· Praxisfall
Umarbeiten einer Prothese zum Aufbissbehelf ‒ so ist abzurechnen!

von Isabel Baumann, Mülsen, praxiskonzept-baumann.de
| Das Zähneknirschen oder Aufeinanderpressen der Zähne, wodurch Zähne verschleißen und das Kiefergelenk sowie der Zahnhalteapparat überlastet werden, tritt bei natürlichen wie auch prothetisch versorgten Zähnen auf. Dieser Beitrag erläutert die Abrechnung einer Schienentherapie bei einem bereits prothetisch versorgten Gebiss, konkret das Umarbeiten einer vorhandenen Prothese zum Aufbissbehelf. |
Vorgaben der Behandlungsrichtlinie
In der Behandlungsrichtlinie B VI sind die sonstigen Behandlungsmaßnahmen geregelt ‒ hierzu zählt auch die Schienentherapie. Bei der Umarbeitung einer vorhandenen Prothese zum Aufbissbehelf sind ebenfalls die Bestimmungen der Behandlungsrichtlinie für die Behandlung mit Aufbissbehelfen zu beachten. Die Anlage 1 zum Bundesmantelvertrag gibt in Abschnitt 3 vor, dass die Behandlung vor Behandlungsbeginn bei der gesetzlichen Krankenkasse genehmigt werden muss.
Diese Regelung gilt jedoch nicht in allen Bundesländern. So hat beispielsweise die KZV Nordrhein mit den Krankenkassen die Vereinbarung getroffen, dass auf die Genehmigung verzichtet werden kann. Von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind akute Schmerzzustände.
Indiziert ist die Umarbeitung nach der BEMA-Nr. K3 zur Unterbrechung der Okklusionskontakte nur bei Kiefergelenkstörungen, Myoarthropathien und nach chirurgischen Behandlungen (Behandlungsrichtlinie B VI Nr. 2c).
Funktionsanalytische Leistungen bei Schienentherapien
Entsprechend der gemeinsamen Erklärung von GKV-Spitzenverband, Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen und Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung verliert der Versicherte bei der Versorgung mit Aufbissbehelfen seinen Anspruch auf Sachleistung nicht, wenn die Modellmontage mithilfe eines Gesichtsbogens erfolgt. Die in diesem Zusammenhang anfallenden zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen sind jedoch gesondert mit dem Versicherten zu vereinbaren. Grundsätzlich sind außervertragliche Leistungen vor Erbringung schriftlich vom Zahnarzt mit dem Patienten gemäß § 8 Abs. 7 BMV-Z zu treffen.
Der Praxisfall
Aufgrund einer Myoarthropathie soll die vorhandene Unterkieferprothese zum Aufbissbehelf umgearbeitet werden. Auf die Okklusalflächen der Prothesenzähne 33‒37 und 44‒47 wird Kunststoff aufgetragen und somit die Prothese zum Aufbissbehelf mit adjustierter Oberfläche umgearbeitet.
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Datum | Zahn | Leistung* | BEMA | GOZ |
27.04. | Eingehende Untersuchung Patient klagt über Verspannungen in der Kaumuskulatur und Kiefergelenkschmerzen | 01 | ‒ | |
Aufklärung über Schienentherapie (vorhandener funktionstüchtiger Zahnersatz ist 5 Jahre alt) | ‒ | ‒ | ||
OK/UK | Abformung für Diagnostikmodelle | Mat. | ‒ | |
Aufklärung über zusätzliche funktionsanalytische Leistungen, Patient wünscht Heil- und Kostenplan über funktionsanalytische Leistungen | ‒ | Ä1 | ||
28.04. | Aufstellen eines Heil- und Kostenplans mit funktionsanalytischen Leistungen | ‒ | 0040 | |
Auswertung der Diagnostikmodelle | 7b | ‒ | ||
Klinische Funktionsanalyse mit Dokumentation auf Formblatt | ‒ | 8000 | ||
Behandlungsplan für Kiefergelenkserkrankungen | 2 | ‒ | ||
Erläuterung der privaten Kosten und Mitgabe des HKP sowie des Antrags zur Schienentherapie für die GKV | ‒ | ‒ | ||
15.05. | OK/UK | Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers | ‒ | 8010 |
OK/UK | Arbiträre Scharnierachsenbestimmung | ‒ | 8020 | |
UK | Registrierung der Unterkieferbewegung zur Einstellung voll adjustierter Artikulatoren, je Sitzung | ‒ | 8060 | |
UK | Umarbeiten der vorhandenen Prothese zum Aufbissbehelf | K3 | ‒ | |
19.05. | Kontrolluntersuchung mit Einschleifmaßnahmen | K8 | ‒ | |
25.05. | Kontrolluntersuchung | K7 | ‒ | |
04.06. | Kontrolluntersuchung | K7 | ‒ |
* Weitere Leistungen sind möglich und zusätzlich berechenbar.
Erläuterungen
Im Folgenden erläutern wir die Leistungspositionen und geben Hinweise zur Abrechnung.
27.04.
Zu Beginn einer systematischen zahnärztlichen Behandlung erfolgt in der Regel die eingehende Untersuchung des Zahn-, Mund- und Kieferbereichs des Patienten einschließlich der Dokumentation des erhobenen Befunds und der sich hieraus ergebenden notwendigen Beratung des Patienten. Die Beratungsgebühr nach Nr. Ä1 kann jedoch nicht im zeitlichen Zusammenhang neben der BEMA-Nr. 01 berechnet werden. Ziel der eingehenden Untersuchung ist es, über die Feststellung krankhafter Veränderungen zu einer einordnenden Beurteilung eines Krankheitsgeschehens (Diagnose) zu gelangen.
Für die Abformung zur Herstellung der Diagnostikmodelle werden die Abformmaterialien mit der Abformpauschale (3,00 Euro je Kiefer) abgerechnet.
Die Aufklärung über privatzahnärztliche Leistungen erfolgt nach Nr. 1 GOÄ und wird wie auch die weiteren Privatleistungen mit dem Patienten vor Behandlungsbeginn schriftlich nach § 8 Abs. 7 GOZ vereinbart.
28.04.
Wird vom Patienten für die funktionsanalytischen Leistungen eine Kostenaufstellung gewünscht, so wird dies mit Nr. 0040 GOZ berechnet.
Das Erstellen, Auswerten und Dokumentieren der Diagnostik- und Planungsmodelle ist nach BEMA-Nr. 7b zu berechnen. Die Abrechnung erfolgt über das „Schienenformular“.
PRAXISTIPP | Beachten Sie, dass die BEMA-Nr. 7b im Zusammenhang mit Kieferbruch und Aufbissbehelfen nur abrechnungsfähig ist, wenn mit der Herstellung der Modelle eine notwendige Auswertung und Planung verbunden ist. Diese Auswertung ist entsprechend zu dokumentieren. |
Erfolgt nach der arbiträren Scharnierachsenbestimmung unter Verwendung eines Gesichtsbogens eine gelenkbezogene Modellmontage, so ist dies eine funktionsanalytische Leistung. Dabei werden nicht nur grobe Artikulations- oder Okklusionsstörungen erkannt, sondern auch die Bisslage dreidimensional unter Beachtung der Kiefergelenksrelation analysiert. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen gehören nicht zum Leistungsinhalt der GKV (BEMA) und sind deshalb außervertragliche Leistungen, die nach den Nrn. 8000 ff. GOZ zu berechnen sind. So sieht es auch der Kommentar von Liebold/Raff/Wissing.
Das Ergebnis dieser klinischen Funktionsanalyse nach Nr. 8000 GOZ ist zwingend zu dokumentieren. In der Regel erfolgt diese Dokumentation auf speziellen Formblättern, die gleichzeitig auch als Checkliste für ein systematisches Vorgehen dienen.
Das Aufstellen eines Heil- und Kostenplans für die Behandlung von Kiefergelenkserkrankungen (nach BEMA K1‒K4) oder zur Behandlung von Kieferbrüchen ist nach BEMA-Nr. 2 über das „Schienenformular“ abzurechnen.
Auf dem Behandlungsplan ist anzugeben, ob es sich bei den geplanten Leistungen um Maßnahmen zur Behandlung von Kiefergelenkerkrankungen oder um einen Kieferbruch handelt. Außerdem sind erforderlich Angaben
- zur Anamnese,
- zum Befund,
- zur Diagnose und
- zu den geplanten Maßnahmen.
15.05.
Die Registrierung zur Feststellung der Lagebeziehung des Unterkiefers zum Oberkiefer nach Nr. 8010 GOZ umfasst das Zentrikregistrat, die zentrische Relationsbewegung, bimanuelle Wachs- und Pastenregistrate, Stützstiftaufzeichnungen, Registrate mit Laterotrusion und Protrusionsbisse. Die Nr. 8010 GOZ ist je Registrat (Registrat und das Kontrollregistrat) berechenbar, maximal zweimal je Sitzung. Werden mehr als zwei Registrate angefertigt, so ist dies über einen erhöhten Steigerungsfaktor abzubilden.
Für eine Quetschbissnahme oder Situationsbissnahme ist die Nr. 8010 GOZ nicht berechenbar. Die Materialkosten können zusätzlich berechnet werden.
Bei der arbiträren Gesichtsbogenermittlung nach Nr. 8020 GOZ wird die Frankfurter Horizontale näherungsweise bestimmt. Mittels der Ohroliven wird der Gesichtsbogen auf dem Nasenrücken abgestützt, wodurch die horizontale Ausrichtung des Transferbogens bestimmt wird. Sie dient der schädelbezüglichen Montage eines Oberkiefermodells in einem halbindividuellen Artikulator. Zum Leistungsinhalt gehören
- Auftragen eines Materials (Wachs, Pasten o. Ä.) auf die Bissgabel des Übertragungsbogens und Anpassen an die OK-Zahnreihe;
- Bestimmung der arbiträren Scharnierachsenpunkte;
- Anlegen des Übertragungsbogens auf die Scharnierachsenpunkte und den Referenzpunkt;
- Koordinieren des Übertragungsbogens mit dem Artikulator.
Die Materialkosten sind gesondert berechenbar. Zudem sind nach § 9 GOZ (Auslagenersatz) die Nrn. 0405 (Modellmontage im individuellen Artikulator) oder 0408 BEB (Montage eines Gegenkiefermodells) zusätzlich berechenbar.
Für das Registrieren der Unterkieferbewegung ist die Nr. 8060 GOZ zu berechnen. Diese Ziffer ist für voll adjustierbare Artikulationen berechenbar, die Nr. 8050 für halbindividuelle. Im Unterschied zur Nr. 8050 werden bei der Nr. 8060 die UK-Bewegungen also nicht nur im Anfangs- und Endpunkt der Bewegungsbahn festgehalten, sondern der gesamte Bewegungsablauf wird aufgezeichnet und in den voll adjustierbaren Artikulator übertragen. Erfolgt die Registrierung elektronisch, so ist die Nr. 8065 GOZ berechenbar.
Das Umarbeiten einer vorhandenen Prothese (Teil- oder Totalprothese) für einen vorübergehenden Zeitraum zu einem Aufbissbehelf mit adjustierter Oberfläche wird nach BEMA-Nr. K3 berechnet. Dabei muss eine der folgenden Indikationen vorliegen: Kiefergelenkstörungen, Myoarthropathien und nach chirurgischen Behandlungen. Das Umarbeiten der vorhandenen Prothese zum Aufbissbehelf kann durch folgende Maßnahmen erfolgen:
- Auftragen von Kunststoff auf die Okklusalflächen der Prothesenzähne;
- Anfertigung und Fixierung einer Tiefziehschiene auf der vorhandenen Prothese;
- Anbringen von Kunststoffsegmenten auf die natürlichen Zähne bzw. Prothesenzähne.
19.05.
Je Sitzung ist nur eine der Leistungen nach den Nrn. K6 bis K9 abrechnungsfähig. Für eine Kontrollbehandlung mit Maßnahmen zum Einschleifen des Aufbissbehelfs (subtraktive Maßnahmen) wird die Nr. K8 berechnet. Die Abrechnung kann auch ohne vorherige Genehmigung erfolgen.
25.05.
Kontrollbehandlungen mit einfachen Korrekturen wie z. B. die Politur von rauen Stellen oder das Glätten scharfer Kanten wird nach Nr. K7 berechnet.