthält das StaRUG hierzu keine explizite Regelung. Allerdings wird im Regierungsentwurf zum Thema Zugang zum SRR bei Vorliegen der Insolvenzreife erwähnt, dass die Beurteilung der Fortführungsprognose unter Berücksichtigung der Ziele des Restrukturierungsplanes zu erfolgen hat. Vermittelt der Restrukturierungsplan positive Aussichten zur Verwirklichung des Restrukturierungsziels und ist danach die weitere Fortführung über die zwölf Monate hinaus als gesichert anzusehen, liegt demnach keine Überschuldung vor und der Zugang zum SRR wäre damit gegeben (RegE S 134).
2.1.3 Ausschlussgründe und Aufhebung durch das Gericht
Die von dem Schuldner beantragte Stabilisierungsanordnung durch das Gericht setzt voraus, dass die angestrebte Restrukturierung geeignet und erforderlich ist, um das Restrukturierungsziel zu verwirklichen. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn die Restrukturierung von vornherein aussichtslos ist oder keine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht (§ 51 StaRUG). Bestehen Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten oder hat der Schuldner in einem der vergangenen drei Geschäftsjahre gegen die Offenlegungspflichten nach §§ 325 bis 328 oder 339 HGB verstoßen, ordnet das Gericht die Stabilisierungsanordnung nur unter zusätzlichen Voraussetzungen eines besonderen Gläubigerschutzes an.
Weiter hebt das Gericht die Restrukturierungssache grundsätzlich auf, wenn der Schuldner den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nach § 32 Abs. 3 StaRUG angezeigt hat oder dies aus den Umständen bekannt wird. Nur ausnahmsweise kann das Restrukturierungsverfahren auch dann fortgesetzt werden, und zwar wenn die Überleitung des Verfahrens in ein Regelinsolvenzverfahren mit Blick auf das fortgeschrittene Stadium des Verfahrens offensichtlich nicht den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger entsprechen würde (§ 33 Abs. 2 StaRUG).
Werden ferner Umstände bekannt, welche der erfolgreichen Umsetzung des Restrukturierungsplans entgegenstehen oder aus denen sich ergibt, dass der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten nach § 32 StaRUG verstoßen hat, kann das Gericht das Verfahren ebenfalls auf-heben.
2.2 Sanierung durch Insolvenz-Eigenverwaltung (§ 270 InsO)
Sofern eine außergerichtliche Sanierung nicht in Betracht kommt, weil die Existenzkrise bereits zu weit fortgeschritten und Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder das Restrukturierungsziel ohne notwendige Personalanpassungen und/oder Restrukturierung der Dauerschuldverhältnisse nicht erreicht werden kann, ist die Beantragung eines Regelinsolvenzverfahrens angezeigt. Dabei sollte vorab geprüft werden, ob das Verfahren im Rahmen einer Eigenverwaltung nach § 270 InsO durchgeführt werden kann, da der Schuldner hier weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen ausüben kann und lediglich einer Überwachung durch den vom Gericht bestellten Sachwalter unterliegt.
2.2.1 Neue Antragsvoraussetzungen für die Eigenverwaltung
Die Voraussetzungen für eine Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO wurden durch das zum 1.1.21 in Kraft getretene SanInsFoG aufgrund des in der Vergangenheit wiederholt aufgetretenen Gestaltungsmissbrauchs zum Nachteil von Gläubigern deutlich verschärft und ergänzt.
Neben einem Finanzplan für die nächsten sechs Monate, der die Fortführung des Geschäftsbetriebs und die Kosten des Verfahrens während dieser Zeit sicherzustellen hat, ist dem Antrag auf Eigenverwaltung ein Sanierungskonzept beizufügen. Des Weiteren sind in dem Antrag Angaben zu dem Stand der Verhandlungen mit den Gläubigern zu den geplanten Sanierungsmaßnahmen zu machen sowie eine Vergleichsrechnung betreffend die voraussichtlichen Verfahrenskosten im Eigenverwaltungs- und Regelverfahren einzureichen. Dabei dürfen die Kosten der Eigenverwaltung die Kosten des Regelverfahrens nicht übersteigen. Ferner sollte der Schuldner keine Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, dem Fiskus oder Lieferanten haben und seinen Offenlegungspflichten in den letzten drei Geschäftsjahren nachgekommen sein.
2.2.2 Ablauf der Eigenverwaltung
Wenn sämtliche Antragsvoraussetzungen erfüllt sind, ordnet das Gericht zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an und bestellt einen vorläufigen Sachwalter. Der Schuldner behält weiterhin die Verfügungsmacht über seine Geschäfte. Diese muss er jedoch an den Gläubigerinteressen ausrichten. Es dürfen beispielsweise keine Altverbindlichkeiten bezahlt werden, die noch vor Antragstellung begründet wurden. Der Zahlungsverkehr wird durch den vorläufigen Sachwalter fortlaufend überwacht.
Da die wesentlichen Entscheidungen durch den Schuldner selbst getroffen werden und dieser hierdurch einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt ist, ist es von erheblicher Bedeutung, dass sich der Schuldner bei der Durchführung des Verfahrens von einem professionellen Sanierungsberater begleiten lässt. Insbesondere bei der Zahlung von Steuerverbindlichkeiten, Sozialversicherungen, der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes aber auch bei der eigentlichen Planerstellung ‒ dem Kernstück des Verfahrens ‒ bedarf es regelmäßig qualifizierter Unterstützung eines Experten.
Die Zahlung des Insolvenzgeldes über einen Zeitraum von maximal drei Monaten trägt ‒ im Gegensatz zur außergerichtlichen Sanierung ‒ dazu bei, dass während der vorläufigen Eigenverwaltung neue Liquidität generiert werden kann, welche zur erfolgreichen Umsetzung des Sanierungskonzepts und nicht zuletzt Deckung der Verfahrenskosten beiträgt.
Sobald das Verfahren eröffnet wird und insoweit das Geschäftsmodell unter Vollkostengesichtspunkten tragfähig ist, kann die eigentliche Sanierung beginnen. Langfristige Verträge können kurzfristig beendet, Personalanpassungen unter erleichterten Voraussetzungen umgesetzt werden. In der Regel schließt sich dann ein Planverfahren nach §§ 217 ff. InsO an. Dieses ist im Wesentlichen dem Planverfahren nach dem StaRUG vergleichbar. Im Gegensatz hierzu muss bei der Abstimmung über den Plan in jeder Gruppe grundsätzlich Kopf- und Summenmehrheit der abstimmenden Gläubiger erreicht werden. Durch das sog. Obstruktionsverbot können auch hier einzelne Gläubiger überstimmt werden. Wird die erforderliche Mehrheit erreicht und der Plan von den Gläubigern angenommen, muss dieser vom Insolvenzgericht bestätigt werden. Mit Rechtskraft der gerichtlichen Bestätigung treten die im gestaltenden Teil des Plans festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 InsO). Anschließend sind die während des Verfahrens entstandenen Masseansprüche, zu denen auch die Kosten des (vorläufigen) Sachwalters gehören, vorab zu begleichen. Sodann wird das Verfahren aufgehoben und das Unternehmen ist entschuldet.
2.3 Weitere Sanierungsoptionen
Wenn anstelle der angestrebten Eigenverwaltung nur ein Regelverfahren durchgeführt werden kann, können auch hier in enger Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter, der dann die Verfügungsmacht über die Geschäfte erhält, Sanierungsverfahren erfolgreich gelingen. Dabei kommen in der Praxis häufiger sog. übertragende Sanierungen zustande, bei denen eine Übertragung sämtlicher Aktiva auf einen neu gegründeten Unternehmensträger erfolgt und die Passiva bei dem alten Rechtsträger verbleiben. Der Veräußerungserlös fließt in die Insolvenzmasse und dient nach dem Ausgleich der Verfahrens-kosten der Befriedigung der Insolvenzgläubiger.
Wenn sich nach Eröffnung des Verfahrens zeigt, dass das Unternehmen aus eigener Kraft Profitabilität erreichen und fortgeführt werden kann, kann auch ein Insolvenzplanverfahren im Regelverfahren durchgeführt werden. Dies ist vor allem sinnvoll bei Unternehmen mit einen größeren Filial- oder Franchise-netz oder einer Vielzahl von Service- oder Lieferverträgen. Hier ist oftmals dem Erhalt des Rechtsträgers große praktische Bedeutung zuzumessen.

FAZIT | Je früher das jeweilige Krisenstadium anhand der auftretenden Symptome erkannt wird, umso mehr Handlungsspielraum besteht, um der Krise effektiv entgegenzusteuern. Hierzu ist die Einrichtung eines kennzahlenbasierten Frühwarnsystems besonders wichtig. In der Liquiditätskrise sollte vor Einleitung eines Sanierungsverfahrens der aktuelle Liquiditätsstatus geprüft und überlegt werden, welches Sanierungsinstrument für eine erfolgreiche Sanierung am besten geeignet ist. Geht es primär um eine bilanzielle Restrukturierung und ist noch hinreichend Liquidität für die nächsten sechs Monate vorhanden, kann ein außergerichtliches Sanierungsverfahren ohne das Stigma der Insolvenz durchgeführt werden. Sind aber operative Restrukturierungsmaßnahmen bei Personal und anderen Dauerschuldverhältnissen notwendig und ist die Liquidität sehr knapp, sind eine Eigenverwaltung oder eine Regelinsolvenz und übertragende Sanierung ein möglicher Weg aus der Insolvenz. In jedem Fall ist jedoch ‒ neben einer insolvenzerfahrenen Sanierungsexpertise ‒ ein profitables Geschäftsmodell Voraussetzung für den Sanierungserfolg. |
Zur Autorin | Christin Malsch, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenzrecht bei Schulz Sozien Rechtsanwälte, Notare, Fachanwälte, ist seit mehr als 17 Jahren als Insolvenzverwalterin und Sanierungsberaterin tätig und hat seitdem über 1.000 Insolvenzverfahren betreut. Zudem ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule Düsseldorf (HSD), Mitglied im Bundesverband für Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz (BRSI) sowie im Arbeitskreis für Insolvenzwesen Köln.