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· Fachbeitrag · Kostenfestsetzung

Festsetzung trotz verjährter Anwaltsvergütung

von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Oft ist unbekannt: Die Kostenfestsetzung ist auch durchzuführen, wenn der der Erstattung zugrunde liegende Vergütungsanspruch des Anwalts verjährt ist. Eine kostenerstattungsberechtigte Partei ist nicht verpflichtet, sich gegenüber ihrem Rechtsanwalt auf die Einrede der Verjährung zu berufen, um dadurch den Kostenerstattungsschuldner zu entlasten. Das hat jetzt das BSG bestätigt. |

 

Sachverhalt

Die Kläger K hatten sich in einem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren durch Rechtsanwalt R vertreten lassen. Nach Erledigung des Verfahrens erließ die Behörde B am 9.4.09 einen Bescheid, wonach sie die Kosten des R übernehmen werde. Erst Ende 13 beantragte R für K die Erstattung der ihnen entstandenen Rechtsanwaltskosten, die unstreitig noch nicht bezahlt waren. B lehnte die Erstattung ab und berief sich auf die Einrede der Verjährung. Zum einen sei der Erstattungsanspruch verjährt; zum anderen könnten sich K gegenüber R auf die Einrede der Verjährung berufen. Dazu seien sie aus Gründen der Kostenminimierung verpflichtet. Die daraufhin erhobene Klage auf Freistellung der Anwaltskosten hat das SG abgewiesen. Die Berufung vor dem LSG hatte keinen Erfolg. Auf die zugelassene Revision hat das BSG die Entscheidungen der Vorinstanzen geändert und B verpflichtet, K von den ihnen entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen (BSG 12.12.19, B 14 AS 46/18 R, Abruf-Nr. 215617).

 

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung ist zutreffend (ebenso bereits LSG Berlin-Brandenburg 7.6.18, L 10 AS 360/16; SG Nordhausen AGS 17, 435). Der Gesetzgeber hat die zivilrechtliche Verjährung ‒ im Gegensatz zu der verwaltungsrechtlichen Verjährung ‒ als Einrede gestaltet. Die Verjährung ist daher nur zu berücksichtigen, wenn sich der Schuldner darauf beruft (§ 214 Abs. 1 BGB). Das war hier unstreitig nicht geschehen.

 

Es gibt keine Pflicht, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Es ist allein Sache des Schuldners, ob er dieses Recht beanspruchen will oder nicht. Die Einrede der Verjährung dient seinem Schutz, nicht dem Schutz Dritter.

 

Hier ist der Kostenerstattungsanspruch der K entgegen der Ansicht der B ebenfalls nicht verjährt. Es gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB I. Diese Frist war hier durch Einreichen des Erstattungsantrags gehemmt.

 

Eine wirksame und rechtskräftige Kostengrundentscheidung liegt vor, nämlich in dem Bescheid der Behörde, mit dem sie sich verpflichtet hatte, die Anwaltskosten des R, deren Höhe unstreitig ist, zu übernehmen. Zwar ist die Verjährungsfrist der Vergütungsforderung des R abgelaufen; K haben sich jedoch nicht auf Verjährung berufen, was nach § 214 BGB erforderlich wäre. K sind auch nicht verpflichtet, die Verjährungseinrede zu erheben.

 

MERKE | Zwar muss eine Partei die zu erstattenden Kosten so gering wie möglich halten. Sie verstößt jedoch nicht gegen ihre Kostenminderungspflicht und begeht auch keine unzulässige Rechtsausübung, wenn sie von der Erhebung einer ihr im Verhältnis zum eigenen Anwalt möglichen Verjährungseinrede absieht. Dem Interesse einer erstattungsberechtigten Partei an der Aufrechterhaltung der Vertrauensbeziehung zu ihrem Rechtsanwalt gebührt nämlich der Vorrang vor dem Interesse der Behörde, einen sozialrechtlich nicht verjährten Kostenerstattungsanspruch nicht mehr erfüllen zu müssen.

 

Hinzu kommt, dass in den Fällen, wie dem vorliegenden, in der Regel im zugrunde liegenden Verhältnis zwischen Partei und Anwalt Verjährung gar nicht eingetreten ist. Wenn ein Anwalt nicht sofort abrechnet, sondern mit dem Mandanten vereinbart, dass er zunächst einmal auf den Kostenerstattungsanspruch zugreife und sich diesen gegebenenfalls sogar erfüllungshalber abtreten lässt, liegt darin eine Stundung des Vergütungsanspruchs, was dazu führt, dass keine Fälligkeit eintritt und damit die Verjährungsfrist nicht in Gang gesetzt, zumindest nach § 205 BGB gehemmt wird (AG Siegburg 1.2.19, 128 C 181/18; LG Hannover 10.5.19, 7 S 20/18; LG Frankenthal 17.10.18, 2 S 67/18).

 

PRAXISTIPP | Solche Verjährungsproblematiken kann man als Anwalt ganz leicht vermeiden, indem man zeitig abrechnet und Kostenerstattungsansprüche unverzüglich geltend macht. Ein Anwalt, der unverzüglich abrechnet, kann erst gar nicht in solche Situationen kommen.

 
Quelle: Seite 117 | ID 46575194