· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Bankomat: Mietvertrag über Teilfläche formbedürftig
von RiOLG a. D., Günther Geldmacher, Düsseldorf
| Geldautomaten finden sich inzwischen in nahezu jedem Einkaufszentrum und zunehmend auch in der Gastronomie. Wird die hierfür benötigte Fläche entgeltlich für einen längeren Zeitraum als ein Jahr zur Verfügung gestellt, fragt es sich, ob der Vertrag der Schriftform des § 550 BGB unterliegt. Das hängt von der Rechtsnatur des Vertrags ab. Ein aktueller Fall des BGH (4.11.20, XII ZR 104/19, Abruf-Nr. 219193 ) gibt Anlass, die hiermit in Zusammenhang stehenden materiellen und prozessualen Fragen zu erörtern. |
1. Darum ging es
Beklagte B. als Mieterin hatte mit Vermieter V. einen entgeltlichen Vertrag über eine Teilfläche der von V. seinerseits gemieteten Pizzeria geschlossen. Dort wollte sie einen Geldautomaten installieren. Die Vorderseite des Vertragsformulars weist den Standort der Pizzeria, die Vertragsparteien und die Höhe der Miete aus. Sie ist abschließend von beiden Vertragsparteien unterschrieben. Auf der nicht unterzeichneten Rückseite des Vertragsformulars befinden sich die AGB der B. Darin heißt es unter § 1 Ziff. 1, dass die Mietfläche „in dem beigefügten Lageplan (Anlage 1)/Fotomontage eindeutig markiert“ ist und diese Mietfläche vom Mieter für das Aufstellen von Geldautomaten genutzt wird. Das auf fünf Jahre befristete Mietverhältnis beginnt nach § 2 Ziff. 1 S. 1 AGB mit der Inbetriebnahme des Geldautomaten und verlängert sich gemäß § 2 Ziff. 1 S. 2 AGB nach Ablauf der Festlaufzeit oder der Verlängerungsperiode jedes Mal um zwölf Monate, wenn es nicht spätestens sechs Monate zuvor gekündigt wird.
Wenig später unterzeichneten die Vertragsparteien eine Anlage, die wie folgt überschrieben ist: „Anlage: Anlage 1 zum Mietvertrag zwischen den namentlich aufgeführten Parteien. Das eingezeichnete Objekt kennzeichnet die Mietfläche nach § 1.1 des Vertrags.“ Die Anlage zeigt eine Fotomontage, bei der der geplante von außen bedienbare Geldautomat in einer Ansicht der Hausfassade eingefügt ist. Der Geldautomat wurde in 9/15 in Betrieb genommen.
V. kündigte das Mietverhältnis wegen Schriftformmangel ordentlich am 29.8.17 und vermietete die Mietfläche an ein Konkurrenzunternehmen der B. weiter, nämlich an die Klägerin K. B. bestätigte eine fristgerechte Kündigung erst zum Ablauf der regulären Vertragszeit. V. trat seinen Anspruch auf Rückgabe der näher bezeichneten Mietfläche an K. ab und ermächtigte sie, in seinem Namen auch weitere Erklärungen gegenüber B. abzugeben, um den Räumungsanspruch durchzusetzen. Weiter heißt es in dem Abtretungsvertrag, dass B. berechtigt und verpflichtet sei, die Mietfläche direkt an K. zu übergeben.
Die Räumungsklage scheitert in zweiter Instanz. Der BGH hebt das an sich zutreffende Berufungsurteil wegen Zeitablauf auf, da die vereinbarte Mindestvertragslaufzeit (30.9.20) während des Revisionsverfahrens abgelaufen ist.
2. Erfolgsaussichten der Räumungsklage
Die Räumungsklage konnte in den Instanzen nur Erfolg haben,
- wenn V. das Vertragsverhältnis gemäß § 550 S. 2 BGB i. V. m. § 578 Abs. 2 BGB wegen eines Schriftformmangels vorzeitig kündigen konnte und
- die Klägerin aktivlegitimiert war, den ihr abgetretenen Herausgabe- und Räumungsanspruch geltend zu machen.
3. Abgrenzung Automatenaufstellungs- und Geldautomatenaufstellungsvertrag
Der Geldautomatenaufstellungsvertrag ist nur nach § 550 BGB beurkundungspflichtig, wenn er als Mietvertrag einzustufen ist. Zweifel leiten sich daraus ab, dass ein Vertrag über die Aufstellung eines Spielautomaten in einer Gaststätte auch dann nicht formbedürftig ist, wenn er auf längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird (BGHZ 47, 202; NJW 78, 1155). Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass nicht mietrechtliche Elemente, sondern die Eingliederung des Automaten in den gewerblichen Betrieb eines anderen zum gemeinsamen Nutzen beider Vertragspartner das wesentliche und charakterisierende Merkmal des ‒ im Gesetz nicht gesondert geregelten ‒ Automatenaufstellvertrags ausmachen.
Beachten Sie | Der Automatenaufstellungsvertrag ist ein Gestattungsvertrag sui generis, dem die vertragstypischen Eckpunkte eines Mietvertrags fehlen. Dessen prägende Kennzeichen sind die mietvertraglichen Hauptleistungspflichten, das Mietobjekt zur vertragsgemäßen Nutzung zu überlassen und hierfür ein Entgelt zu zahlen. Hieran gemessen ist der Geldautomatenaufstellungsvertrag als Mietvertrag einzuordnen. Er unterliegt daher einer Laufzeitkontrolle nach §§ 578 Abs. 2, 550 S. 1 BGB. Diese fällt zugunsten der B. aus. Folge: Die ordentliche Kündigung des V. war unwirksam.
4. Allgemeine Anforderungen an die Einhaltung der Schriftform
Die Schriftform des § 550 BGB ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrags notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen ‒ insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses ‒ aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Da auch formbedürftige Vertragsklauseln grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind, reicht es aus, wenn der Inhalt der Vertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbar ist.
Zur Schriftform gehört auch, dass die Urkunde gemäß § 126 Abs. 1 und 2 BGB von den Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wird (BGH NJW 99, 1104).
Beachten Sie | Die beiderseitigen Unterschriften müssen den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen. Im Klartext: Die Unterschriften müssen unterhalb des Textes stehen und damit äußerlich die gesamte urkundliche Erklärung vollenden (BGH NJW-RR 90, 518; 00, 1108). Besteht der Mietvertrag aus Vor- und Rückseite, genügt es deshalb grundsätzlich nicht, nur die Vorderseite zu unterschreiben.
5. Schriftform des Ausgangsmietvertrags
Der Berufungsgericht hat daher zutreffend angenommen, dass die eigentliche Vertragsurkunde dem Schriftformerfordernis nicht genügt. Unterschrieben ist nur die Vorderseite des Vertragsformulars, nicht aber die Rückseite mit den abgedruckten AGB der B., die ebenfalls Vertragsgegenstand sind. Damit schließen die Unterschriften nicht den vollständigen Vertragsinhalt ab.
Beachten Sie | Nur wenn die unterschriebene Vorderseite einen ausreichenden Hinweis auf die rückseitigen AGB enthält, kann daraus formwahrend geschlossen werden, die geleisteten Unterschriften deckten auch diese Vertragsbestandteile. Hierfür genügt es nicht, dass lediglich in einzelnen Paragrafen des vorderen Vertragstextes auf die rückseitigen AGB Bezug genommen wird.
6. Wahrung der Schriftform durch Änderungsvereinbarung
Der formunwirksame Ausgangsmietvertrag ist heilbar. Für die Einhaltung der Schriftform ist es nicht erforderlich, dass schon die erste Vertragsurkunde selbst alle Schriftformvoraussetzungen erfüllt. Es genügt, wenn diese Voraussetzungen durch eine nachfolgende Änderungsvereinbarung gemeinsam mit der in Bezug genommenen ersten Vertragsurkunde erfüllt werden (BGH NJW 09, 2195; MK 13, 57). Hieran hält der BGH fest.
MERKE | Dabei kann es nach den Umständen des jeweiligen Falls auch genügen, wenn nur eine dem Vertrag beigefügte Anlage von den Parteien unterschrieben wird und hinreichend deutlich ist, auf welchen Vertrag sie sich bezieht. |
Wie bei einer Nachtragsvereinbarung (BGH MK 18, 14, Abruf-Nr. 197574) ist die Schriftform eingehalten, wenn zwischen der Anlage und dem Mietvertrag eine gedankliche Verbindung besteht, die erkennen lässt, dass die beiden Schriftstücke in ihrer Gesamtheit den Vertrag bilden sollen.
Wichtig | Die Schriftstücke müssen hierzu nicht körperlich verbunden werden. Für die Einheit der Urkunde genügt ihre bloße gedankliche Verbindung. Diese muss allerdings in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen (BGH MK 20, 125, Abruf-Nr. 214911; MK 08, 155, Abruf-Nr. 081734). Fehlt es hieran, ist die Urkundeneinheit nicht gewahrt.
PRAXISTIPP | Weist der Ausgangsmietvertrag einen Schriftformmangel auf, sollten Sie etwaige Nachtragsvereinbarungen oder später errichtete Anlagen sorgfältig darauf prüfen, ob diese die für die Wirksamkeit der vereinbarten Festlaufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags wahren. Insofern genügt es, dass der letzte Nachtrag die Urkundeneinheit mit dem Hauptvertrag herstellt. |
Der BGH teilt hier die Ansicht des Berufungsgerichts, die für die Wirksamkeit der vereinbarten Festlaufzeit erforderliche Schriftform des Mietvertrags (§ 550 S. 1 BGB i. V. m. § 578 Abs. 2 BGB) werde durch die später von beiden Vertragspartnern unterzeichnete Anlage 1 gewahrt. Diese nimmt ausdrücklich Bezug auf den schriftlichen Vertrag, indem in der Überschrift der Anlage 1 der streit-
gegenständliche Vertrag, die Mietvertragsparteien und der Mietgegenstand benannt werden. Zudem ist der Nachtrag als Anlage 1 bezeichnet, wie es § 1 Ziff. S. 1 der auf der Rückseite des Vertrags abgedruckten AGB der B. zur Bestimmung des Mietobjekts erfordert. Aus dieser Bezugnahme werden die gesamte Vertragsurkunde und die Anlage 1 zu einer gedanklichen Einheit verbunden, aus der sich der Inhalt des Vertrags ableitet. Bilden somit die Anlage 1 und die gesamte ursprüngliche Vertragsurkunde den Mietvertrag, decken die Unterschriften der beiden Parteien auf der Anlage 1 den gesamten Vertragsinhalt und schließen den Vertragstext räumlich ab, sodass die Schriftform nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BGB gewahrt ist.
7. Ausreichende Bezeichnung des Mietgegenstands
Das in erster Linie den potenziellen Erwerber schützende Schriftformerfordernis des § 550 S. 1 BGB ist nur erfüllt, wenn der Mietgegenstand im Mietvertrag individuell bestimmt oder zumindest bestimmbar bezeichnet ist. Die „Gretchenfrage“ lautet also: Kann ein Erwerber aus den Beschreibungen des Vertragstextes, einem beigefügten Foto oder aus einer Besichtigung vor Ort zweifelsfrei erkennen, welche Fläche vermietet ist? Das ist hier der Fall.
Bedenken der Revision, die Anlage 1 enthalte als Fotomontage nur die vordere Ansicht der Hausfassade, in die der Geldautomat eingefügt sei, und sei daher zur Größenausdehnung des Geldautomaten nach innen und damit zu den räumlichen Grenzen des vermieteten Raumteils nicht ausreichend bestimmt, teilt der BGH nicht. Zwar ist aus der Fotomontage nicht ersichtlich, welche Stellfläche im Inneren des Gastraums der Automat in Anspruch nimmt. Diese Fläche wird jedoch eindeutig durch die Größe eines handelsüblichen Geldautomaten begrenzt und ist damit auch für einen potenziellen Erwerber ‒ vor Aufstellung des Geldautomaten ‒ hinreichend erkennbar. Einer weiteren grafischen Darstellung der Stellfläche bedurfte es daher nicht.
8. Aktivlegitimation der Folgemieterin durch Abtretung
Anders als der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ist der schuldrechtliche Anspruch auf Rückgabe der Mietsache aus § 546 Abs. 1 BGB abtretbar (BGH NZM 09, 701; OLG München ZMR 96, 375). Erweist sich die Abtretung als unwirksam, kann sie als bloße Ermächtigung ausgelegt werden, den Herausgabe- und Räumungsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen (BGH NJW 83, 112).
MERKE | Wird der Räumungsanspruch ‒ wie hier ‒ an einen Dritten abgetreten, kann die Abtretung im Einzelfall nach § 3 RDG i. V. m. § 134 BGB nichtig sein. Das setzt aber voraus, dass es sich bei der Geltendmachung des Herausgabe- und Räumungsanspruchs um eine Rechtsdienstleistung handelt. Darunter ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten zu verstehen, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. |
Beachten Sie | Ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt (BGH NJW 16, 344; NJW 20, 208). Das ist hier die Klägerin. Diese hat ein unmittelbares Eigeninteresse an der Durchsetzung der an sie abgetretenen Ansprüche, um den von ihr mit dem Vermieter abgeschlossenen Nachfolgemietvertrag realisieren zu können. Damit liegt keine fremde Angelegenheit i. S. v. § 2 Abs. 1 RDG vor.
9. Klageänderung wegen Ablauf der Mietzeit im Revisionsverfahren
Zwar hat das Berufungsgericht die Herausgabe- und Räumungsklage zutreffend abgewiesen. Gleichwohl stellt der BGH das erstinstanzliche Räumungsurteil wieder her. Die Besonderheit besteht hier darin, dass die Mietzeit während des Revisionsverfahrens endete und die Beklagte daher nach § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe verpflichtet war. Hierauf hatte sich die Klägerin auch berufen. Handelte es sich dabei um eine Klageänderung, wäre diese im Revisionsverfahren unzulässig gewesen (§ 559 Abs. 1 ZPO).

Der Streitfall liegt aber anders: Streitgegenstand ist hier die Räumung und Herausgabe, ohne dass dieses Räumungsbegehren auf einen konkreten Zeitpunkt bezogen war. Der Ablauf der Vertragslaufzeit und die Kündigung, die einer Verlängerung des Vertrags nach § 2 Ziff. 1 S. 2 der AGB entgegensteht, ergeben sich aus dem von der Klägerin vorgetragenen Lebenssachverhalt, ohne dass dieser während des Verfahrens von ihr geändert oder ergänzt wurde. Dass die Kündigung nicht zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat, sondern einer Verlängerung des befristeten Mietvertrags entgegensteht, ist nur eine geänderte rechtliche Bewertung des Lebenssachverhalts.
Nach den Voraussetzungen des § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO können unstreitige Tatsachen ggf. einfließen ‒ so auch hier: Die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, aus denen sich ergibt, dass das Mietverhältnis mit Ablauf des 30.9.20 endete und es aufgrund der vom Vermieter erklärten Kündigung nicht über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert wurde, sind ebenso unstreitig wie der zwischenzeitlich hinzugetretene Zeitablauf. Ein schützenswertes Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses hat die Beklagte nicht, da sie die Kündigung mit Ablauf der Mindestlaufzeit des Vertrags selbst bestätigt hat.
Vergeblich hat die Beklagte sich auch darauf gestützt, dass sie während des Revisionsverfahrens einen neuen Mietvertrag ab 1.1.20 mit dem Vermieter geschlossen habe, der für fünf Jahre gelte, und den sie dem Räumungsverlangen entgegenhalten könne. Hierbei handelt es sich um neues tatsächliches und daher nicht zu berücksichtigendes Vorbringen (§ 559 Abs. 1 ZPO).