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· Fachbeitrag · Kanzleiführung

Mit Kennziffern die eigene Kanzlei führen

von StB Daniel Kubitza, Düren

| Noch nicht alle Kanzleien verfügen über eine erkennbare Vision, Mission und kommunizierte Ziele. Dies war für Steuerberater auch entbehrlich, da die klassische inhabergeführte Steuerberatungskanzlei mit hoher fachlicher Qualität und Kundennähe die Mandanten binden konnte. In Anbetracht eines sich konsolidierenden Marktes und größerer Kanzleieinheiten (vgl. Derlath, KP 20, 122 ) wird die strategische Ausrichtung aber immer wichtiger. Ist die Strategie festgelegt, muss diese auch konsequent umgesetzt und nachgehalten werden ‒ z. B. mit dem Instrument der Balanced Scorecard, wobei sich dieser Beitrag auf den Finanzbereich beschränkt. |

Kanzleiführung mit der Balanced Scorecard

Für Steuerberater ist ein einfaches und zeitschonendes Controlling-System vorteilhaft. Trotz Trend zu größeren Kanzleien sind in der Mehrzahl der Kanzleien weiterhin nur wenige Mitarbeiter tätig und viele Chef-Aufgaben werden nach wie vor von den Inhabern erledigt. Eine Controlling-Stelle oder gar Abteilung ist regelmäßig nicht vorhanden. Es gilt also aus der Vielzahl von Kennzahlen und Kennzahlensystemen die Finanzkennzahlen und qualitativen Kennzahlen zu ermitteln, die aussagekräftig und mit verhältnismäßig geringem zeitlichen Aufwand darstellbar und analysierbar sind.

 

Die Balanced Scorecard hält ein umfangreiches Instrument für das strategische Controlling von Steuerberatungskanzleien bereit. Die Sie ist ein Konzept zur Messung, Dokumentation und Steuerung der Aktivitäten eines Unternehmens zu dessen Strategien und Visionen.

 

PRAXISTIPP | Planen Sie ihre Kanzleientwicklung systematisch. Beginnen Sie mit der Festlegung Ihrer Kanzleistrategie.

  • Vision
  • Mission
  • Ziele
  • Maßnahmen
 

Die Balanced Scorecard muss für die Kanzlei nachprüfbare Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen vorgeben. Sie berücksichtigt, anders als z. B. die kurzfristige Erfolgsauswertung (BWA), neben Kennzahlen aus dem Finanzbereich auch solche mit Bezug auf den Kunden, die internen Prozesse und mögliche Potenziale der Kanzlei.

 

Es gilt aus dem Formeldschungel die für die eigene Kanzlei relevanten Kennzahlen zu ermitteln. Neben der Aussagekraft einer Kennzahl sind die Verfügbarkeit der Daten sowie deren unkomplizierte Aufarbeitung relevant. Glücklicherweise sind für Steuerkanzleien einfache Kennzahlen wie absolute Werte (Gewinn, Umsatz usw.) und Verhältniszahlen (z. B. Umsatzrentabilität) oft schon ausreichend informativ.

 

Kennzahlen im Zeitvergleich

Kennzahlen können im Zeitvergleich mit der eigenen Kanzlei erstellt oder im Vergleich zur Branche analysiert werden. Die Daten zur eigenen Kanzlei sind regelmäßig im EDV-System vorhanden oder können bei Erfordernis (z. B. Kanzleikauf) mit wenig Aufwand in Excel erfasst werden. Branchendaten müssen zunächst im Hinblick auf die Qualität geprüft werden, da Berufskollegen ihre Zahlen regelmäßig nicht öffentlich preisgeben. Quellen sind hier Kammer, Verband, STAX, Branchenreport der Banken und Sparkassen. Wer etwas mehr Zeit erübrigt, findet nach einiger Literaturrecherche aufschlussreiche Bücher und Zeitungsartikel. Wer über ein entsprechendes Netzwerk verfügt, kann auch einen eigenen Benchmark erstellen. Dies hat den Vorteil, dass sich die Kanzleien untereinander bestärken können.

 

Analyse von Plan- und Ist-Zahlen

Die Aussagekraft des eigenen Kennzahlensystems lässt sich steigern, wenn Zeit- und Branchenkennzahlen mit Plan- und Ist-Zahlen analysiert werden. Allgemein zugängliche Vergleichs- und Branchenkennzahlen sollten allerdings wegen der (unbekannten) Fehleranfälligkeit nicht bedenkenlos übernommen werden.

 

  • Mögliche Fehlerquellen
  • Veraltete Daten
  • Zu kleine Stichprobe
  • Fragebogen an sich ist missverständlich
  • Falsche Interpretation von Daten
  • Ungenaue Definitionen
  • Rechtsform wird nicht beachtet (Vergleich GmbH mit Einzelunternehmen)
  • Bilanzoptimierung (Window Dressing)
  • Regionale Unterschiede
 

Beispiel für ein Kennzahlensystem

Ein Kennzahlensystem für mittelständische Steuerberatungskanzleien könnte wie folgt dargestellt werden:

 

  • Kennzahlensystem für eine mittelständische Steuerberatungskanzlei
Top-Kennzahlen
Plan-Zahlen
Ist-Zahlen
Abweichung
Branche ∅
Branche Top-Wert

Umsatz/Mitarbeiter

90 TEUR

85 TEUR

‒ 5 TEUR

90 TEUR

135 TEUR

Umsatzwachstum

25 TEUR

20 TEUR

‒ 5 TEUR

?

?

Anteil A-Kunden

20 %

20 %

?

?

Umsatzziel

500 TEUR

495 TEUR

‒ 5 TEUR

400 TEUR

600 TEUR

Gewinnziel

175 TEUR

169 TEUR

‒ 6 TEUR

140 TEUR

200 TEUR

Preissteigerung

2 %

2 %

?

?

Kundenzufriedenheit

Hoch

Hoch

Hoch

Sehr hoch

Mitarbeiterfluktuation

< 10 %

Keine

> 10 %

< 10 %

Personalkostenquote

< 40 %

42 %

2 %

40 %

39 %

Anzahl d. Mitarbeiter

4

4

4

Marketingkostenquote

3 %

3 %

3 %

5 %

Fortbildungstage

10

12

2

?

15

 

Die Branchendurchschnittswerte und Top-Werte wurden von der Beispielskanzlei mithilfe von Auswertungen der Steuerberaterkammer, des Steuerberaterverbands und Angaben regionaler Kanzleien ermittelt. Nicht für alle Kennzahlen konnten Vergleichswerte ermittelt werden. Hier bietet sich ein Mehrjahresvergleich mit der eigenen Kanzlei an.

 

Im Beispiel sieht man, dass die mittelständische Kanzlei ihre Ziele nicht alle erreicht hat. Und nun kommt der wichtigste Schritt, die Ursachenanalyse. Erst wenn klar ist, warum bestimmte Ziele verfehlt wurden, kann damit begonnen werden, über Maßnahmen nachzudenken, z. B. den Realitätsbezug der Planungsprämissen zu überprüfen oder konkrete Änderungen in einzelnen Leistungsbereichen.

Ausgewählte Kennzahlen im Detail

Im Folgenden möchte ich auf ausgewählte Kennziffern und ihre Einflussgrößen eingehen.

 

Umsatzrentabilität

Die durchschnittliche Umsatzrentabilität (also Gewinn/Umsatz) ist von vielen Faktoren abhängig, insbesondere von der Kanzleigröße und den Tätigkeitsschwerpunkten. Für eine Einzelkanzlei beträgt diese im Durchschnitt 32 % (STAX 2018). Top-Werte können dabei deutlich höher liegen. Die Gründe sind vielfältig: Hoher Arbeitseinsatz des Inhabers, geringe Personalkosten, gute Mandantenstruktur oder eine Nischenspezialisierung.

 

Aus unseren Erfahrungen sind für gute Einzelkanzleien Top-Werte um die 40 ‒ 50 % erzielbar, sofern die Kanzleivoraussetzungen und der eigene Arbeitseinsatz passen.

 

  • Praxisbeispiel

Im Rahmen eines Benchmarks wird eine kleine Einzelkanzlei analysiert. Der Inhaber wirbt mit einer sehr guten Umsatzrendite von über 70 %. Dies begründet er mit hohen Gebührenwerten und niedrigen Kosten. In der Detailanalyse stellen sich die Gebührenwerte jedoch als für die Region eher durchschnittlich heraus. Die geringe Kostenquote konnte der Altinhaber erzielen, da Ehefrau und Tochter unbezahlt viele Kanzleiaufgaben erledigten. Kaufmännisch betrachtet müssen diese Tätigkeiten, zumindest als kalkulatorische Kosten, bei Ermittlung der Umsatzrentabilität berücksichtigt werden.

 

Sozietäten und Gesellschaften erzielen regelmäßig deutlich geringere Werte. Regelmäßig erzielen die Gesellschafter selbst weniger abrechenbare Leistungen, profitieren dabei aber von den Leistungen der Mitarbeiter. Laut STAX 2018 liegt die Umsatzrendite bei 21 %. Die Kennzahl ist jedoch nur aussagekräftig, sofern eventuelle Geschäftsführergehälter ebenfalls berücksichtigt werden, da diese die Kennzahl stark beeinflussen.

 

Umsatz je Mitarbeiter

Wichtig hierbei, insbesondere im Vergleich mit anderen Kanzleien, ist eine exakte Definition der Kennzahlen. Nehmen wir das Beispiel „Umsatz je Mitarbeiter“. Dieser stellt das Verhältnis von Umsatz zu Beschäftigten dar. Fraglich ist z. B. die Zählweise von Teilzeitkräften. Werden diese rechnerisch ermittelt oder mit gerundeten Werten erfasst? Weiterhin fraglich ist die Einbeziehung nicht nur operativ tätiger Personen wie des Steuerberaters selbst oder des Sekretariats. Noch weniger erkennbar ist die unbezahlte Mithilfe von Familienangehörigen. Mithin scheint die Einbeziehung aller für die Kanzlei tätigen Personen sinnvoll, um eine vergleichbare Kennzahl zu erhalten. Dabei sollten Teilzeitkräfte nur anteilig gezählt werden.

 

Für eine mittelgroße Kanzlei sollte der Umsatz je Mitarbeiter bei über 90.000 EUR liegen (vgl. Lami, KP 07, 101). Top-Werte können dabei deutlich höher, um die 130.000 EUR, liegen. Mit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung sollte der Umsatz je Mitarbeiter eine steigende Tendenz aufweisen. Nur so sind die steigenden Personalkosten je Mitarbeiter langfristig zu tragen, ohne den Gewinn zu schmälern.

 

  • Praxisbeispiel

Als Kontrollgröße bietet sich der Vergleich des Jahres-Brutto-Gehalts mit dem Umsatz des Mitarbeiters an. Beträgt das Brutto-Gehalt eines Mitarbeiters 3.000 EUR und unterstellen wir einen erwarteten Faktor von Gehalt zu Umsatz von 3,0 sollte der Mitarbeiter einen Jahresumsatz von 108.000 EUR generieren. Auch die Faktor-Variante sollte nicht ganz unkritisch angewendet werden. So ist der Gesamtumsatz eine Teamleistung. Regelmäßig werden Jahresabschluss-Mitarbeiter mit geringem Tagesgeschäft, wie Telefon- und Türdienst, zum einen durch die Tätigkeit an sich und zum anderen aufgrund des tendenziell störungsfreien Alltags, einen deutlich höheren Faktor erzielen können als Buchhaltungskräfte.

 

Gewinn und Umsatz

Diese Werte lassen sich leicht aus der BWA oder dem Jahresabschluss entnehmen. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail. Etliche Kanzleien nutzen eine einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Bei unseren Analysen hat sich gezeigt, dass insbesondere gut situierte Steuerberater teils hohe stille Reserven in Form noch nicht abgerechneter, aber (fast) fertiger Leistungen horten und den Zufluss mit dem Rechnungsstellungszeitpunkt steuern. Das bedeutet, dass Kosten erfasst, aber die dazugehörigen Einnahmen noch nicht erfolgt sind. Für einen aussagekräftigen Kanzleivergleich ist die periodengerechte Zuordnung der Leistungen erforderlich.

 

Für eine Einzelkanzlei beträgt der Umsatz im Durchschnitt um die 330.000 EUR (STAX 2015 und 2018). Top-Werte können dabei deutlich höher um die 1.000.000 EUR liegen.

 

Für eine Einzelkanzlei liegt der Gewinn im Durchschnitt bei 110.000 EUR (STAX 2015 und 2018) ‒ neben Top-Werten von deutlich über 350.000 EUR.

 

PRAXISTIPP | Gerade kleine Kanzleien mit einem Umsatz unter 250.000 EUR weisen eine enorme Gewinnspannweite auf. So erzielen kleine Kanzleien mit einer einfachen Mandatsstruktur Gewinne um die 50.000 EUR, während spezialisierte Einzelkämpfer Gewinne weit über dem Durchschnitt von 110.000 EUR erzielen können, und das bei sehr geringen Kosten.

 

Umsatzwachstum

Umsatzwachstum muss nicht immer durch Neukundenakquise erfolgen. Auch die Optimierung der abrechenbaren Leistungen führt zu mehr Umsatz. Die Anpassung der Gebührenordnung macht Preiserhöhungen in diesem Jahr leichter. Jedoch wird die teils gestiegene Preissensibilität der Mandanten spürbar. Fraglich ist, ob die Anpassung in voller Höhe an den Mandanten durchgereicht werden kann. Die Sorge um Mandatskündigungen ist mithin wenig begründet.

 

Selbst wenn, bei einer moderaten Gebührenanpassung, vereinzelt Mandate gekündigt werden, wird der verlorene Umsatz durch die gestiegenen Umsätze der verbleibenden Mandate kompensiert. Sofern der Gesamtumsatz nicht sinkt, kann der bisherige Umsatz mit einer reduzierten Arbeitsbelastung generiert werden ‒ in Anbetracht der hohen zeitlichen Auslastung der Kanzleiinhaber vielleicht sogar ein willkommener Effekt. Je nach Kanzleiaufstellung reduzieren sich bei Mandatskündigungen gar die Kosten und die Umsatzrendite steigt. Ein finanzielles Restrisiko ist bei Preisanpassungen jedoch nicht auszuschließen.

 

Marketingaufwand

Allgemein könnte gelten: Je höher der Aufwand für Neukundenakquise, desto höher das Umsatzwachstum. Aufgrund der nach wie vor tendenziell geringen Mandanten-Fluktuationsquote und des oft moderaten Wachstums von Kanzleien überrascht der geringe bis nicht vorhandene Marketingaufwand von Steuerberatungskanzleien nicht besonders. Neukunden verursachen zudem im Erst-Jahr einen erhöhten Arbeitsaufwand. Insbesondere leicht wechselwillige Mandate und Existenzgründer erhöhen zwar den Umsatz, tragen aber wenig zum Gewinn bei und sind teils genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen sind.

 

PRAXISTIPP | Eine Investition in Marketing kann lohnend sein. Ein guter Marketing-Mix verspricht die Chance auf neue Mandanten. Allerdings müssen in die Kosten-Nutzen-Kalkulation nicht nur die eingehenden Rechnungen der Marketing-Agentur Berücksichtigung finden, sondern auch der kanzleiinterne Zeitaufwand. Ferner bestehen bei Neukunden keine Erfahrungswerte zu ihrer Zahlungsmoral und ein erhöhtes Risiko von Forderungsausfall. Zumindest die Akquise über niedrige Preise ist im Normalfall nicht empfehlenswert, da dies regelmäßig nur zulasten der Umsatzrentabilität und der persönlichen Zufriedenheit von Mitarbeitern und Kanzleiinhaber erfolgt.

 
Quelle: Seite 60 | ID 46970372