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· Fachbeitrag · Praxishygiene

Im Alltagsstress oft vernachlässigt ‒ die Flächen- und Personalhygiene

von Viola Milde, Hygieneberatung, VMH-Hamburg.de

| Wenn wir über Hygiene in der Zahnarztpraxis sprechen, so hat jeder die Begriffe „Behördliche Paxisbegehung“ und „RKI-konforme Medizinprodukte-Aufbereitung“ im Kopf. Der Schwerpunkt der Hygienebemühungen liegt folglich in den meisten Praxen auf diesen Themen. Doch wie sieht es mit den Basics ‒ der Flächen- und Personalhygiene ‒ aus? Werden die Kenntnisse dazu beim Beachten „des Großeno“ gar nicht mehr aufgefrischt? Dieser Beitrag klärt, warum dies fatale Folgen haben kann und worauf Sie in Ihrer Praxis unbedingt achten sollten. |

Infektionswege in der Zahnarztpraxis

Es gibt nicht „den einen Weg“ der Keimübertragung in Ihrer Praxis. Vielmehr gilt, das Keime sich auf vielerlei Wegen ausbreiten können ‒ und zwar über die vier Säulen „Flächen/Behandlungsstuhl/Wasser“, „Patient“, „Medizinprodukte“ sowie „Behandler/Assistenz“. Dies veranschaulicht die folgende Grafik.

 

Jede dieser „Säulen“ spielt eine gleich große Rolle in der Infektionsprävention. Wenn eine hygienisch vernachlässigt wird ‒ sei es aus Zeitmangel, Oberflächlichkeit oder Unwissenheit ‒, dann hat dies ggf. Auswirkungen auf den gesamten Praxisbereich.

 

Der Schutz vor Kontamination umfasst weiterhin

  • das Beurteilen der mit der zahnärztlichen Tätigkeit verbundenen Gesundheitsgefahren und Festlegen entsprechender Schutzmaßnahmen,
  • die sorgfältige Anamnese vor der Behandlung, die gezielt vom Patienten ausgehende infektionsrelevante Risiken erfasst und abschätzbar macht,
  • das Vermeiden von Verletzungen sowie
  • das Schematisieren und systematische Durchführen von Arbeitsabläufen mit dem vorrangigen Ziel der Nichtkontamination.

Gängige Erreger

Wussten Sie, dass Erreger über zum Teil mehrwöchige Persistenzen (Überlebensfähigkeit) auf trockener, unbelebter Fläche verfügen? Einige Erreger bleiben sogar über mehrere Monate infektiös.

 

  • Gängige Erreger und Ihre Persistenzen auf trockener, unbelebter Fläche
Erreger
Persistenz auf trockener, unbelebter Fläche

Escherichia coli (Bakterium)

1 Stunde bis 16 Monate

Staphylococcus aureus (Bakterium)

7 Tage bis 7 Monate

Mycobacterium tuberculosis (Bakterium)

1 Tag bis 4 Monate

HBV und HIV (Virus)

Über 1 Woche

Adenovirus (Virus)

7 Tage bis 3 Monate

Influenzavirus (Virus)

1 bis 2 Tage

 

Höhere Überlebensdauer nur einer von mehreren Risikofaktoren

Grundsätzlich steigt mit der höheren Überlebensdauer eines Keims zwar das potenzielle Risiko, sich anzustecken. Wir stecken uns aber nicht automatisch an, nur weil wir eine Oberfläche berühren, auf der Krankheitserreger haften.

Ob wir tatsächlich krank werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a.

  • von der Menge der Krankheitserreger,
  • vom aktuellen Zustand unseres Immunsystems und
  • von der Art des Kontaktes mit dem Erreger (intakte- oder verletzte Haut).

 

Wie können Keimverschleppungen vermieden werden?

Die korrekte Händedesinfektion ist das A und O der Hygienekette. Es wird geschätzt, dass über 90 Prozent aller Keimverschleppungen in der Praxis über Händekontakt stattfinden. Dies ist in der Praxis jedoch sehr einfach zu unterbinden (siehe unten)! Weitere wichtige Faktoren, um Keimverschleppungen zu vermeiden, sind:

 

  • Bei potenziell kontaminierte Flächen ist die Scheuer-Wischdesinfektion korrekt durchzuführen. Das Wort „Scheuer“ ist übrigens wichtig, denn nur wer mit Druck wischdesinfiziert, erreicht das Ziel, die Fläche keimfrei zu bekommen.

 

  • Die Flächen, die mit kontaminierten Handschuhen berührt wurden, dürfen keinesfalls bei der hygienischen Aufbereitung vergessen werden (Tür- oder Schubladengriffe?).

 

  • Mit kontaminierten Handschuhen dürfen Sie niemals in die Schubladen/Schränke greifen. Die Keime, die Sie dort hinterlassen, können andere Patienten über darin liegende kontaminierte Medizinprodukte auch nach Tagen, Wochen oder Monaten erreichen.

 

Die „5 Momente der Händedesinfektion“ laut WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat „fünf Momente der Händedesinfektion“ festgelegt, und zwar

  • vor Patientenkontakt,
  • nach Patientenkontakt,
  • vor aseptischen Tätigkeiten,
  • nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material und
  • nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung.

 

Diese fünf Punkte sind im Praxisalltag situativ noch sinnvoll zu ergänzen.

 

Händedesinfektion nach dem Tragen von Einmalhandschuhen?

Immer wieder werde ich gefragt, warum denn nach dem Ablegen der Einmalhandschuhe überhaupt noch eine Händedesinfektion notwendig ist. Denn schließlich sind die Handschuhe doch sicher, oder? Gerne sage ich darauf den provokanten Ausspruch, dass „die Einmalhandschuhe nicht ganz dicht sind“. Was bedeutet das?

 

  • Beispiel

Im Rahmen meiner Hygiene-Workshops führe ich häufig die „Probe“ mit den Seminarteilnehmern durch, indem eine fluoreszierende Testsubstanz in die behandschuhten Hände gerieben wird. Nach dem Ausziehen der Handschuhe wird dann unter der UV-Lampe sichtbar, wie dicht- oder undicht die jeweiligen Handschuhe waren. Die Ergebnisse sind zum Teil erschreckend und die Tatsache, dass ich nach dem Tragen von Einmalhandschuhen meine Hände desinfizieren muss, wird zumindest von den Teilnehmern danach nicht mehr infrage gestellt.

 

Medizinische Einmalhandschuhe haben einen „AQL-Wert“ (Accepted Quality Level). Je kleiner der AQL-Wert ist, desto weniger Einmalhandschuhe waren bei der Prüfung der Charge fehlerhaft, löchrig, porös, undicht. Je größer der AQL-Wert, desto mehr Einweghandschuhe wiesen im Rahmen der werksinternen Überprüfung Mängel auf. Medizinische Einweghandschuhe müssen einen AQL-Wert von ≤1,5 aufweisen.

 

Ausziehen der Einmalhandschuhe ‒ da lauern ungeahnte Fehlerquellen

Auch beim „Ausziehen der Einmalhandschuhe“ lauern ungeahnte Fehlerquellen, die Sie übrigens spielerisch bei Ihrer nächsten Teamsitzung testen können: Lassen Sie Ihre Kollegen Einmalhandschuhe anziehen und diese anschließend mit gängiger Fingerfarbe (in einer Dose oder Tube im Bastelgeschäft oder online erhältlich) benetzen. Besonders wichtig sind hier sämtliche Fingerspitzen. Nun sollen die Kollegen ihre Handschuhe so ausziehen, wie sie es im Praxisalltag immer tun. Schnell wird deutlich, wer sich seiner Handschuhe korrekt entledigt hat (keinerlei Farbe an der Haut) und wer das korrekte Ausziehen der Handschuhe noch einmal üben sollte. Klassiker der sichtbaren Anfärbungen sind das linke Handgelenk und auch der linke Handrücken, der sich gerne beim Überstülpen des linken Handschuhs noch „seine Keime“ beim linken Handschuh einfängt. Im Rahmen dieser Übung sind „die Keime“ sichtbar ‒ im Praxisalltag hingegen nicht.

Was Sie über multiresistente Erreger wissen sollten

Multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN-Bakterien) ist eine Sammelbezeichnung für eine große Gruppe von verschiedenen Bakterien, die resistent, das heißt unempfindlich gegen häufig eingesetzte Antibiotika sind. Unterschieden werden Bakterien, die gegen vier (4MRGN) oder gegen drei (3MRGN) bestimmte Gruppen von Antibiotika unempfindlich sind. Je nach Bakteriengruppe befinden sich die Keime im Magen-Darm-Trakt oder auf der Haut, im Nasen-Rachenraum, im Analbereich und auch in oder auf rohen Lebensmitteln.

 

Die Bakterien können durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Der Hauptübertragungsweg sind dabei ungewaschene Hände. Die Bakterien können sich einige Tage bis Wochen auf Oberflächen halten. Auch feuchte Flächen wie Waschbecken, Duschen oder Toiletten können mit MRGN-Bakterien besiedelt sein.

 

Die gute Nachricht: Multiresistente Erreger sind zwar resistent gegen diverse Antibiotika. Es handelt sich jedoch um gängige Erreger im Hinblick auf die Flächen- und Medizinproduktehygiene: Sie sind nicht resistent gegen Ihre gelistete Flächendesinfektion und die kontaminierten Instrumente werden wie immer aufbereitet.

 

PRAXISTIPP | Die Praxis hat für den Umgang mit Patienten, die wissentlich Träger multiresistenter Keime sind, eine Arbeitsanweisung zu erstellen, die jedem Mitarbeiter der Praxis bekannt sein muss. Hier wird nach Risikoanalyse des Praxisbetreibers z. B. festgelegt, dass der Patient direkt ins Behandlungszimmer gesetzt wird und dass bei der Behandlung Einmalkittel zum Schutz Ihrer Praxiskleidung getragen werden.

 

Wichtig ist auch, dass die Bereiche, die der Patient berührt hat, sorgfältig wischdesinfiziert werden. Denn wir wissen nicht, ob der Patient seine Hände gut wäscht und desinfiziert oder ob er diese Keime in Ihrer Praxis „verteilt“ hat. Was sollten Sie also prüfen und ggf. gründlich wischdesinfizieren?

 

  • Hat der Patient die Toilette genutzt? Dann ist eine Wischdesinfektion von Handgriffen der Türen, Toilettensitz, Spültaste, Wasserhahn, Griffe/Hebel der Seifen- und Desinfektionsmittelspender usw. durchzuführen.
  • Wo hat der Patient gesessen? Dann sollte die Wischdesinfektion der Lehne, Griffe etc. erfolgen.
  • Hat der Patient Ihre Stifte benutzt? Hat er das Klemmbrett des Anamnesebogens angefasst? Auch dann haben Wischdesinfektionen zu erfolgen.

 

FAZIT | Bitte seien Sie umsichtig, ohne „panisch“ zu sein. Und reagieren Sie situativ auf weitere Punkte im Zusammenhang mit der Hand- und Flächenhygiene.

 
Quelle: Seite 8 | ID 46281247