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· Fachbeitrag · DBA-Niederlande

Arbeitslohnbesteuerung eines niederländischen Berufskraftfahrers

von Prof. Dr. Ralf Jahn, Würzburg

In einer aktuellen Entscheidung hat das FG Düsseldorf zur Aufteilung von Arbeitslohn nach dem zwischen Deutschland und Niederlande bestehenden DBA Stellung genommen (FG Düsseldorf 13.11.18, 10 K 2203/16 E, EFG 19, 52; Revision unter BFH I R 45/18).

 

Sachverhalt

Ein Berufskraftfahrer, der seinen Wohnsitz in den Streitjahren 2013/14 in Deutschland hatte, war bei einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen angestellt. Bei seinen Touren fuhr er durch Deutschland, die Niederlande sowie sogenannte Drittstaaten (z. B. Belgien und Schweiz). Der Berufskraftfahrer war der Meinung, dass Deutschland nur den Teil seiner Einkünfte besteuern dürfe, der auf Tage entfällt, an denen er ausschließlich in Deutschland gefahren ist. Der übrige Teil seiner Einkünfte sei bereits in den Niederlanden versteuert worden. Das Finanzamt war anderer Ansicht: Nur der Arbeitslohn, der auf Tage entfiel, an denen der Kraftfahrer ausschließlich in den Niederlanden gefahren war, sei in Deutschland steuerfrei. Soweit er an einem Tag eine sowohl durch die Niederlande als auch durch andere Staaten führende Fahrtstrecke zurückgelegt habe, sei die Hälfte des anteiligen Arbeitslohns in Deutschland zu versteuern. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG jetzt dem FA Recht gegeben und die Klage des Berufskraftfahrers abgewiesen.

 

Anmerkungen

Das FG Düsseldorf hat die in Deutschland erfolgte Besteuerung des Berufskraftfahrers und die Anwendung des Progressionsvorbehalts für rechtmäßig erachtet und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

 

  • Deutschland steht nach dem in den Streitjahren 2013, 2014 geltende DBA-Niederlande 1959 das Besteuerungsrecht insoweit zu, als die Arbeit, für die der Berufskraftfahrer Einkünfte bezogen hat, nicht in den Niederlanden ausgeübt worden ist (Art. 10 Abs.1 DBA-Niederlande). „Ausgeübt“ wird die Tätigkeit dort, wo sich der Arbeitnehmer tatsächlich aufhält, maßgeblich ist die physische Anwesenheit im Tätigkeitsstaat (BFH 25.11.14, I R 27/13, BStBl II 15, 448).

 

 

MERKE | Bei Berufskraftfahrern, die ihre Fahrtätigkeit in mehreren Staaten ausüben, ist demnach wie folgt zu differenzieren:

 

  • Hat der Berufskraftfahrer einen inländischen Wohnsitz, während sein Arbeitgeber in einem anderen EU-Vertragsstaat ansässig ist, hat Deutschland das Besteuerungsrecht für die Arbeitslohnteile, die auf Tätigkeiten im Inland entfallen.
  • Soweit der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers ausführt, steht das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat (im Streitfall also den Niederlanden zu (Art. 15 Abs. 1 OECD-MA).
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  • Übt der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in einem Drittstaat aus, also weder in Deutschland noch einem EU-Vertragsstaat (hier Niederlande), steht das Besteuerungsrecht auf die im Drittstaat entfallende Vergütung Deutschland als Wohnsitzstaat des Berufskraftfahrers zu, soweit das DBA mit dem Drittstaat nichts Abweichendes regelt. Dauert die Tätigkeit im Drittstaat nicht mehr als 183 Tage/Jahr, bleibt das Besteuerungsrecht stets beim deutschen Fiskus (FG Rheinland-Pfalz 24.3.05, 6 K 1664/04, FG-Report 05, 82; BMF 12.11.14, IV B 2 - S 1300/08/10027 2014/0971694, BStBl I 14, 1467).
 
  • Die Vergütung für die Tage, an denen der Fahrer sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland und/oder in einem Drittstaat Fahrtstrecken zurückgelegt hat, ist aufzuteilen. Entgegen der Verwaltungsauffassung (BMF 19.9.11, IV B 3 - S 1301 - LUX/07/10002 20111/0736274, BStBl I, 849) muss diese Aufteilung nicht zwingend hälftig erfolgen. Eine Aufteilung kann nach Ansicht des FG Düsseldorf anhand der im jeweiligen Staat erbrachten Arbeitsstunden erfolgen, wenn die jeweiligen Arbeitsstunden aufgezeichnet oder sonst ermittelbar sind (z. B. im Fahrtenbuch mit Aufzeichnung von Fahrtantritt und Fahrtende; Lenkzeitunterbrechungen etc.).

 

  • Fehlen entsprechende Angaben zu den Fahrtzeiten, ist der Umfang der Tätigkeiten zu schätzen (§ 162 AO). Im Streitfall lagen keine Anhaltspunkte für eine andere als die vom Beklagten vorgenommene Schätzung vor. Die Schätzung mit hälftiger Aufteilung der Arbeitsstunden und Zuweisung entsprechender Besteuerungsrechte war deshalb nicht zu beanstanden.

 

Relevanz für die Praxis

Das Urteil ist über den Einzelfall hinaus auch für andere Berufskraftfahrer mit grenzüberschreitender Fahrtätigkeit von Bedeutung. Das Besteuerungsrecht richtet sich stets danach, in welchem Staat der Berufskraftfahrer gerade seine Tätigkeit ausübt, d. h. mit dem Fahrzeug seines Arbeitgebers unterwegs ist.

 

Das FG Düsseldorf hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die niederländische Besteuerung aus seiner Sicht teilweise zu Unrecht erfolgt ist. Die dadurch eintretende Doppelbesteuerung kann der Steuerpflichtige aber nur durch ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA Niederlande beseitigen (BFH 31.3.04, I R 88/03, BStBl II 04, 936).

 

Das FG ist im Prozess nicht zwingend an die Schätzung des FA (§ 162 AO) gebunden, sondern kann diese auch im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis ersetzen (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO).

 

Weiterführender Hinweis

  • Das BMF hat zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern sein Merkblatt aktualisiert: BMF 9.10.18, IV B 2-S-1304/17/10001. Das Merkblatt ist auf der Homepage des BMF oder unter www.iww.de/s2730 abrufbar.
Quelle: Seite 154 | ID 45653685