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· Fachbeitrag · Kindesunterhalt

Auch beim Kindesunterhalt wird die Düsseldorfer Tabelle bei gehobenen Einkünften fortgeschrieben

von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Bergisch Gladbach

| Der BGH hat sich damit befasst, wie sich die Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei unbeschränkt leistungsfähig, auf den Auskunftsanspruch des unterhaltsberechtigten Kindes sowie auf den (Mehr-)Bedarf auswirkt. |

Sachverhalt

M und V sind geschieden. Der V ist Geschäftsführer u. a. eines Verlags. Die 2001 geborene Tochter T lebt bei der M. V verpflichtete sich durch notarielle Urkunde, 160 Prozent des Mindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (DT) entsprechend der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen. Er hat sich für unbegrenzt leistungsfähig erklärt. Streitig ist, ob er dennoch Auskunft über sein Einkommen erteilen muss. Das AG hat ihn antragsgemäß verpflichtet. Seine Rechtsmittel blieben erfolglos.

 

  • a) Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“ (im Anschluss an BGHZ 217, 24 = FamRZ 18, 260).
  • c) Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diesen Betrag, bleibt eine Einkommensauskunft bei Geltendmachung eines neben dem Tabellenbedarf bestehenden Mehrbedarfs erforderlich, um die jeweilige Haftungsquote der Eltern bestimmen zu können.
 

Entscheidungsgründe

Verwandte in gerader Linie müssen auf Verlangen Auskunft über ihre Einkünfte und ihr Vermögen erteilen, § 1605 BGB. Eine Auskunftspflicht besteht nur nicht, wenn feststeht, dass die Auskunft den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltspflicht nicht beeinflussen kann. Hier ist keine solche Ausnahme gegeben.

 

Hinweis auf unbegrenzte Leistungsfähigkeit

Mit dem Hinweis auf unbegrenzte Leistungsfähigkeit verzichtet der Unterhaltsschuldner darauf, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit zu erheben. Der Bedarf darf aber deswegen nicht ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden.

 

Der Kindesunterhalt richtet sich nach der Lebensstellung des Kindes (§ 1610 Abs. 1 BGB), die es i. d R. bis zum Abschluss seiner Ausbildung von derjenigen der Eltern ableitet. Die Unterhaltspflicht ist auf den Betrag begrenzt, den der Barunterhaltspflichtige zahlen muss. Beim sog. Residenzmodell ist der Unterhalt i. d. R. aufgrund seines Einkommens zu ermitteln. Für die Bedarfsbemessung gilt die DT. Sie stellt bis zur Einkommensgruppe (EKG) 10 (5.101 EUR bis 5.500 EUR) auf einen Betrag von 160 Prozent des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe ab. Ab einem Einkommen von 5.501 EUR war bisher eine konkrete Bedarfsermittlung geboten.

 

Fortschreibung der DT jetzt auch bei Einkünften oberhalb der EKG 10

Beim Ehegattenunterhalt kann der Bedarf jedoch auch bei einem den höchsten Tabellenbetrag der DT hinausgehenden Familieneinkommen nach der Quotenmethode ermittelt werden. Für Kinder muss Ähnliches gelten, weil diese am Lebensstandard der Eltern teilnehmen, soweit sie ihre Lebensstellung von diesen ableiten. Die abgeleitete Lebensstellung der Kinder hängt nicht davon ab, dass sie an den günstigen Verhältnissen tatsächlich teilgenommen haben. Denn das Kind leitet seinen Bedarf von den Eltern auch ab, wenn es mit diesen nicht zusammengelebt hat, es also nicht an deren Lebensstandard gewöhnt war. Das Kind nimmt z. B. auch an einem späteren Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen teil. Es wird auch ein fiktives Einkommen wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit berücksichtigt. Minderjährige Kinder nehmen aber nicht am Luxus der Eltern teil. Der Unterhalt dient auch nicht dazu, Vermögen des Kindes zu bilden. Das Maß des Kindesunterhalts ist durch das „Kindsein“ geprägt. Diese Grenzen werden noch nicht durch die infolge der neuen Rechtsprechung des BGH zum Ehegattenunterhalt ausgerichtete Fortschreibung der DT überschritten. Denn die darin enthaltenen Steigerungssätze beinhalten keine quotenmäßige Beteiligung am Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern orientieren sich vielmehr am Mindestbedarf.

 

Infolge der Einkommensgruppen nimmt die Beteiligungsquote am Elterneinkommen degressiv ab. Durch die Fortschreibung der DT wird der Kindesunterhalt nur moderat einkommensabhängig gesteigert. Dem Kind bleibt es unbenommen, einen höheren Bedarf konkret darzulegen. Eine zweckentsprechende Verwendung des Kindesunterhalts ist auch kein Argument dagegen, die DT fortzuschreiben. Diese Gefahr besteht auch allgemein bei einem nach der DT bemessenen Kindesunterhalt.

 

Einkommensangabe zur Bemessung von Mehrbedarf erforderlich

Es kann ggf. auch Mehrbedarf entstehen, den die Tabellensätze der DT nicht erfassen und der auch nicht in die Steigerungsbeträge einkalkuliert ist, z. B. Kindergarten- und Hortkosten. Für den Mehrbedarf besteht eine beiderseitige Barunterhaltspflicht. Er ist abzugrenzen von solchen Positionen, die ihre Art nach in der Struktur der DT enthalten sind, wie etwa erhöhter Wohnbedarf.

 

Hier ist es daher erforderlich, das konkrete Einkommen des V zu kennen, um die DT fortzuschreiben. Zwar hat T eine konkrete Bedarfsberechnung aufgestellt. Das AG wird diese aber ggf. nicht akzeptieren, weshalb es günstiger ist, die DT fortzuschreiben. Zudem steht hier Mehrbedarf in Rede. Dafür müssen die Haftungsanteile der Eltern ermittelt werden. Dazu bedarf es der Auskunft, zumal die Beteiligungsquote in die Darlegungslast der T fällt.

Relevanz für die Praxis

Der Bedarf auch eines minderjährigen Kindes richtet sich nach den beiderseitigen Einkünften der Eltern. Zwar muss der Barunterhaltspflichtige nur Unterhalt nach dem Einkommen zahlen, das er tatsächlich erzielt. Damit ist aber noch nicht der komplette Bedarf des Kindes gedeckt. Dies wirkt sich beim Ehegattenunterhalt aus. Es ist davon auszugehen, dass im Übrigen der betreuende Elternteil den Restbedarf mit seinen Einkünften deckt, also, dass ein entsprechender Betrag auch von seinem Einkommen bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts abzuziehen ist. Vorzugehen ist wie folgt: Auf den Kindesbedarf ist der Barunterhalt und bei Minderjährigen zudem das halbe Kindergeld anzurechnen. Die andere Hälfte des Kindergeldes kommt dem betreuenden Elternteil zugute. Es ist also in der Einkommensberechnung ebenso wenig zu berücksichtigen, wie der Betreuungsunterhalt selbst. Der verbleibende Restbetrag ist vom Einkommen des Betreuenden abzuziehen, bevor dieses Einkommen in die Berechnung des Ehegattenunterhalts eingestellt wird.

 

  • Beispiel: Berechnung des Ehegattenunterhalts

Das Einkommen des V beträgt 2.500 EUR, das der M 1.500 EUR. M betreut ein Kind, 12 Jahre alt (Tabellenbetrag 581 EUR, DT, Stand 1.1.21).

Bisherige Berechnung des Ehegattenunterhalts:

Einkommen V

2.500,00 EUR

abzüglich Kindesunterhalt (Zahlbetrag gem. DT Stand 1.1.21)

./. 471,50 EUR

abzüglich Einkommen M

./. 1.500,00 EUR

insgesamt

528,50 EUR

3/7

226,50 EUR

Neue Berechnung des Kindesunterhalts:

Bedarf aus Gesamteinkommen 4.000 EUR (Zahlbetrag)

609,50 EUR

davon trägt der V

471,50 EUR

bei M verbleiben

138,00 EUR

Neue Berechnung des Ehegattenunterhalts:

Einkommen V

2.500,00 EUR

abzüglich Kindesunterhalt nach seinem Einkommen

./. 471,50 EUR

abzüglich Einkommen M (1.500 EUR ./. 138 EUR)

./. 1.362,00 EUR

insgesamt

666,50 EUR

3/7

285,64 EUR

 

Gehobene Verhältnisse: Bedarfsermittlung wie beim Ehegattenunterhalt

Der BGH hat die Ermittlung des Kindesunterhalts seiner Berechnung des Ehegattenunterhalts bei gehobenen Einkünften angepasst: Beim Ehegattenunterhalt ist es nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte i. S. e. tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des doppelten des höchsten Einkommensbetrags der DT vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall nach der Einkommensquote bemessen werden.

 

Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, muss der Berechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, darlegen und beweisen, dass das Einkommen vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist. Als Familieneinkommen i. d. S. ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der Ehegatten zur Verfügung steht, also das um Verbindlichkeiten, berufsbedingte Aufwendungen und sonstige Unterhaltspflichten bereinigte Einkommen. Quotenunterhalt darf damit auch bei einem Familieneinkommen von 11.000 EUR (das Doppelte der DT) zuerkannt werden. Der Unterhaltspflichtige muss die tatsächliche Vermutung widerlegen und beweisen, dass von dem Familieneinkommen bis 11.000 EUR weniger ausgegeben worden ist, um die ehelichen Lebensverhältnisse zu bestreiten.

 

MERKE | Eine konkrete Bedarfsberechnung kommt bis zum Familieneinkommen von 11.000 EUR nicht in Betracht. Die Höhe des Quotenunterhalts hängt ausschließlich von der Beweislast des Unterhaltspflichtigen ab.

 

Auch beim Einkommen von über 11.000 EUR hält der BGH den Quotenunterhalt für gerechtfertigt, wenn der Berechtigte substanziiert vorträgt, dass und in welchem Umfang die Einkünfte verwendet worden sind, um die ehelichen Lebensverhältnisse zu decken. Wenn der Schuldner dem substanziiert widerspricht, muss der Berechtigte darlegen und beweisen, dass das Einkommen über 11.000 EUR zu Konsumzwecken verwendet wurde. Damit dürfte es auch beim 11.000 EUR übersteigenden Einkommen keine konkrete Bedarfsberechnung mehr geben. Gelingt dem Berechtigten der Nachweis von über 11.000 EUR hinausgehende Ausgaben nicht, reduziert sich der Quotenunterhalt auf den nachgewiesenen Verbrauchsbetrag, soweit er über 11.000 EUR liegt. Sonst gilt die Grenze von 11.000 EUR, soweit nicht der Unterhaltspflichtige beweist, dass weniger Einkommen für die ehelichenLebensverhältnisse ausgegeben worden ist. Wenn diesem der Nachweis des höheren Familieneinkommens nicht gelingt, dürfte auch hier keine konkrete Bedarfsberechnung gerechtfertigt sein, da auch diese vom tatsächlichen Konsum abhängen wird. Ein Misslingen des Nachweises steht also auch einer konkreten Bedarfsberechnung entgegen. Damit hängt die Höhe des Quotenunterhalts ausschließlich von der Darlegungs- und Beweislast ab. Macht allerdings der Unterhaltspflichtige bei Widerlegung der tatsächlichen Vermutung eine unangemessen hohe Vermögensbildung geltend, muss diese auf den Betrag reduziert werden, der bei objektiver Betrachtungsweise angemessen ist (BGH FuR 07, 487).

 

Der BGH hält die Kindesunterhaltsberechnung nach Quote nicht für zwingend, sondern nur für eine Möglichkeit der Berechnung bei gehobenen Einkünften.

 

Dies gilt nun auch beim Kindesunterhalt. Eine Besonderheit ergibt sich aber daraus, dass hier die konkrete Bedarfsberechnung weiterhin möglich ist, wenn die Fortschreibung der DT nicht ausreicht, um den konkreten Bedarf abzudecken. Im Unterschied zum Ehegattenunterhalt beurteilt sich der Bedarf des Kindes nach der Lebensstellung, die es von den Eltern ableitet und nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Allein dieser Anknüpfungspunkt rechtfertigt es, hier eine konkrete Bedarfsberechnung zu ermöglichen, da es sein kann, dass die Fortschreibung der DT nicht ausreicht, um den Kindesbedarf abzudecken. Beim Ehegattenunterhalt ist dagegen der Verbrauch des Einkommens für die ehelichen Lebensverhältnisse entscheidend, der von der Darlegungs- und Beweislast abhängt. Es ist kein Raum für eine konkrete Bedarfsberechnung, wenn einer der Beteiligten die ihm obliegende Beweislast nicht erfüllt.

 

Was die Fortschreibung der DT anbelangt, sind die Einkommensgruppen und der Steigerungsprozentsatz festzulegen. Die Einkommensgruppen erfassen Einkünfte um 400 EUR pro Gruppe. Dies bedeutet, dass die

  • 11. Gruppe von 5.501 EUR bis 5.900 EUR,
  • 12. Gruppe von 5.901 EUR bis 6.300 EUR,
  • 13. Gruppe von 6.301 EUR bis 6.700 EUR usw.

fortzuschreiben ist.

 

Die Steigerungssätze liegen bis zur 5. Einkommensgruppe bei 5 Prozent und ab der 6. Einkommensgruppe bei 8 Prozent. Dies bedeutet also, dass die

  • 11. Gruppe bei 168 Prozent,
  • 12. Gruppe bei 176 Prozent und
  • 13. Gruppe bei 184 Prozent liegt.

 

Um diese Prozentsätze ist der Mindestbedarf (Tabellenbeträge der 1. Einkommensgruppe) zu erhöhen. So lässt sich die DT fortschreiben.

 

Folgen des Hinweises der unbeschränkten Leistungsfähigkeit

Der Hinweis des Auskunftspflichtigen, uneingeschränkt leistungsfähig zu sein, erfasst nur die Leistungsfähigkeit. Dies hat der BGH früher beim Ehegattenunterhalt anders gesehen: Es war eine konkrete Bedarfsberechnung erforderlich. Der Berechtigte musste nur den Bedarf darlegen, den er für richtig hielt, ohne dass der Pflichtige einwenden konnte, eingeschränkt leistungsfähig zu sein. Daher kam es auf die Auskunft nicht an. Da nun ein höheres Einkommen für den Quotenunterhalt bedeutsam ist und sich beim Einkommen über 11.000 EUR die Darlegungs- und Beweislast verändert, bedarf es der Auskunft, um den Quotenunterhalt richtig zu erfassen. Daher begründet beim Ehegattenunterhalt die Erklärung der uneingeschränkten Leistungsfähigkeit nur den Verzicht auf den Einwand eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Dies gilt auch beim Kindesunterhalt. Auch hier kommt es auf die genauen Einkünfte des Unterhaltspflichtigen an, um die DT richtig fortzuschreiben.

 

Auskunft für die Berechnung des Mehrbedarfs erforderlich

Für den Mehrbedarf haften beide Elternteile nach einer vom Kind darzulegenden Haftungsquote. Von jedem Einkommen ist der Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts von 1.400 EUR (Stand 1.1.21) abzuziehen. Das restliche Einkommen wird ins Verhältnis gesetzt. Beim Ehegattenunterhalt verteilt sich der Mehrbedarf zur Hälfte auf beide Eheleute, da der Halbteilungsgrundsatz gilt. Zwar greift zugunsten des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen der Erwerbstätigenbonus, sodass er i. d. R. mehr Einkommen behält als der Unterhaltsberechtigte. Beim ihm ist aber der Kindesunterhalt abzuziehen, sodass im Ergebnis fast immer die Hälfte des Mehrbedarfs auf beide entfällt.

 

MERKE | Der BGH lässt einen Auskunftsanspruch nicht daran scheitern, dass der Auskunftspflichtige darlegungsbelastet ist und der Auskunftsberechtigte die Auskunft daher nicht benötigt, um den Unterhalt zu berechnen. Eine Auskunft ist eigentlich nur für die Tatsachen vonnöten, für die der Auskunftsberechtigte darlegungsbelastet ist, die sich aber in der Kenntnis des anderen befinden. Die Ansicht des BGH lässt sich allenfalls mit der Minimierung des Prozessrisikos rechtfertigen, die durch die Kenntnis von Tatsachen eintritt, für die der andere darlegungsbelastet ist.

 
Quelle: Seite 59 | ID 47033967