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· Fachbeitrag · Erbrecht

Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen Stiftung: Wann beginnt die Zehnjahresfrist zu laufen?

von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR/FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung (bundesweit), PricewaterhouseCoopers GmbH, Kassel

| Überträgt der Stifter Vermögen auf eine Stiftung und übergeht er dabei Pflichtteilsberechtigte, haben diese unter Umständen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Stiftung. Der folgende Beitrag erläutert, warum sich das erheblich auf das Vermögen der Stiftung auswirkt und warum es von erheblicher Bedeutung ist, in welchem Zeitpunkt diese Pflichtteilsergänzungsansprüche zu laufen beginnen und wann sie verjähren. |

Anspruch kann für Stiftung existenzbedrohend sein

Überträgt der Stifter Vermögen auf eine Stiftung, kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass er dabei Pflichtteilsberechtigte übergeht. Diese können u. U. Pflichtteilsergänzungsansprüche haben ‒ und sie direkt gegen die Stiftung geltend machen. Muss die Stiftung diese Pflichtteilsergänzungsansprüche bedienen, z. B. weil sie dazu rechtskräftig verurteilt wird, hat dies erhebliche, schlimmstenfalls existenzvernichtende Auswirkungen auf ihr Vermögen.

 

Für die Stiftung ist daher entscheidend, in welchem Zeitpunkt diese Pflichtteilsergänzungsansprüche zu laufen beginnen und wann sie verjähren.

Zehnjahresfrist für Pflichtteilsergänzungsansprüche

Hat der Erblasser (hier: der Stifter) einem Dritten (hier: der Stiftung) eine Schenkung gemacht (hier: die Ausstattung der Stiftung mit dem Grundstockvermögen), kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird (§ 2325 Abs. 1 BGB).

 

  • Beispiel

Ein Stifter errichtet eine rechtsfähige Stiftung nach §§ 80 ff. BGB unter Lebenden, die im Dezember 2009 von der zuständigen Anerkennungsbehörde anerkannt wird. Mit Anerkennung oder jedenfalls noch im Dezember 2009 stattet der Stifter die Stiftung mit nahezu seinem gesamten Vermögen in Höhe von zehn Mio. Euro aus. Zugleich verfügt er die Stiftung testamentarisch als Alleinerbin für sein restliches Vermögen. Im Jahr 2020 verstirbt der Stifter und hinterlässt zwei leibliche Kinder. Diese lassen nun prüfen, ob sie erfolgreich Pflichtteilsansprüche gegen die Stiftung geltend machen können.

 

Gegen die Stiftung könnten die Pflichtteilsberechtigten im Übrigen auch dann vorgehen, wenn nicht die Stiftung das restliche Vermögen geerbt hätte, sondern eine andere Person. In dem Fall könnten die Pflichtteilsberechtigten von der Stiftung verlangen, den geschenkten Gegenstand herauszugeben (§ 2329 Abs. 1 BGB). Der BGH hat bereits mit Urteil vom 10.12.2003 (Az. IV ZR 249/02, Abruf-Nr. 040213, „Dresdner Frauenkirche“) entschieden, dass endgültige unentgeltliche Zuwendungen als stiftungskapitalerhöhende Zustiftungen oder als zum zeitnahen Einsatz für Stiftungszwecke gedachte freie oder gebundene Spenden dem Schenkungsrecht und damit auch dem Pflichtteils(ergänzungs-)recht unterliegen.

 

So berechnet sich der Ergänzungsanspruch

Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall im vollen Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstands verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe (§ 2325 Abs. 3 BGB). Die Ehe wird, wenn nicht zuvor durch Scheidung, erst mit dem Tod aufgelöst.

 

Abschmelzung binnen Zehnjahresfrist

Diese Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB kann folglich dazu führen, dass dem Grunde nach bestehende Pflichtteilsergänzungsansprüche gewissermaßen „auf null abgeschmolzen“ werden, wenn seit dem Zeitpunkt der Schenkung und dem Erbfall (= Tod des Stifters) dieser Zeitraum verstrichen ist.

 

Anhand der folgenden drei Varianten erläutern wir Ihnen, wann die Zehnjahresfrist hinausgeschoben ist oder nicht.

 

  • Drei Varianten

Variante a: Die Stiftung ist eine steuerbegünstigte Stiftung nach §§ 51 ff. AO. Der Stifter erhält bis zu seinem Tod lediglich einen Teil der Erträge aus dem Stiftungsvermögen unter den Voraussetzungen des § 58 Nr. 6 AO („Drittelprivilegr“). Die Ehefrau des Stifters ist vor ihm verstorben. Der Stiftungsvorstand setzt sich aus vom Stifter unabhängigen Dritten zusammen, die in jedem Jahr in freiem Ermessen über Ausschüttungen nach § 58 Nr. 6 AO an den Stifter beschließen; ein Rechtsanspruch besteht nicht. Schließlich hat sich der Stifter weder Sonderrechte in der Stiftungssatzung vorbehalten noch ist er Mitglied eines Aufsichtsgremiums (Stiftungsrat).

 

Variante b: Es handelt sich um eine Familienstiftung, die im Wesentlichen der Erhaltung des eingebrachten Vermögens und der finanziellen Absicherung des Stifters und seiner ‒ in dieser Variante noch lebenden ‒ Ehefrau dient. Beide sind (einzige) Mitglieder des Stiftungsvorstands und erhalten rund 80 Prozent der jährlichen Erträge aus dem Stiftungsvermögen, um ihren Lebensbedarf zu decken. Der Rest fließt in eine Rücklage. Auf Ausschüttungen gewährt die Stiftungssatzung dem Stifter und seiner Ehefrau zudem einen Rechtsanspruch.

 

Variante c: Wie Variante a oder b, nur behält sich der Stifter den überwiegenden Nießbrauch an dem auf die Stiftung übertragenen Vermögen vor.

 

In allen drei unterschiedlichen Varianten gilt: Die Schenkung erfolgte im November 2009, der Stifter verstarb im Jahr 2020. Dazwischen liegen unstreitig (mehr als) zehn Jahre.

 

Wichtig | Fraglich bleibt allein, in welchen der drei Sachverhalte der Beginn des Laufs der Zehnjahresfrist aus § 2325 Abs. 3 S.1 und 2 BGB hinausgeschoben sein könnte, mit Auswirkungen auf das „Abschmelzen“ der Pflichtteilsergänzungsansprüche. Leider fehlt es (noch) an höchstrichterlicher Rechtsprechung. Folgende rechtliche Beziehungen sind zu unterscheiden:

Der Fall: Stifter als Destinatär der Stiftung

Gehört der Stifter selbst zu den Destinatären der Stiftung, soll nach einer Auffassung in der Literatur der Anlauf der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB in Frage gestellt sein. Denn es könnte noch an einer wirtschaftlichen Ausgliederung des Vermögens fehlen. Maßgeblich für den Verzicht auf die wesentliche Nutzung sollen die Umstände des Einzelfalls sein, so etwa neben der Nutzungsquote auch die sonstigen Vereinbarungen, z. B. die die Verwaltung betreffenden Abreden.

 

Zwar sei die Einräumung einer solchen Begünstigung (= der Destinatärsstellung) für die eigene Person nicht mit dem klassischen Vorbehaltsnießbrauch zu vergleichen, aber die Rechtsprechung des BGH stelle bewusst auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge ab. Es ließe sich allenfalls argumentieren, dass eine Satzung pflichtteilsfest sei, die dem Stifter keinen einklagbaren Anspruch zuweise und die von einem nicht beeinflussbaren Vorstand beherrscht werde. Es läge aber nahe, dass die Rechtsprechung auch ein „faktisches Herrschaftsverhältnis“ gelten lasse, sofern ex post erhebliche Ausschüttungen an den Stifter stattgefunden hätten. Entscheidend sei dann, ob das Stiftungsvermögen aufgrund der Einflussmöglichkeiten noch dem Stifter wirtschaftlich zugeordnet werden könne (Cornelius, ZErb 2006, 230 [234]).

 

  • Auswirkung auf die Varianten a und b

Die obige Auffassung käme bei der Destinatärsstellung in Variante a vermutlich zum Ergebnis, dass die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB bereits im Dezember 2009 zu laufen begann; Pflichtteilsergänzungsansprüche der leiblichen Abkömmlinge sind im Jahr 2020 bereits auf null abgeschmolzen.

 

Anders hingegen im Fall der Familienstiftung bei Variante b; danach begänne die Frist erst im Jahr 2020 mit dem Erbfall zu laufen. Die Pflichtteilsergänzungsansprüche könnten zu 100 Prozent eingeklagt werden; das bedeutet, dass die Stiftung rund 2,5 Mio. Euro zahlen müsste (zweimal die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von einem Viertel, d. h. ein Achtel für jeden der beiden leiblichen Abkömmlinge), Zugewinngemeinschaft unterstellt).

 

Nach anderer ‒ „stiftungsfreundlicherer“ ‒ Auffassung kommt der Eigenschaft der Stiftung als einer eigenständigen juristischen Person und dem damit verbundenen Dispositionsverlust des Schenkers ausschlaggebende Bedeutung zu, sodass die Frist stets zu laufen beginnt (Werner, ZEV 2014, 66 (70); ebenso: BeckOGK/A. Schindler, 01.12.2019, BGB § 2325 Rn. 275, 276; Schauer, npoR 2018, 49 [53]). Bei der Ausstattung einer Stiftung kann die Frist frühestens mit der Anerkennung der Stiftung beginnen. Soweit das zugesagte Vermögen mit der Anerkennung der Stiftung durch die Stiftungsbehörde von Gesetzes wegen auf die Stiftung übergeht, löst die Anerkennung die Zehnjahresfrist aus (BeckOGK/A. Schindler, 01.12.2019, BGB § 2325 Rz. 242).

 

  • Auswirkung auf die Variante b

Nach dieser Auffassung hat die Frist auch bei der Familienstiftung in Variante b mit Anerkennung der Stiftung und anschließender Vermögensübertragung im Dezember 2009 zu laufen begonnen. Die leiblichen Abkömmlinge könnten nicht mehr erfolgreich Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Stiftung geltend machen (Pflichtteilsansprüche in Bezug auf das im Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandene restliche Vermögen bleiben unbenommen).

 

PRAXISTIPP | Für die zweite Auffassung spricht insbesondere, dass eine rechtsfähige Stiftung nach ihrer Anerkennung durch den Gesetzgeber eine rechtlich selbstständige juristische Person ist. Vermögen, das auf eine solche Person übertragen wird, unterliegt nicht mehr der Disposition des Stifters, sondern der Verwaltung der Stiftungsorgane, die bei ihrer Tätigkeit wiederum umfassend durch den Stiftungszweck gebunden sind.

 

Der Fall: Stifter als Vorstand der Stiftung

Ist der Stifter Mitglied im Vorstand der Stiftung, wird dazu in der Literatur für den Fall einer Zuwendung an eine steuerbegünstigte Stiftung (Variante a) die Meinung vertreten, dass eine Hemmung des Fristlaufs nach § 2325 Abs. 3 BGB nicht in Betracht kommt. Denn bei einer steuerbegünstigten Stiftung sei deren Zweck ‒ anders als bei einer Familienstiftung (Variante b) ‒ gerade nicht auf die Versorgung des Stifters und seiner Familie gerichtet.

 

  • Selbst wenn der Stifter zugleich Mitglied des Vorstands der Stiftung sei, komme der Gegenstand gemäß Satzung ausschließlich gemeinnützigen Zwecken zugute. Der Vorstand habe sich bei seinen Entscheidungen stets am Stiftungszweck zu orientieren. Er habe daher nicht die Möglichkeit, Stiftungsvermögen einzusetzen, um den Stifter und seine Familie zu versorgen. Dies führe letztlich dazu, dass eine wirtschaftliche Ausgliederung der vom Stifter auf die Stiftung übertragenen Gegenstände nicht deshalb zu verneinen sei, weil der spätere Erblasser Mitglied des Stiftungsvorstands sei (DNotI-Report 2013, 121 [123]; ebenso: Werner, ZEV 2014, 66 [70]).

 

  • Das Vermögen scheidet mit der Zuwendung an die Stiftung aus dem Vermögen des Stifters bzw. Erblassers aus. Es untersteht nicht mehr seiner willkürlichen Verfügungsmacht. Es verbleibt kein Vermögenswert, über den der Stifter weiter frei verfügen kann (Schauer, npoR 2018, 49 [53]).

 

  • Gegen eine Hemmung des Fristlaufs spricht außerdem, dass ein fristhemmendes Nutzungsrecht nach der Rechtsprechung des BGH eine „ausdrücklich vereinbarte und schuldrechtlich verbindliche Gestattung […]“ und nicht lediglich eine „[…] rein faktische Nutzung […]“ des verschenkten Gegenstands erfordert. Ein verbindlicher Anspruch des Stifters gegenüber der Stiftung kommt nur in Betracht, wenn sich der Stifter im Stiftungsgeschäft einen satzungsmäßigen Anspruch auf Stiftungsleistungen ausbedungen hat, woran es im Regelfall bereits fehlt (Schauer, npoR 2018, 49 [53]). Aber selbst, wenn ein solcher Anspruch besteht (dies ist hier nach der Stiftungssatzung zumindest in Variante b der Fall), ist dieser regelmäßig nicht auf die Nutzung des konkret zugewendeten Vermögensgegenstands gerichtet. Es besteht damit ein wesentlicher, qualitativer Unterschied zum Vorbehalt eines Nutzungsrechts an dem konkreten, zugewendeten Vermögensgegenstand. Für den vergleichbaren Fall bei Vorbehalt einer Rentenschuld oder dauernden Last verneint die überwiegende Ansicht eine Hemmung, weil mit der Zuwendung eine Entkopplung der vorbehaltenen Leistungsansprüche vom zugewendeten Vermögensgegenstand erfolgt (Schauer, npoR 2018, 49 [53]).

 

  • Zudem hat der BGH bei Vorbehalt eines Wohnungsrechts besonderes Gewicht darauf gelegt, ob dem Schenker ein „alleiniges Nutzungsrecht unter Ausschluss“ des Beschenkten vorbehalten sei. Ein solches „Ausschlussrecht“ steht dem Stifter aber nicht zu. Weder kann er als Destinatär oder Vorstand die Stiftung von der Nutzung des zugewendeten Vermögens ausschließen noch genießt er als Destinatär Exklusivität; die „Stiftung für den Stifter“ ist unzulässig (Schauer, npoR 2018, 49 [53]).

 

  • Vermögen, das der Stiftung vom Stifter zugewendet worden ist, unterliegt nicht mehr seiner Disposition, sondern allein der der Stiftungsorgane. Auch wenn der Stifter Mitglied des Stiftungsvorstands sei, könne er nicht mehr nach seinem Gutdünken über dieses Vermögen verfügen, sondern sei an Stiftungssatzung und -zweck gebunden (Werner, ZEV 2014, 66 [70]).

 

  • Auswirkung auf die Variante b

Nach dieser Ansicht wird auch in diesem Fall ‒ d. h. Variante b ‒ der Lauf der Frist des § 2325 Abs.r 3 BGB bereits mit der Übertragung des Vermögens auf die Stiftung (hier: Dezember 2009) und nicht erst mit dem Eintritt des Erbfalls (hier: im Jahr 2020) in Gang gesetzt. Die leiblichen Abkömmlinge könnten nicht mehr erfolgreich Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Stiftung geltend machen.

 

Der Fall: Ehefrau des Stifters als Destinatärin

Last but not least stellt sich die Frage, ob § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB analog angewandt werden muss, wenn der Ehegatte des Stifters zu den Begünstigten der Stiftung gehört:

 

  • Nach einer Auffassung führt z. B. die Einräumung eines Nießbrauchs zu Gunsten der Ehefrau nach dem Rechtsgedanken des § 2325 Abs. 3, HS. 2. BGB nicht zu einem „Genussverlust“ auf Seiten des Erblassers. Dieser Gedanke soll auf die vorliegende Situation der Einräumung einer Begünstigtenstellung bei einer Familienstiftung übertragbar sein, was zur Folge hätte, dass die Begünstigung der Ehefrau dem Erblasser quasi pflichtteilsergänzungsrechtlich zugerechnet und damit der gesamte Vorgang „infiziert“ werde. Voraussetzung sei aber eine Begünstigungsquote des Ehegatten, die noch als wesentlich im Sinne der Rechtsprechung zu qualifizieren wäre (Cornelius, ZErb 2006, 230 [234/235]).

 

  • Nach anderer Auffassung hemmt auch eine Destinatärsstellung des Ehegatten des späteren Erblassers den Fristlauf nach § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB nicht. Gegenstand der Pflichtteilsergänzung ist die Zuwendung des Erblassers an die Stiftung und nicht, wie für § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB erforderlich, eine Zuwendung des Erblassers an den Ehegatten. Auch wenn der Erblasser einen Vermögensgegenstand an einen Dritten verschenkt und seinem Ehegatten den Nießbrauch an dem verschenkten Gegenstand zuwendet, hemmt der Zuwendungsnießbrauch nicht den Fristlauf nach § 2325 Abs. 3 BGB in Bezug auf den Vermögensgegenstand. Vielmehr unterliegt der Zuwendungsnießbrauch als eigenständige Zuwendung der Pflichtteilsergänzung (Schauer, npoR 2018, 49 [53]).

 

  • Auswirkung auf die Variante b

Gegen die erstgenannte Auffassung sprechen ferner der Ausnahmecharakter der Norm und die daraus resultierende Analogiefähigkeit (vgl. BeckOGK/A. Schindler, 01.12.2019, BGB § 2325 Rn. 299). Nach der zweiten ‒ aus unserer Sicht richtigen ‒ Anischt käme es i‒ in Variante b ‒ auf die Destinatärsstellung der Ehefrau des Stifters nicht an.

 

Der Fall: Vorbehaltsnießbrauch

Der BGH entschied mit Urteil vom 27.04.1994 zum (Total-)Nießbrauchsvorbehalt, dass die Schenkung unabhängig von ihrem dinglichen Vollzug ergänzungspflichtig bleibe. Und zwar dann, wenn der Erblasser den Gegenstand aufgrund eines vorbehaltenen dinglichen Rechts oder einer schuldrechtlichen Vereinbarung bis zu seinem Tode selbst weiter nutze. Er habe dann noch nicht den von der Rechtsprechung zur Verhinderung von Missbrauch verlangten spürbaren Vermögensverlust erlitten (BGH, DNotZ 1994, 784).

 

Gleiches gilt beim Vorbehalt eines Quotennießbrauchs, sofern dieser als Vorbehalt der „wesentlichen Nutzungen“ angesehen werden kann. Insoweit ist umstritten, ob für den Vorbehalt der „wesentlichen Nutzungen“ auf eine 50- Prozent-Grenze hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten abzustellen ist. Da der BGH für die Frage der wirtschaftlichen Ausgliederung immer alle Umstände des konkreten Einzelfalls würdigen will, lassen sich wohl keine festen Wertgrenzen festlegen (DNotI-Report 2013, 121 [122].

 

  • Auswirkung auf die Variante c

Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB begann nach allen Ansichten wegen der gleichzeitigen Einräumung des Vorbehaltsnießbrauchs noch nicht mit der Übertragung des Vermögens auf die Stiftung zu laufen. Die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen die Stiftung erscheint erfolgversprechend.

 

 

Quelle: Seite 111 | ID 46403169