· Fachbeitrag · Dokumentenpauschale
Elektronischer PfÜB-Antrag: Erstattung der Mehrkosten des Gläubigers?
von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin
| Häufig kommt es bei elektronischen PfÜB-Anträgen (§ 829a ZPO) zu folgendem Problem: Das Gericht erlässt den PfÜB, fügt diesem aber als Anlage den Antrag des Gläubigers (Seite 1 des gesetzlichen Formulars), dessen Versicherung (§ 829a Abs. 1 Nr. 4 ZPO) sowie das ausgedruckte, mehrere Seiten umfassende Protokoll der bei Gericht gefertigten elektronischen Signaturprüfung (§ 130a Abs. 3 ZPO) bei. Der den PfÜB zustellende Gerichtsvollzieher vermerkt auf der für den Gläubiger bestimmten Ausfertigung hinsichtlich der Dokumentenpauschale nach Nr. 700 KV GvKostG: „keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung“. Bei der späteren Vollstreckung hat der Gläubiger aufgrund des Vermerks des Gerichtsvollziehers daher regelmäßig Probleme, die Dokumentenpauschale vom Schuldner erstattet zu erhalten. Bleibt der Gläubiger wegen der beigefügten Anlagen zum PfÜB auf den Mehrkosten der Dokumentenpauschale sitzen? |
1. Vermerk des Gerichtsvollziehers: Zustellungs- und nicht Vollstreckungsorgan
Im Rahmen des Vollstreckungsauftrags muss das Vollstreckungsorgan die Notwendigkeit der Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO und damit ihre Erstattungsfähigkeit prüfen (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 788 Rn. 15 m. w. N.). Vollstreckungsorgan für den Erlass des PfÜB ist aber nicht der Gerichtsvollzieher, sondern das Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 1 ZPO), das aufgrund eines Vollstreckungsauftrags des Gläubigers (§ 753 Abs. 1 ZPO) tätig wird.
Da der Gläubiger den PfÜB im Parteibetrieb zustellen muss (§ 829 Abs. 2 S. 1 ZPO), folgt daraus: Der Gerichtsvollzieher wird nur als Zustellungsorgan tätig: Er führt nach § 192 Abs. 1 ZPO für den Gläubiger ‒ ggf. gemäß § 192 Abs. 3 ZPO unter Vermittlung der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts ‒ die Zustellung aus. Die Aufgaben des Gerichtsvollziehers erschöpfen sich somit in der
- Herstellung der beglaubigten Abschriften des zuzustellenden PfÜB (§ 192 Abs. 2 S. 2 ZPO, § 16 Abs. 2. S. 6 GVGA) bzw. der Prüfung der ordnungsgemäßen Beglaubigung der ihm mit dem PfÜB übergebenen Abschriften (§ 16 Abs. 3 S. 1 GVGA),
- Zustellung der beglaubigten Abschriften des PfÜB an den Drittschuldner und Schuldner (§ 192 Abs. 1 ZPO, §§ 17-23 GVGA) und
- Beurkundung (Zustellungsurkunde) der ordnungsgemäßen Zustellung des PfÜB (§ 193 ZPO, § 24 GVGA).
MERKE | Dem Gerichtsvollzieher obliegt hier keine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Kosten der Zwangsvollstreckung. Sein Vermerk kann keine weitere Rechtswirkung entfalten und bindet weder die Parteien des Vollstreckungsverfahrens noch die anderen Vollstreckungsorgane. |
2. Notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung
Ob Kosten notwendig und damit erstattungsfähig sind, bestimmt sich nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt, in dem die Kosten durch die Vollstreckungsmaßnahme verursacht sind (BGH Rpfleger 03, 596). Entscheidend ist, ob der Gläubiger die Maßnahme zu dieser Zeit objektiv für erforderlich halten durfte (BGH AGS 05, 416 m. Anm. Mock). Nicht notwendig sind grundsätzlich zwar auch ungerechtfertigte Mehrkosten (Zöller/Herget, a. a. O.). Sie müssen aber durch den Gläubiger selbst vermeidbar gewesen sein. Daran fehlt es in diesem Fall.
Beachten Sie | Insoweit verhält sich der Gerichtsvollzieher auch widersprüchlich, wenn er einerseits meint, bei den Mehrkosten der Dokumentenpauschale handele es sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung, er es aber (berechtigterweise) für geboten erachtet, den PfÜB samt Anlage vollständig zuzustellen.
3. Vorgehen des Vollstreckungsgerichts
Der Gläubiger ist seit dem 1.11.14 nach § 829 Abs. 4 S. 2 ZPO i. V. m. §§ 2 S. 1, 5 ZVFV verpflichtet, für den Antrag auf Erlass eines PfÜB verbindlich das gesetzlich dafür vorgesehene Antragsformular zu nutzen (BGH VE 16, 4). Der zuständige Rechtspfleger ist hinsichtlich des zu erlassenden Beschlusses (§ 764 Abs. 3 ZPO) allerdings nicht an das gesetzliche Antragsformular bzw. an dessen Inhalt gebunden. Er kann somit auch einen selbst konzipierten Beschluss erlassen (vgl. BR-Drucksache 326/12, S. 27). Allein der Rechtspfleger entscheidet daher über die konkrete Gestaltung und den Inhalt des PfÜB.
Der PfÜB muss bezeichnen
- die Parteien und den Drittschuldner,
- die (aufgeschlüsselte) Forderung des Gläubigers, die vollstreckt wird,
- die Anordnung der Pfändung unter Angabe der zu pfändenden Forderung des Schuldners an den Drittschuldner,
- das Verbot an den Drittschuldner, an den Schuldner zu zahlen (sog. Arestatorium) und
- das Verbot an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (sog. Inhibitorium).
MERKE | Weder der Antrag des Gläubigers selbst, noch seine evtl. Unterschrift oder gar eine Kopie des Protokolls der Signaturprüfung zwecks Authentizität des Erstellers der elektronischen Datei(en) sind notwendiger Inhalt eines PfÜB. |
Beachten Sie | Dieses unnötige Beifügen überflüssiger Seiten durch das Vollstreckungsgericht widerspricht auch den Zielen, die der Gesetzgeber mit dem elektronischen Rechtsverkehr verfolgt: Hierdurch sollen nämlich u. a. Papier- und Portokosten erspart werden (vgl. BT-Drucksache 15/4067, S. 2), was insbesondere den Managementregeln der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung für eine nachhaltige Entwicklung entspricht (vgl. BR-Drucksache 645/17, S. 8 f.). Auch sollen Wertungswidersprüche zwischen herkömmlichen Papierverfahren und elektronischem Verfahren vermieden werden, insbesondere, falls hierdurch Arbeits- und Kommunikationsprozesse schwerfälliger werden (vgl. BT-Drucksache 17/12634, S. 45).
Aufgrund der Verbindung der eingangs dargestellten Anlagen mit dem PfÜB sind diese Seiten aber Bestandteil (der Urschrift) des Beschlusses und damit auch Bestandteil der von der Geschäftsstelle des Gerichts für den Gläubiger herzustellenden beglaubigten Abschrift (§ 317 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Beachten Sie | Die in der Praxis noch häufig anzutreffende Handhabe der Gerichte, für den Gläubiger eine Ausfertigung des PfÜB herzustellen, ist nicht notwendig: Für die Zustellung an den Drittschuldner und Schuldner reicht eine beglaubigte Abschrift (Zöller/Herget, a. a. O., § 829 Rn. 14 mit Verweis auf BT-Drucksache 17/12634, S. 30; MüKo/Häublein, ZPO, 4. Aufl., § 166 Rn. 9, § 195 Rn. 4; BGH 21.2.19, III ZR 115/18; OLG Hamburg Magazindienst 18, 734; OLG Düsseldorf MDR 15, 967: Zustellung einer einstweiligen Verfügung).
Nach Anm. Abs. 3 Nr. 1 zu Nr. 9000 KV GKG ist für die Partei und ihren Bevollmächtigten jeweils eine vom Gericht hergestellte vollständige „Ausfertigung“ des PfÜB kostenfrei. Der Begriff „Ausfertigung“ meint nicht eine solche i. S. v. § 47 BeurkG oder der ZPO, sondern ein Dokument mit Urkundencharakter, das die zuständige Gerichtsperson unterschrieben hat, zur Herausgabe bestimmt ist und keine Urschrift darstellt (NK-GK/Volpert, 2. Aufl., Nr. 9000 KV GKG Rn. 7) ‒ also z. B. auch eine beglaubigte Abschrift.
PRAXISTIPP | Auf besonderen Antrag (AG Bad Segeberg NJW-RR 14, 510) des von einem Bevollmächtigten vertretenen Gläubigers muss das Gericht daher nicht nur eine, sondern auch eine weitere Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des PfÜB kostenfrei herstellen (AG Regensburg DGVZ 08, 82). Das erspart in der Folge Kosten beim Gerichtsvollzieher (Dokumentenpauschale Nr. 700 KV GVKostG bzw. Beglaubigungsgebühr Nr. 102 KV GvKostG), als auch den Arbeitsaufwand des Anwalts, der (insoweit kostenfrei, § 19 Abs. 1 S. 1 RVG) dann dem Gerichtsvollzieher lediglich noch ein weiteres von ihm beglaubigtes (§ 169 Abs. 2 S. 2 ZPO) Exemplar des PfÜB zu übergeben braucht. |
4. Dilemma des Gläubigers
Dem Gläubiger kann auch nicht entgegengehalten werden, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des PfÜB nur in Teilen (ohne Anlage) zuzustellen. Die Übergabe einer auf diese Art hergestellten mangelhaften beglaubigten Abschrift entfaltet im Zweifel keine Zustellungswirkung (Stöber, a. a. O., § 192 Rn. 7; s. o.). Dem Gläubiger kann aufgrund des damit eintretenden möglichen Verlusts der rangwahrenden Pfändungswirkung dieses Risiko nicht aufgebürdet werden.
Der Gläubiger kann auch nicht erfolgreich im Wege der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers vorgehen, da diesem keine unrichtige Sachbehandlung (§ 7 GvKostG) zur Last fällt. Auch ein Vorgehen beim Vollstreckungsgericht wegen unrichtiger Sachbehandlung (§ 21 GKG) ist ausgeschlossen, da die Mehrkosten schon nicht beim Gericht, sondern beim Gerichtsvollzieher verursacht wurden (Goebel, FoVo 18, 166, 168).
5. Fazit
Die Erstattung der Mehrkosten der Dokumentenpauschale des Gerichtsvollziehers für die Beglaubigung zusätzlicher Seiten der Anlage eines PfÜB kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, sie seien nicht notwendig und daher als Kosten der Vollstreckung vom Schuldner nicht zu erstatten (§ 788 Abs. 1 S. 1 ZPO). Der Gläubiger konnte nämlich solche Mehrkosten überhaupt nicht vermeiden. Das Vollstreckungsgericht ist seinen Weisungen nicht unterworfen und im Übrigen auch frei, seinen Beschluss zu gestalten. Den Gerichtsvollzieher anzuweisen, nur einen Teil der Beschlussurkunde zuzustellen, ist dem Gläubiger wegen der möglichen Unwirksamkeit der Pfändung nicht zuzumuten. Weder gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers noch beim Vollstreckungsgericht kann sich der Gläubiger erfolgreich zur Wehr setzen.
Folge: Der Schuldner ist somit verpflichtet, dem Gläubiger auch solche Mehrkosten zu erstatten, da es sich um notwendige Kosten der Vollstreckung (§ 788 Abs. 1 S. 1 ZPO) handelt. Insoweit ist allerdings nur ein Vollstreckungsorgan befugt, über die Notwendigkeit zu entscheiden, wenn es im Auftrag des Gläubigers als solches auch tätig wird. Wird der Gerichtsvollzieher aber lediglich als Zustellungsorgan tätig, unterliegt es nicht seiner Prüfungskompetenz, über die Notwendigkeit seiner Zustellungskosten zu entscheiden. Ein dennoch von ihm auf seiner Kostenrechnung aufgebrachter Vermerk kann somit keinerlei Rechtswirkung entfalten. Der insoweit am Ende mit diesen Mehrkosten belastete Schuldner müsste den Schadensausgleich ggf. über die Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG) beim Vollstreckungsgericht suchen.