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· Einkommensteuer

Teure Fehler bei der Beurteilung der Leistungen einer Praxisausfallversicherung vermeiden

Bild: ©kalhh - pixabay.com

von Dipl.-Finanzw. Marvin Gummels, Hage, steuer-webinar.de

| Egal ob das Coronavirus die Schließung der Praxis verursacht hat oder ob ein privater Unfall den Inhaber für längere Zeit aus dem Verkehr zieht ‒ die betrieblichen Kosten der Praxis wie Personal oder Miete laufen weiter. Mangels Einnahmen können diese Kosten die berufliche Existenz bedrohen. Davor schützt eine Praxisausfallversicherung. Doch wie sind die Versicherungsleistungen und die zuvor entrichteten Versicherungsprämien steuerlich einzuordnen? Erfahren Sie hier, warum diese Frage nicht trivial ist und wie sich regelmäßig eine Besteuerung der Versicherungsleistung umgehen lässt. | 

Einordnung der Prämie nach dem versicherten Risiko

Eine Praxisausfallversicherung richtet sich vorwiegend an niedergelassene (Zahn-)Ärzte, Therapeuten und verkammerte Berufe (z. B. Heilpraktiker, Apotheker, Rechtsanwälte, Steuerberater). Die Versicherung springt bei vorübergehender Betriebsunterbrechung infolge von Unfall, Krankheit oder behördlich angeordneter Quarantäne ein. Es werden von der Versicherung die fortlaufend betrieblich veranlassten Kosten erstattet.

 

  • Beispiel

Physiotherapeut Müller hat eine Praxisausfallversicherung abgeschlossen und zahlt hierfür jährlich 800 Euro. Versichert sind Ausfälle durch Krankheit und Unfall. Auf die Versicherung von behördlichen Schließungen wurde verzichtet. Herr Müller erleidet im Jahr 2019 einen Bandscheibenvorfall und muss seine Praxis vorübergehend für vier Monate schließen. Der Versicherungsfall tritt ein und die Versicherung leistet Ersatz im Gesamtwert von 40.000 Euro für

  • die Lohnkosten der drei angestellten Physiotherapeuten (jeweils monatlich 2.500 Euro),
  • die laufenden Mieten für die Praxis nebst Nebenkosten (monatlich 1.000 Euro) sowie
  • weitere laufende Kosten (monatlich 1.500 Euro).
 

Ohne weiteres Hintergrundwissen ist man schnell geneigt, die Versicherungsprämien als unbeschränkt abzugsfähige Betriebsausgabe zu behandeln. Schließlich ist unterm Strich die Praxisunterbrechung und damit ein „offensichtlich“ betriebsbezogener Sachverhalt versichert. Entsprechend müssten die erhaltenen Leistungen im Versicherungsfall Betriebseinnahmen darstellen und damit der vollständigen Ertragsbesteuerung unterliegen.

 

Einordnung durch die Rechtsprechung

Die Rechtsprechung sieht das allerdings etwas differenzierter. Ob Versicherungsprämie und Versicherungsleistung betrieblich veranlasst sind, beurteilt sich nach der Art des versicherten Risikos:

 

  • Die Versicherung umfasst betriebliche Risiken (z. B. Schutz vor bestimmten berufs- oder betriebsspezifischen Gefahren wie Berufskrankheiten, Arbeitsunfällen oder behördlich verfügten Schließungen):
    • Versicherungsprämie ist Betriebsausgabe
    • Versicherungsleistung ist Betriebseinnahme

 

  • Die Versicherung umfasst private Risiken (z. B. Tod, Unfall, Krankheit und die damit verbundenen Vermögenseinbußen):
    • Versicherungsprämie ist allenfalls Sonderausgabe
    • Versicherungsleistung ist nicht steuerbar

 

  • Beispiel

Nach diesen Grundsätzen entschied der Bundesfinanzhof (BFH, 19.05.2009, Az. VIII R 6/07) z. B. bei einer Ärztin, dass die Versicherung von Krankheit (von Sonderfällen der Berufskrankheit abgesehen) kein betriebliches, sondern ein privates Risiko darstellt. Folglich seien die Versicherungsprämien den Kosten der privaten Lebensführung zuzuordnen und nicht als Betriebsausgabe zu berücksichtigen. Andererseits unterlägen etwaige Versicherungsleistungen keiner Besteuerung. Als Beispiel für eine betriebliche Veranlassung verwies der BFH im selben Urteil auf die versicherte Gefahr von behördlich verfügten Schließungen einer Arztpraxis. Die hierfür gezahlten Prämien seien als Betriebsausgabe abzugsfähig, Leistungen seien als Betriebseinnahme zu versteuern.

 

Wichtig | Für die Einordnung des Risikos (betrieblich/privat) ist nicht entscheidend, welche Aufwendungen im Versicherungsfall zu erstatten sind (z. B. Betriebsausgaben). Es kommt einzig und allein darauf an, ob die versicherte Gefahr durch die Praxis veranlasst wird oder nicht. Realisiert sich ein betriebliches Risiko, sind auch die finanziellen Folgen mittelbar durch den Betrieb veranlasst. Realisiert sich ein Risiko der privaten Sphäre, werden die finanziellen Folgen durch das der Privatsphäre zuzurechnende Ereignis ‒ und nicht durch die Praxis ‒ verursacht.

 

Es lassen sich eindeutig Parallelen zur Krankentagegeldversicherung ziehen. Auch diese Versicherung soll einen Ausgleich von krankheitsbedingten Ausfällen abdecken. Die Versicherungsleistungen sind ebenfalls (da ein privates Risiko versichert wurde) nicht steuerpflichtig (BFH 26.08.1993, Az. IV R 35/92).

 

  • Gegenüberstellung: falsche und richtige Beurteilung der Versicherung

Und so sieht die falsche und die richtige Lösung im Vergleich aus: P erhält an Versicherungsleistungen insgesamt 40.000 Euro. Der ohne Versicherungsprämie und Versicherungsleistung ermittelte Gewinn für 2019 beläuft sich auf 60.000 Euro, das zu versteuernde Einkommen auf 50.000 Euro. Herr Müller ist alleinstehend und gehört keiner Konfession an.

 

Lösung 1 (falsche Beurteilung der Versicherung)

zu versteuerndes Einkommen bisher

50.000 Euro

Minderung um Versicherungsprämie

‒    800 Euro

Erhöhung um Versicherungsleistung

+ 40.000 Euro

zu versteuerndes Einkommen neu

89.600 Euro

darauf entfallende Steuer (ESt und Soli)

30.437 Euro

 

Lösung 2 (richtige Beurteilung der Versicherung)

zu versteuerndes Einkommen ohne Berücksichtigung des Versicherungsvorgangs

50.000 Euro

darauf entfallende Steuer (ESt und Soli)

12.971 Euro

wegen falscher Beurteilung zu viel gezahlte Einkommensteuer

17.466 Euro

 

 

Folgen für die Beurteilung von Leistung und Prämien

Bei Zahlung der Versicherungsleistung im Schadensfall ist die Beurteilung einfach. Erfolgt die Zahlung aufgrund einer betrieblichen Ursache, liegen Betriebseinnahmen vor, andernfalls ein nicht steuerbarer Zufluss.

 

Etwas komplizierter wird es bei der zutreffenden Behandlung der Versicherungsprämien. Glücklicherweise hat der BFH (Urteil vom 19.05.2009, Az. VIII R 6/07) angemerkt, dass bei sowohl betrieblich als auch privat versicherten Risiken § 12 Nr. 1 EStG dem Abzug von anteiligen Versicherungsprämien nicht entgegensteht. Vor dem Hintergrund, dass die Versicherungen von den Versicherungsgesellschaften mit unterschiedlichem Schutzumfang angeboten werden und die Prämienhöhen entsprechend differieren, ist eine Abgrenzung der betrieblichen von der privaten Sphäre möglich (ähnlich wie bei einer gemischten Unfallversicherung). Maßstab für den anteiligen Betriebsausgabenabzug ist das Verhältnis der Prämien mit und ohne betrieblichem Versicherungsteil. Diese Auffassung zur Aufteilung von gemischt veranlassten Aufwendungen hat die Finanzverwaltung übernommen (BMF vom 06.07.2010, Az. IV C 3 - S - 2227/07/10003).

 

PRAXISTIPP | Ist eine Beitragsaufteilung aus der Versicherungspolice nicht erkennbar, bitten Sie den Versicherungsvertreter, den betrieblichen Anteil zu ermitteln. Anhand einfacher Berechnungen sollte ihm dies in kurzer Zeit möglich sein.

 

Besonderheiten bei privater Veranlassung

Sollte aus der Beurteilung nach alledem folgen, dass ein privates Risiko versichert wurde, sind ein paar Besonderheiten zu beachten.

 

1. Keine betriebliche Willkürung der Versicherung

Grundsätzlich können bei der Gewinnermittlung Wirtschaftsgüter (u. a. auch Versicherungen), die zu 10 bis 50 Prozent geeignet sind, den Betrieb zu fördern, dem Betriebsvermögen zugerechnet werden (sog. gewillkürtes Betriebsvermögen). Die damit verbundenen Kosten mindern so den Gewinn und die daraus entstehende Steuerlast. Umgekehrt werden Gewinn und Steuerlast durch Leistungen der Versicherung im Schadensfall erhöht. Für die o. g. Praxisausfallversicherung scheidet die Willkürung aus. Eine private Versicherung, die steuerrechtlich gesehen gerade keinen betrieblichen Zusammenhang hat, ist ‒ wie eine allgemeine Krankenversicherung ‒ nicht geeignet, den Betrieb zu fördern. Sie kann daher nicht dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeordnet werden ‒ selbst dann nicht, wenn die Beiträge in der Vergangenheit irrtümlicherweise vollständig als Betriebsausgabe geltend gemacht wurden.

 

2. Progressionsvorbehalt bei privat veranlasster Entschädigung?

Wie bei allen Entgeltersatzleistungen stellt sich bei fehlender Einkunftsart nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ‒ 7 Einkommensteuergesetz (EStG) die Frage, ob die Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Das ist nicht der Fall: Leistungen aus einer Praxisausfallversicherung sind nicht im § 32b EStG aufgeführt und unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt.

 

3. Mindert die nicht steuerpflichtige Entschädigung die Betriebsausgaben?

Da im privat veranlassten Versicherungsfall die laufenden betrieblichen Kosten nicht steuerbar erstattet werden, stellt sich die Frage, ob der Betriebsausgabenabzug der erstatteten Kosten im Umfang der Entschädigung gekürzt werden muss. Zwei Kürzungsvorschriften kämen hierfür in Betracht:

 

  • Kürzung nach § 3c EStG? Nach dieser Vorschrift werden Ausgaben lediglich bei direktem wirtschaftlichem Zusammenhang zu steuerfreien Einnahmen vom Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Die Versicherungsprämie ist allerdings nicht steuerbar und nicht steuerfrei. § 3c EStG steht dem Betriebsausgabenabzug also nicht entgegen.

 

  • Kürzung wegen Zusammenhang mit nicht steuerbaren Einnahmen? Ausgaben, die durch die Erzielung von nicht steuerbaren Einnahmen veranlasst sind, erfüllen ebenfalls nicht den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenbegriff. Das gilt jedoch nur für Ausgaben, welche nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung mit den nicht steuerbaren Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, also ohne diese nicht angefallen wären (z. B. Portokosten für die Beantragung der nicht steuerbaren Versicherungsleistung). Das ist bei den fortlaufenden Betriebsausgaben gerade nicht der Fall. Diese entstehen nicht durch die nicht steuerbaren Einnahmen, sondern die Einnahmen entstehen durch die Ausgaben. Auch nach diesem Grundsatz hat keine Kürzung zu erfolgen. Entsprechend hat auch der BFH sich zu keiner Betriebsausgabenkürzung veranlasst gesehen (Urteil vom 19.05.2009, Az. VIII R 6/07).

Quarantäne als betriebliches/privates Risiko

Bei Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und Quarantänemaßnahmen gilt Folgendes:

 

  • Schließung der Praxis durch behördlich angeordnete Quarantäne: Die Versicherungsleistung steht im Zusammenhang mit einem versicherten betrieblichen Risiko und stellt eine Betriebseinnahme dar.

 

  • Praxisinhaber erkrankt an Corona und kann Betrieb nicht fortführen: Die Erkrankung stellt ein versichertes privates Risiko dar, die Versicherungsleistung ist nicht steuerbar.

 

Diese Beurteilung ergibt sich ebenfalls aus dem Urteil des BFH vom 19.05.2009. Ein versichertes Risiko wird als betrieblich veranlasst beurteilt, wenn infolge einer ordnungsbehördlichen Maßnahme zum Schutz der Patienten der Praxisbetrieb nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Quelle: Seite 17 | ID 46847814