· Fachbeitrag · Überwachung durch den ArbG
Observation, Videos und Detektive - was darf der ArbG vor Gericht verwenden?
von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen
| In Fällen häufiger Arbeitsunfähigkeit (AU) oder wenn zu bestimmten Zeiten Geld bzw. Waren verschwinden, ist das Misstrauen des ArbG geweckt. Oft wird durch die Einschaltung von Privatdetektiven oder Überwachung bestimmter ArbN oder Arbeitsbereiche in Eigenregie reagiert. Die für den ArbG „eindeutigen“ Ergebnisse solcher Observationen sind aber nicht immer vor Gericht verwendbar. Der Beitrag zeigt auf, wann eine Überwachung rechtmäßig ist und welche Ansprüche des ArbN im Falle rechtswidriger Überwachungen auf den ArbG zukommen können. |
1. Der Einsatz von Detekteien durch den ArbG
Reicht ein ArbN über einen gewissen Zeitraum häufig AU-Bescheinigungen für Kurzerkrankungen ein, liegt aus Sicht des ArbG der Verdacht nahe, die Erkrankung könne nur vorgetäuscht sein. Um diesen Verdacht zu bestätigen und mit arbeitsrechtlichen Sanktionen wie einer Abmahnung oder Kündigung reagieren zu können, schaltet der ArbG in der Praxis oft eine Detektei ein, um belastbares Tatsachenmaterial zu gewinnen.
Bei einer solchen Vorgehensweise ist Vorsicht geboten. In einer heimlichen Observation, unabhängig davon, ob sie durch eine Detektei oder durch technische Hilfsmittel geleistet wird, liegt ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen ArbN. Dieser ist nur unter engen Voraussetzungen rechtmäßig. Daneben kann es sich um eine Datenerhebung im Sinne des § 32 Abs. 1 BDSG handeln. Die ist unter denselben Voraussetzungen wie ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig und damit rechtmäßig. Werden diese Rechte verletzt, kann der ArbG die bei einer solchen Observation gewonnenen Ergebnisse nicht im Prozess verwerten, sofern der ArbN widerspricht. Auch kann er Schmerzensgeldansprüchen des ArbN ausgesetzt sein.
Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des 8. Senats des BAG (BAG 19.2.15, 8 AZR 1007/13, Abruf-Nr. 143970), der im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
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Die ArbN war seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung beim ArbG tätig. Ab dem 27.12.11 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Zunächst bezogen sich die AU-Zeiten auf Bronchialerkrankungen. Sie legte nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB) vor, von denen vier AUB durch einen Facharzt für Allgemeinmedizin und zwei weitere AUB ab dem 31.1.12 durch eine Fachärztin für Orthopädie ausgestellt waren. |
Nachdem der Geschäftsführer des ArbG den zuletzt telefonisch durch die ArbN mitgeteilten Bandscheibenvorfall bezweifelte, beauftragte er einen Detektiv mit der Observation der ArbN. An vier Tagen im Februar 2012 wurde die ArbN beobachtet, wie sie und ihr Mann den Hund vor dem Haus ausführten und die ArbN einen Waschsalon besuchte. Von diesen Tätigkeiten wurden Videoaufnahmen erstellt. Nachdem die ArbN Kenntnis von der Observation und den gefertigten Videosequenzen und Bildern erhielt, forderte sie ein Schmerzensgeld vom ArbG in Höhe von wenigstens 10.500 EUR. Sie trägt vor, sie habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen durch die Observation erlitten, die ärztlicher Behandlung bedurften. Nachdem das LAG Hamm (11.7.13, 11 Sa 312/13) der Klage auf Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 EUR stattgegeben hatte, blieben die Revisionen beider Parteien erfolglos. |
Sowohl das LAG Hamm, als auch der 8. Senat des BAG führen aus, dass die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen durch die Detektei rechtswidrig gewesen sei. Der ArbG habe keinen berechtigten Anlass zur Überwachung gehabt. Der Beweiswert der AUB sei nicht dadurch erschüttert gewesen, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten. Auch eine Änderung im Krankheitsbild oder die Tatsache, dass der Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden sei, hätten keinen Anlass für die Einschaltung einer Detektei geboten. De Höhe des Schmerzensgelds von 1.000 EUR sei richtig gewesen, da die Überwachung zwar die Privatsphäre, nicht hingegen die noch enger geschützte Intimsphäre betroffen habe.
Die Entscheidung bedeutet, dass rechtswidrige Observationen und Herstellung von Filmaufnahmen bzw. Videosequenzen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ArbN verletzen. Sie können zu Geldentschädigungen in Form von Schmerzensgeldansprüchen des ArbN gegenüber dem ArbG führen.
2. Wann ist eine „heimliche“ Überwachung rechtmäßig?
Aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben sich Anforderungen an das gerichtliche Verfahren, wenn es um die Offenbarung und Verwertung persönlicher Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch andere geschützt sind. Daher ist stets zu prüfen, ob die Verwertung heimlich beschaffter Daten, wie z.B. den Aufzeichnungen von Detekteien oder Videokameras, und den Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des betroffenen ArbN vereinbar ist. Dabei ist nicht nur die Privat- und Intimsphäre geschützt, sondern auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Vieles spricht dafür, dass Erkenntnisse, die sich aus Beobachtungen von Detekteien, anderen Observationen mittels technischer Einrichtungen und sogar Schrankkontrollen ergeben, auch über § 32 Abs. 1 BDSG geschützt sind. Daten im Sinne dieses Gesetzes sind personenbezogene Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Durch heimliche Observationen, gleich welcher Art, liegt regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre vor, der nur bei vorliegend zwingender Gründe gerechtfertigt ist.
Dies bedeutet, dass konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine schwere Pflichtverletzung zulasten des ArbG bestehen müssen und der ArbN nach objektiven Kriterien zu dem eingrenzbaren Kreis der Verdächtigen gehört. Auch muss der Eingriff durch die Observation geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dies heißt, dass dem ArbG keine ebenso effektiven, den ArbN weniger belastenden Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stehen dürfen. Die Art und Weise der Observation muss den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auch im Hinblick auf die Straftat und den verursachten oder möglicherweise verursachbaren Schaden, wahren.
Checkliste / Wann ist eine heimliche Observation gerechtfertigt? |
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3. Erstattung von Detektivkosten durch den ArbN?
Unter bestimmten (engen) Voraussetzungen hat der ArbG gegenüber dem ArbN sogar einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Einschaltung der Detektei. Dies hat das BAG entschieden (BAG 26.9.13, 8. AZR 1026/12, Abruf-Nr. 141175 in AA 14, 78). Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der als Busfahrer tätige ArbN wies im Jahr 2009 neun Arbeitsunfähigkeitszeiträume zwischen 5 Tagen und 5 Wochen auf. 2010 wurde er nach zwei weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiträumen zum medizinischen Dienst bestellt. Diese Termine nahm er nicht wahr. Nach Eingang einer weiteren AUB zwischen dem 16.3. und dem 21.3.10 ließ der ArbG den ArbN durch eine Detektei observieren. Diese stellte fest, dass der ArbN für das Bistro seiner Ehefrau verschiedene Einkäufe tätigte, ein Schild anbrachte und volle Getränkekisten aus dem Kofferraum trug.
Nach Vorlage einer neuen AUB für den Zeitraum ab dem 1.4.10 observierte der ArbG den ArbN erneut durch die Detektei zwischen dem 23.4. und dem 25.4.10. Für die erste Observation fielen Detektivkosten in Höhe von 11.946,88 EUR netto, für die zweite Observation in Höhe von 1.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer an.
Nach Kündigung durch den ArbG erhob der ArbN Kündigungsschutzklage, widerklagend verlangte der ArbG Erstattung der Detektivkosten in Höhe von insgesamt 12.946,88 EUR. Das Arbeitsgericht verurteilte nach Abweisung der Kündigungsschutzklage den ArbN zur Erstattung von 1.000 EUR an Detektivkosten. Die hiergegen eingelegten Berufungen beider Parteien vor dem LAG Hessen (18 Sa 492/11) blieben erfolglos. Auf die Revision des ArbN hinsichtlich der Verurteilung zur Erstattung der Detektivkosten verwies das BAG den Rechtsstreit zurück an das LAG. |
Bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann der ArbN, wie der 8. Senat des BAG betont, nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet sein, die notwendigen Kosten dem ArbG zu erstatten. Dazu zählen auch die durch Einschaltung einer Detektei entstandenen. Dies setzt allerdings zum einen den konkreten Tatverdacht vor Einschaltung der Detektei und die Überführung einer vorsätzlichen Vertragsverletzung voraus. Dies heißt aber, dass der ArbG die Aufwendungen nur ersetzt verlangen kann, wenn durch Feststellung der Detektei im Rahmen der Observation vorher bereits vorhandene Vermutungen erhärtet worden sind. Die Detektei muss also konkrete, den Verdacht stützende, Tatsachen herausgefunden haben. Überdies dürfen nur die als notwendig anzusehenden Kosten für die Einschaltung eines Detektivbüros verlangt werden. Die Darlegungslast für die vorsätzliche Pflichtverletzung und die Notwendigkeit der Detektivkosten liegt nach § 619a BGB beim ArbG.
4. Schrankkontrollen, Videoüberwachung und sonstige Maßnahmen des ArbG in „Eigenregie“
Auch soweit eine heimliche Überwachung nicht durch eine zwischengeschaltete Detektei, sondern durch Maßnahmen des ArbG selbst stattfindet, sind die oben dargestellten Grundsätze zur Zulässigkeit heimlicher Überwachung zu beachten. Dies gilt für das in der Praxis nicht unübliche Anbringen von Überwachungskameras, heimliche Spindkontrollen (hierzu: BAG 20.6.13, 2 AZR 546/12) und sonstige heimliche Überwachungsmaßnahmen wie „Wanzen“. Ist bei solchen Maßnahmen nicht lediglich ein ArbN bzw. eine kleine Gruppe betroffen, sondern hat die Maßnahme auf einen größeren, unbestimmbaren Teil der Belegschaft oder die Belegschaft als Ganzes Auswirkung, besteht ein sogenannter „kollektiver“ Bezug der Maßnahme und der Betriebsrat muss nach § 87 Abs. 1 BetrVG notwendig zwingend mitbestimmen.
Auch für Schrankkontrollen und heimliche Videoaufnahmen gilt, dass nur bei Vorliegen zwingender Gründe und konkreter Anhaltspunkte für eine Straftat oder eine vorsätzliche Pflichtverletzung in die Persönlichkeitsrechte des oder der betroffenen ArbN eingegriffen werden darf. Darüber hinaus muss der Eingriff im Verhältnis zur Schadenshöhe stehen. Auch dürfen keine anderen effektiven, weniger belastenden Maßnahmen ersichtlich sein.
Hält sich der ArbG nicht hieran, sind die Erkenntnisse bei Bestreiten des ArbN im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren nicht verwertbar. Eine Beweisaufnahme hierzu darf nicht durchgeführt werden. Darüber hinaus bestehen gegebenenfalls Schmerzensgeldansprüche des oder der ArbN gegenüber dem ArbG.
5. Fazit
Eine verdeckte, heimliche Überwachung und Observation von ArbN ist dem ArbG grundsätzlich untersagt. Selbst das Einverständnis des Betriebsrats ändert hieran nichts. Ausnahmen bestehen nur, wenn konkrete Verdachtsmomente gegen den betroffenen ArbN gegeben sind und darüber hinaus der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Eingriffe in die Intimsphäre (Filmaufnahmen auf der Toilette o.ä.) sind stets rechtswidrig.