· Fachbeitrag · Haftungsrecht
Kursteilnehmer oder Patient beschädigt Praxisausstattung: So verhalten Sie sich rechtskonform
von RA Ralph Jürgen Bährle, Bährle & Partner, Nothweiler, baehrle-partner.de
| Unverhofft kommt oft: Ein Patient stößt versehentlich am Empfang einen Laptop vom Tisch, ein Kursteilnehmer beschädigt einen Stepper bei der Benutzung. Wann müssen Schädiger für den Schaden aufkommen? Wie hoch ist der Schadenersatzanspruch? Wie fordere ich als Praxisinhaber rechtskonform Schadenersatz? Und wie beuge ich Unklarheiten schon im Behandlungs-/Kursvertrag vor? Die Antworten darauf gibt dieser Beitrag. |
Wann liegt ein Schaden vor?
Ein Schaden ist allgemein definiert als Nachteil, der durch Minderung oder Verlust an materiellen oder immateriellen Gütern entsteht. Ein ersatzfähiger Schaden liegt vor, wenn der „Nachteil“ über die gewöhnliche Abnutzung hinausgeht und mit einer unfreiwilligen Einbuße am geschützten Rechtsgut ‒ d. h. an Ihrer Praxisausstattung ‒ einhergeht. Vereinfacht gesagt, liegt ein Schaden immer vor, wenn der betroffene Gegenstand nach dem Vorfall nicht mehr so aussieht wie vorher. Aber nicht jeder Schaden ist ersatzfähig.
| |
Szenario | Liegt ein ersatzfähiger Schaden vor? |
| Es liegt zwar im Sinne der allgemeinen Definition ein Nachteil in Form einer Minderung der Stühle vor, aber diese Minderung ist Folge des bestimmungsgemäßen Gebrauchs und gewöhnliche Abnutzung. Diese Abnutzung nehmen Sie freiwillig hin, indem Sie die Stühle zur Nutzung einsetzen. |
| Es handelt sich nicht um gewöhnliche Abnutzung, sondern um einen Schaden im o. g. Sinn. Die Einbuße für Sie besteht in einer nicht mehr unzerkratzten Spiegelwand. Da die Spiegelwand nicht zum Festhalten dient, gehört das Zerkratzen beim Aufstehen nicht zum bestimmungsgemäßen Gebrauch. |
Wann sind Kunden/Patienten schadenersatzpflichtig?
Rechtsgrundlage für Ansprüche bei Sach- und Personenschäden ist § 823 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist jeder, der vorsätzlich oder fahrlässig u. a. das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, dem Geschädigten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Fahrlässig handelt jeder, der die übliche Sorgfalt bei seinem Tun nicht einhält (Beispiele in PP 09/2020, Seite 12). Vorsätzlich handelt jeder, der absichtlich eine Sache beschädigt.
Ein Kursteilnehmer oder Patient, der einen Gegenstand Ihrer Praxisausstattung oder Gegenstände eines anderen Kursteilnehmers/Patienten beschädigt, ist nach § 823 BGB grundsätzlich verpflichtet, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Für die Frage, ob der Schädiger dem Grunde nach haftet, ist nur entscheidend, ob er für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist.
|
|
Höhe des Schadenersatzanspruchs
I. d. R. gibt es zur Beseitigung des konkreten Schadens mehr als eine Möglichkeit. Die Spannbreite reicht von einer kleinen Lösung in Form der Minimalreparatur bis hin zur großen Lösung in Form des Austauschs des beschädigten Gegenstands durch einen gleichwertigen neuen Gegenstand. Auf einen solchen Austausch haben Sie aber nicht immer einen Rechtsanspruch! Sie haben nur Anspruch auf Beseitigung der Beschädigung. Kann diese durch eine Reparatur (noch wirtschaftlich sinnvoll) beseitigt werden, können Sie auf die Reparatur verwiesen werden. Ist die Reparatur unmöglich oder wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, besteht ein Anspruch auf Ersatz.
Bei einer Reparatur muss der Schädiger grundsätzlich für alle Kosten aufkommen, bei einem Ersatz der beschädigten Sache nicht immer. War die beschädigte Sache schon länger im Einsatz und entsprechend abgenutzt oder „gealtert“, besteht Anspruch nur auf den Zeitwert oder Wiederbeschaffungswert, nicht auf den Preis für eine Neuanschaffung.
Wie gehe ich vor, wenn ich Schadenersatz fordern will?
Im Schadensfall ist es ratsam, den Schädiger konkret auf den wegen seines Verhaltens eingetretenen Schaden anzusprechen und gemeinsam mit ihm den Schaden zu begutachten. Aus der Reaktion des Schädigers können Sie u. U. schon entnehmen, ob er zur Schadensregulierung bereit ist. In manchen Fällen können oder wollen Sie nicht sofort entscheiden, ob Sie Schadenersatz fordern werden. Informieren Sie dann den Schädiger, dass Sie sich vorbehalten, ihn für die Kosten der Schadensbeseitigung in Anspruch zu nehmen, dass Sie zunächst aber die Höhe dieser Kosten klären.
Fotografieren Sie auf jeden Fall die Beschädigungen und schreiben Sie eine Aktennotiz, wie der Schaden eingetreten ist. Sie haben keinen Anspruch gegen den Schädiger, dass dieser seine Haftung schriftlich anerkennt. Erklärt er freiwillig, dass er für die Kosten aufkommt, können Sie sich das jedoch schriftlich bestätigen lassen. Hat der Kursteilnehmer/Patient eine private Haftpflichtversicherung und will den Schaden über diese regulieren lassen, ist ein derartiges Anerkenntnis für die Versicherung nicht bindend. Folgende Musterformulierung finden Sie online unter iww.de/pp, Abruf-Nr. 47156921.
muster / Schadenanerkenntnis und Kostenübernahmeerklärung |
„Ich, Melanie Müller (Anschrift), habe am 10.02.21 in der ABC-Praxis die Spiegelwand im Kursraum beschädigt. Ich komme für die Kosten der Reparatur auf. Unterschrift Melanie Müller“ |
Holen Sie zeitnah zum Schadenereignis einen Kostenvoranschlag über die voraussichtlichen Reparaturkosten ein. War die beschädigte Sache neu oder noch neuwertig, können Sie für Schadenhöhe die Rechnung über die Anschaffung heranziehen. Haben Sie die Kosten für die Schadensbeseitigung auf diese Weise annähernd beziffert, können Sie Ihre Schadenersatzansprüche schon schriftlich gegenüber dem Schädiger geltend machen und ihn auffordern, die Haftung anzuerkennen. Hat der Schädiger eine private Haftpflichtversicherung, wird er diese jetzt vermutlich einschalten. Die Versicherung wird daraufhin mit Ihnen Kontakt aufnehmen und alles Weitere klären.
Hat der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung die Haftung anerkannt, prüfen Sie, ob das Anerkenntnis auch schon die Höhe des Schadens umfasst. Wenn ja, können Sie den Schaden beseitigen lassen, ohne für die Kosten in Vorlage zu treten. Anschließend reichen Sie die Rechnung zur Bezahlung beim Kursteilnehmer/Patienten oder dessen Versicherung ein. Ohne Schadensanerkennnis ist es Ihre Entscheidung, ob Sie den Schaden zunächst auf eigene Kosten beseitigen lassen und anschließend abrechnen oder zunächst „ausstreiten“, in welcher Höhe Schadensbeseitigungskosten übernommen werden. Letzten Endes hängt diese Entscheidung aber davon ab, ob der Schaden zwingend sofort beseitigt werden muss, damit Sie weiterarbeiten können, oder ob die Schadensbeseitigung grundsätzlich aufgeschoben werden kann.
Kommt es zu keiner Einigung mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung, bleibt Ihnen noch der Weg zum Gericht. Bei einem hohen Sachschaden kann es ratsam sein, von Anfang an einen Anwalt einzuschalten.
So beugen Sie Unklarheiten vertraglich vor
Lange und detaillierte Regelungen zur Schadenersatzpflicht bei Beschädigungen im Behandlungs- oder Kursvertrag schrecken die Kursteilnehmer/Patienten ab. Mit § 823 BGB haben Sie schon eine allgemeingültige Rechtsgrundlage. Wenn Sie unbedingt vertraglich eine Regelung zur Schadenersatzpflicht aufnehmen wollen, beschränken Sie sich auf folgenden Hinweis (Muster online unter iww.de/pp, Abruf-Nr. 47156923).
muster / Schadenersatzklausel |
Verursacht der Kursteilnehmer/Patient fahrlässig oder vorsätzlich in der Praxis einen Schaden, richten sich seine Schadensersatzpflichten nach den gesetzlichen Vorschriften. Die Praxis behält sich ausdrücklich vor, Schadensbeseitigungskosten vom Kursteilnehmer/Patienten einzufordern. |