· Gebäudeversicherung/Haftung
BGH: Ausschluss von Schwammschäden nach Leitungswasseraustritt kann unwirksam sein

von Rechtsanwalt Stephan Michaelis LL.M., Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg
| Der Ausschluss von Schäden durch Schwamm ist in nahezu allen Gebäudeversicherungen zu finden. Umso wichtiger ist daher ein aktueller Beschluss des BGH zur Wirksamkeit dieser marktüblichen Ausschlussklausel. Der folgende Beitrag fasst die Entscheidung zusammen und erläutert das Haftungsszenario für Makler. |
Streit um Schwamm-Ausschlussklausel vor dem BGH
Die Versicherungsnehmerin macht Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung geltend, nachdem ein Leitungswasserschaden in ihrem Holzständerbauhaus zu einem Befall mit weißem Porenschwamm führte. Unter der Überschrift „Leitungswasser“ enthalten die VGB in Ziff. 3. 4 folgende Regelung:
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- Der Versicherer verweigert die Regulierung unter Berufung auf den Leistungsausschluss.
- Die Versicherungsnehmerin hält den Leistungsausschluss dagegen für AGB-rechtswidrig und damit unwirksam. Sie ist der Auffassung, die Ausschlussklausel führe zu einer unangemessenen Benachteiligung, weil der umfassende Ausschluss von Schwammschäden wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers in einer Weise einschränke, der die Erreichung des Vertragszwecks gefährde (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Das LG Bonn gab der Klage nur hinsichtlich der Nässeschäden statt, die keinen kausalen Bezug zum Schwamm aufwiesen. Das OLG Köln wies die Berufung der Versicherungsnehmerin zurück. Der BGH hob nun die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache an das OLG zurück (BGH, Beschluss vom 13.11.2024, Az. IV ZR 212/23, Abruf-Nr. 245194).
BGH: Schutz bei Schwammschäden ist nicht ausgeschlossen
Der BGH stellt klar: Das Urteil des OLG stellt eine Verletzung des Anspruchs der Versicherungsnehmerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG dar. Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen.
Versicherungsnehmer erwartet umfassenden und lückenlosen Schutz
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarte von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und ‒ soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben ‒ lückenlosen Schutz. In dieser Erwartung sehe sich der Versicherungsnehmer durch den weiten Bedingungswortlaut der Entschädigungsklauseln für durch Leitungswasser verursachte Schäden bestätigt. Dieses Hauptleistungsversprechen des Versicherers, einen ‒ grundsätzlich umfassenden ‒ Ausgleich für durch Leitungswasser verursachte Schäden am versicherten Gebäude zu gewähren, schränke die Ausschlussklausel für Schwammschäden ein, indem sie durch Schwamm verursachte Schäden ausnehme.
BGH bringt Gefährdung des Vertragszwecks ins Spiel
Eine Gefährdung des Vertragszwecks liege allerdings erst dann vor, so der BGH weiter, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhle und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos mache.
Der Vertragszweck könne durch den Ausschluss dann gefährdet werden, wenn Schwammschäden regelmäßige oder zumindest sehr häufige, zwangsläufige und kennzeichnende Folge des Austritts von Leitungswasser wären. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wolle sich mit dem Abschluss einer Leitungswasserversicherung vorwiegend vor solchen Schwammschäden schützen und der Versicherer würde sich mit der Ausschlussklausel von der Kardinalpflicht des Versicherungsvertrags, Leitungswasserschäden zu entschädigen, freizeichnen.
Typizität der Schwammschäden nach Leitungswasseraustritt zu beweisen
Der BGH stellt ferner klar, dass die Frage, ob Schwammschäden regelmäßig oder zwangsläufige Folgen von Leitungswasseraustritten sind, durch Sachverständigenbeweis zu klären sei. Das OLG habe die Typizität der Schwammschäden daher nicht ohne eigene Sachkunde verneinen dürfen.
Bedeutung des BGH-Beschlusses für die Praxis
Auch wenn der BGH zur Wirksamkeit der Ausschlussklausel keine abschließende Entscheidung getroffen hat, so stellt das Gericht dennoch klar, dass die Ausschlussklausel der AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und nach unserer Auffassung zwingendes Recht. Aber in seinem „1. Schwammurteil“ aus dem Jahr 2012 (BGH, Urteil vom 27.06.2012 Az. IV ZR 212/10, Abruf-Nr. 122914) entschied der BGH noch, dass die Schwammschadenklausel nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führe und damit wirksam sei. Der Diskussion über die Wirksamkeit dieser Klausel wurde damit vorerst die (alte) Grundlage entzogen.
Warum nun aber diese vermeintliche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung? Hierzu führt der BGH aus: In dem früheren Verfahren habe der klägerische Vortrag keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass Schwammschäden typische Folge eines Leitungswasseraustritts seien. Da dies in diesem Verfahren jedoch vorgetragen und unter Beweis gestellt worden sei, hätte der angebotene Sachverständigenbeweis auch erhoben werden müssen.
Der aktuelle Beschluss des BGH orientiert sich damit konsequent an seinem Urteil aus dem Jahre 2017 zum Ausschluss von Schimmelschäden (BGH, Urteil vom 12.07.2017 Az. IV ZR 151/15, Abruf-Nr. 196085). Dort machte der BGH die Wirksamkeit des Ausschlusses von Schimmelschäden davon abhängig, ob Schimmelschäden typische Folge eines bestimmungswidrigen Leitungswasseraustrittes seien. Dieser Grundsatz ist auf den Ausschluss von Schwammschäden zu übertragen.
Das OLG Köln muss nun durch Einholung eines Sachverständigengutachtens prüfen, ob Schwammschäden eine typische Folge von Leitungswasseraustritten sind. Trifft das zu, so stellt die Klausel eine unangemessene Benachteiligung dar und ist unwirksam. Das Urteil des OLG Köln darf daher mit Spannung erwartet werden.
Folgen für Sie als Makler und für Ihre Beratung
Auch wenn diese Entscheidung grundsätzlich positiv ist: Vergessen Sie im Zusammenhang mit Schwammschäden keinesfalls Ihr Haftungsrisiko. Denn solange die Typizität von Schwammschäden nicht nachgewiesen wird, ist die Klausel wirksam. Der Kunde ist vermutlich überrascht und nicht wirklich glücklich.
Zudem sollten Sie einem weiteren Punkt besondere Aufmerksamkeit schenken: Der BGH weist in seinem Beschluss abschließend darauf hin, dass möglicherweise ein Verstoß gegen die Beratungspflicht des Versicherers vorliege, da dieser die Holzbauweise des Hauses kannte und dennoch einen Vertrag mit generellem Schwammausschluss abschloss.
Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass dieser Hinweis erst recht bei der Vermittlung durch einen Makler greift. Insbesondere wenn es sich bei dem zu versichernden Gebäude um ein in Holzständerbauweise errichtetes Gebäude handelt, dürfte dies eine gesteigerte Beratungspflicht auslösen, da Häuser in Holzbauweise aufgrund ihres Materials anfälliger für Schwammschäden sein können.
PRAXISTIPP | Machen Sie in der Beratung auf Obliegenheiten und Ausschlüsse in der Gebäudeversicherung aufmerksam. Weisen Sie auf die möglichen Folgen des Schwammschaden-Ausschlusses unbedingt hin, gerade bei Holzständerbauweise. Und dokumentieren Sie dies auch im Beratungsprotokoll sorgfältig. |
Leider sind uns aktuell keine Deckungskonzepte bekannt, die den Schwammschaden versichern. Nur in Sonderkonzepten konnte der Schwammschaden mit einem Sublimit versichert werden. Dies würde aber im Regelfall nicht ausreichen und ist für den normalen Makler auch keine Hilfestellung. Deshalb hilft nur die Beratung und Dokumentation gegenüber dem Kunden!
Zum Schluss: Halten Sie sich über dieses Thema weiter informiert, denn teure Schwammschäden sind keine Seltenheit bei einem (unentdeckten) Leitungswasserschaden.