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· Fachbeitrag · Fachkräfte

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ‒ was ändert sich auf dem Arbeitsmarkt?

von Dr. Guido Mareck, stellvertr. Dir. Arbeitsgericht Dortmund

| Nachdem man sich im Koalitionsvertrag verständigt hat, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FKEG) zu schaffen, hat nun der Bundesrat durch Gesetzeszustimmung die Einwanderung von Fachkräften mit qualifizierter oder akademischer Ausbildung neu geregelt. Damit ist erstmals seit dem 1973 eingeführten Anwerbestopp der legale Zuzug zur Beschäftigungsaufnahme für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung wieder möglich. Der Beitrag zeigt die ab Inkrafttreten des Gesetzes am 1.3.2020 wichtigsten Änderungen auf. |

 

Hintergrund

In bestimmten Branchen ist bereits heute der Fachkräftemangel in Deutschland eklatant. Zu diesen zählen nicht nur ‒ wie allgemein bekannt ‒ die Gesundheits- und Pflegebranche und viele Bereiche im Handwerk, sondern auch Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Um die in diesen Bereichen geschätzt 1,2 Mio. offenen Stellen schnell und zukunftssicher zu besetzen, ist nach Auffassung der Bundesregierung eine gezielte und gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften auch aus Drittstaaten außerhalb der EU notwendig. Das FKEG behält dabei als Steuerungsinstrument die Trennung zwischen Asyl- und Erwerbsmigration bei.

 

Während für Fachkräfte mit akademischer Ausbildung die bisher geltenden Maßstäbe in § 18b AufenthG dem Grunde nach beibehalten worden sind, ändert sich durch § 18a AufenthG, der nunmehr eine Rechtsgrundlage für den legalen Aufenthalt anderer qualifizierter Fachkräfte schafft, einiges.

 

Was regelt das FKEG neu?

Das FKEG ist ein Baustein zur Steigerung und Steuerung der Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte außerhalb der EU. Es soll und muss durch weitere gezielte Maßnahmen verstärkt und ergänzt werden. Hier sind insbesondere die Beschleunigung bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, eine verstärkte Förderung der deutschen Sprache im (nichteuropäischen) Ausland, klar konzipierte Marketingstrategien zur Fachkräftegewinnung in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und die Entwicklung schneller und transparenter Verwaltungsverfahren zu nennen.

 

Das FKEG selbst hebt vor allem die Trennung zwischen Fachkräften mit akademischer und qualifizierter Berufsausbildung, die Engpassbetrachtung und die Vorrangprüfung auf. Darüber hinaus werden Zuständigkeiten bei zentralen Ausländerbehörden gebündelt, klare Definitionen geschaffen und die Möglichkeiten des legalen Aufenthalts der Fachkräfte insgesamt verbessert.

 

Wegfall der Vorrangprüfung und der Engpassbetrachtung

Nach den neuen Maßgaben des FKEG muss nicht mehr vor jeder Einstellung einer Fachkraft aus einem Nicht-EU-Staat zwingend geprüft werden, ob nicht ein/e geeignete/r inländische/r oder aus dem Bereich der EU stammende/r Bewerber/in zur Verfügung steht.

 

PRAXISTIPP | Auch die sogenannte Engpassbetrachtung, die nach früherer Rechtslage den Zuzug auf Fachkräfte nur aus bestimmten Berufen beschränkt hat, wird nun aufgegeben. Da das neue Gesetz aber insoweit eine Verordnungsermächtigung enthält, ist die Wiedereinführung dieser Instrumentarien beispielsweise für bestimmte Berufe oder Regionen ohne Weiteres in kurzer Zeit wieder möglich.

 

Als Fachkräfte im Sinne des neuen FKEG werden drittstaatsangehörige Ausländer definiert, die eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder einen deutschen Hochschulabschluss oder eine gleichwertige ausländische Berufsqualifikation bzw. einen vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen. Hierbei werden vor der Einreise die Berufsausbildung oder der Hochschulabschluss durch die zuständige Behörde im sogenannten Anerkennungsverfahren auf ihre Gleichwertigkeit mit den entsprechenden deutschen Abschlüssen hin überprüft. Erste Prämisse des geduldeten Aufenthalts nach dem FKEG ist dabei stets, dass durch den Ausländer nachgewiesen wird, dass er in der Lage ist, während des Aufenthalts seinen und ggf. den Unterhalt mitreisender Familienangehöriger selbst zu sichern. Dies bedeutet, dass bei Vorliegen eines Arbeitsvertrags und der entsprechenden anerkannten beruflichen Qualifikation dem Aufenthalt der Fachkraft aus einem Drittstaat keine größeren Hürden mehr entgegenstehen.

 

Antragsverfahren werden beschleunigt

Das Antragsverfahren soll vereinfacht werden, indem die Zuständigkeiten für Fachkräftezuwanderung bei zentralen Ausländerbehörden in den Ländern gebündelt werden. Zudem soll wohl vorerst ‒ bis Ende 2023 befristet ‒ eine zentrale Servicestelle erprobt werden. Diese soll zu den Möglichkeiten der Anerkennung ausländischer Abschlüsse beraten und die Betroffenen bei ihren aufenthaltsrechtlichen Verfahren begleiten. Ziel soll es sein, die Anerkennung innerhalb von drei Monaten nach Einreichung aller erforderlichen Unterlagen abzuschließen. Ein Visum für Fachkräfte soll künftig innerhalb von maximal vier Wochen ausgestellt werden.

 

Ausnahmen vom Qualifikationserfordernis und Aufenthalt zur Arbeitsplatzsuche oder Berufsqualifikation

Zwar gilt der Grundsatz der Prüfung der Gleichwertigkeit der Berufsausbildung, die von der jeweiligen Fachkraft nach § 2 Abs. 12a, § 19c AufenthG nachzuweisen und vor der Einreise im Anerkennungsverfahren zu prüfen ist. Enge Ausnahmen bestehen aber für IT-Spezialisten und im Rahmen von Vermittlungsabsprachen der Bundesagentur für Arbeit. Dies setzt aber im Fall des IT-lers mindestens drei Jahre Berufserfahrung und ein Gehalt von zurzeit mindestens 4.020 EUR brutto monatlich bei einem inländischen ArbG voraus. Im Fall der Vermittlungsabsprachen überprüft die Bundesagentur für Arbeit, welchen Kenntnisstand der Bewerber hat und welche Qualifizierungsmaßnahmen ggf. noch benötigt werden.

 

Außerhalb dieser Grenzen gibt es noch die Möglichkeit der Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG. Diese setzt gleichfalls keine qualifizierte Berufsausbildung voraus. Sie ist aber an einen einjährigen geduldeten Aufenthalt eines Asylbewerbers nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens und den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse mindestens auf dem Niveau B 1 GER geknüpft. Das dürfte den Spurwechsel vom Aufenthalt auf Grundlage des AsylVerfG zu dem nach dem FKEG zumindest in der Praxis stark erschweren.

 

PRAXISTIPP | In § 60c AufenthG ist auch die Duldung zum Zweck der Ausbildung geregelt. Diese ist insbesondere im Assistenz- und Helferbereich von besonderem Interesse. In § 20 AufenthG ist die Möglichkeit vorgesehen, Fachkräften im Sinne des FKEG zur Suche eines Arbeitsplatzes befristet für die Dauer von bis zu sechs Monaten eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

 

Nach § 18c AufenthG wird abweichend von der bisherigen Gesetzeslage eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bereits nach vierjährigem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft nach den oben dargestellten Voraussetzungen erteilt.

 

Risiken und Perspektiven nach der neuen Gesetzeslage

Die dargestellten neuen gesetzlichen Regelungen nach dem FKEG beabsichtigen in erster Linie eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland durch Sicherung und Stärkung der Fachkräftebasis für inländische Unternehmen. Von daher wundert es nicht, dass das Gesetz selbst keine expliziten Regelungen für sich bereits geduldet in Deutschland aufhaltende Ausländer (insbesondere Asylbewerber) enthält. Gleichwohl bietet es zumindest für einen begrenzten Kreis über den sogenannten Spurwechsel echte Bleibeperspektiven über die dargestellten Regelungen zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung. Dies betrifft aber vor allem diejenigen, die durch lange Beschäftigung, deutsche Sprachkenntnisse und gesetzestreues Verhalten in der Vergangenheit gut integriert sind.

 

Auch ist die gesetzgeberische Intention begrüßenswert, die Verfahren bei der Einreise von Fachkräften durch zentrale ausländerbehördliche Zuständigkeiten (Kompetenzzentren) effizient und schnell zu gestalten. In der Praxis wird der Erfolg des FKEG auch maßgeblich von der Einbindung der Wirtschaft, der Akzeptanz in der Bevölkerung und der klaren, bundeseinheitlichen Anwendung der Normen abhängen.

Quelle: Seite 290 | ID 46372251