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· Fachbeitrag · Arbeitsrecht

Wann und wie lange besteht ein Anspruch auf Rückerstattung von Fortbildungskosten?

von RA Martin Brilla, Aachen

| Finanziert der Arbeitgeber die berufliche Fortbildung seines Arbeitnehmers, dann möchte er die Früchte dieser Ausgaben naturgemäß möglichst lange nutzen. Scheidet ein Mitarbeiter früher als erwartet aus, wird der Arbeitgeber die Bildungsinvestitionen zurückfordern wollen. Dazu muss jedoch zuvor eine entsprechende Vereinbarung getroffen worden sein, die den Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung genügt, weil er ansonsten völlig leer ausgeht. |

1. Keine Rückforderung ohne Vereinbarung

Hat der Arbeitgeber die Kosten einer Aus- oder Fortbildung übernommen, ohne diesbezüglich eine weitere Vereinbarung zu treffen, kann er diese nicht zurückfordern, wenn der Arbeitnehmer unerwartet früh ausscheidet. Da es unwahrscheinlich ist, dass der Arbeitnehmer freiwillig zahlt, ist eine vertragliche Regelung erforderlich. Ob dies bereits im Arbeitsvertrag, in einem Fortbildungsvertrag oder einem Aufhebungsvertrag geschieht, ist unerheblich. Auch wenn dies grundsätzlich formlos möglich ist, sollte sie zur Vermeidung von Beweis- und Auslegungsschwierigkeiten stets schriftlich geschlossen werden.

 

Nicht zulässig sind Rückzahlungsvereinbarungen in folgenden Fällen:

 

  • Auszubildende - und zwar sowohl in Berufsausbildungsverhältnissen (§ 1 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz - BBiG) als auch in Vertragsverhältnissen nach § 26 BBiG - dürfen nicht verpflichtet werden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen. Eine solche Vereinbarung ist nichtig (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Daraus ergibt sich nach der Rechtsprechung ein weitgehendes Rückforderungsverbot (BAG 25.7.02, 6 AZR 381/00, DB 03, 510).

 

  • Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht an solchen Kosten beteiligen, die er ohnehin wegen seiner vertraglichen Fürsorgepflicht oder gesetzlicher Vorschriften zu tragen hat (Sicherheitsschulungen, Einweisungen für Maschinen usw.).

 

  • Auch Kosten für Schulungen und Bildungsurlaub gemäß § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG (Vermittlung von Kenntnisse, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind) können nicht Gegenstand einer Rückzahlungsvereinbarung sein.

 

PRAXISHINWEIS | Nicht zulässig ist die Rückforderung auch dann, wenn die Rückzahlungsvereinbarung als „Arbeitgeberdarlehen“ oder „Vorschussvereinbarung“ kaschiert wird.

 

Die Gestaltungsfreiheit kann darüber hinaus durch Tarifverträge, aber auch durch Dienst- und Betriebsvereinbarungen eingeschränkt sein (§ 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz sowie § 77 Abs. 4 BetrVG).

2. Rückforderungsvereinbarungen und AGB-Recht

Nach § 305 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Eine Vielzahl von Verträgen liegt bereits dann vor, wenn ein Text in mindestens drei Fällen zur Grundlage von Vertragsbedingungen gemacht wird (BAG 23.1.07, 9 AZR 482/06, NZA 07, 748). Dabei genügt schon die Absicht der Verwendung (BGH 27.9.01, VII ZR 388/00, NJW 02, 138). Aber selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Klausel in nur einem einzigen Vertrag verwenden will, kann es sich um AGB handeln, sofern sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (BGH 24.11.05, VII ZR 87/04, MDR 06, 510).

 

Da der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung Verbraucher ist (BAG 7.12.05, 5 AZR 535/04, DB 06, 897), gelten verschärfte Regeln:

 

Auch nur zur einmaligen Verwendung bestimmte Rückzahlungsklauseln unterliegen der richterlichen Kontrolle (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), wobei allerdings den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass die Vertragsklauseln vorformuliert worden sind und er infolge der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte (BGH 15.4.08, X ZR 126/06, DB 08, 1913). Sofern solche Verbraucherverträge (§ 310 Abs. 3 BGB) nicht durch den Arbeitnehmer eingeführt wurden, wird außerdem vermutet, dass sie vom Arbeitgeber gestellt wurden (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

 

Die AGB-Restriktionen fallen zwar dann weg, wenn der Arbeitnehmer die Vertragsbedingungen selbst eingeführt hat oder diese zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). „Aushandeln” bedeutet allerdings mehr als bloßes Verhandeln: Es reicht nicht aus, dass der Inhalt der Klausel lediglich erörtert wird und den Vorstellungen des Vertragspartners entspricht. Vielmehr muss der Arbeitgeber die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellen und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. Der Arbeitnehmer muss die reale Möglichkeit haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber erklärt sich gegenüber dem Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft zu Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit (BAG 18.1.06, 7 AZR 191/05, DB 06, 1326).

 

Da ein wirkliches Aushandeln oder gar eine Einführung der Vereinbarung durch den Arbeitnehmer in der Praxis allenfalls bei Vereinbarungen mit leitenden Angestellten vorkommt, führt an der Beachtung des AGB-Rechts letzten Endes kaum ein Weg vorbei. Und selbst wenn die AGB-Vorschriften keine Geltung haben, muss sich die Vereinbarung immer noch am Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) messen lassen.

3. Anforderungen an eine Rückzahlungsvereinbarung

Eine Rückzahlungsklausel darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Das heißt, dass die Klausel ausgewogen sein muss. Dabei ist zu berücksichtigen:

 

  • einerseits das legitime Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können,
  • andererseits der Wunsch des Arbeitnehmers, seine durch die Ausbildung verbesserten Arbeitsmarktchancen zu nutzen und sich gegenüber dem Arbeitgeber nicht übermäßig lange zu binden.

 

Ist eine Rückzahlungsklausel wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam, kann der Arbeitgeber die Erstattung der aufgewandten Ausbildungskosten nicht nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB verlangen (BAG 28.5.13, 3 AZR 103/12, DB 13, 2152). Deshalb sind folgende Punkte unbedingt zu beachten:

 

3.1 Geldwerter Vorteil durch die Ausbildung

Eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers kann nur dann wirksam vereinbart werden, wenn er durch die Ausbildung einen geldwerten Vorteil erlangt. Eine Kostenbeteiligung ist dem Arbeitnehmer je eher zuzumuten, je größer der mit der Fortbildung verbundene berufliche Vorteil für ihn ist (BAG 19.2.04, 6 AZR 552/02, BB 04, 1860).

 

Ein geldwerter Vorteil kann darin bestehen, dass der Arbeitnehmer eine Ausbildung erhält, die ihm im Bereich des bisherigen Arbeitgebers neue berufliche Möglichkeiten eröffnet. Gilt dies auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt, ist der Vorteil noch größer. Aber auch bloße Fortbildungsmaßnahmen können einen geldwerten Vorteil haben, und zwar insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer anschließend die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt oder wenn sich die erworbenen Kenntnisse anderweitig nutzbar machen lassen (BAG 19.1.11, 3 AZR 621/08, DB 11, 1338).

 

Eine Kostenbeteiligung des Arbeitnehmers kommt hingegen regelmäßig nicht in Betracht, wenn die Fortbildung

 

  • nur von (inner-)betrieblichem Nutzen ist,
  • nur der Auffrischung bereits vorhandener Kenntnisse dient oder
  • bereits vorhandene Kenntnisse neuere betriebliche Gegebenheiten anpassen soll, die vom Arbeitgeber veranlasst wurden.

 

Ebenso wenig genügt ein bloßer Zuwachs an Berufserfahrung, sofern sich daraus keine verbesserten Vergütungschancen ergeben (BAG 16.1.03, 6 AZR 384/01, NZA 04, 456).

 

3.2 Beachtung des Transparenzgebots

Wie bei allen AGB ist auch hier eine transparente Regelung erforderlich, da sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).

 

Deshalb muss die Klausel den Arbeitnehmer hinreichend erkennen lassen, welche konkreten Vor- und Nachteile der Abschluss für ihn mit sich bringt:

 

  • Zum einen muss deutlich werden, in welchen Fällen der Arbeitnehmer zurückzahlen muss.
  • Zum anderen müssen auch Angaben zur Größenordnung der etwaigen Rückzahlungsverpflichtung gemacht werden, damit der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, auch diese bei Vertragsschluss in seine Erwägungen einzubeziehen (LAG Schleswig-Holstein 23.5.07, 3 Sa 28/07, DB 07, 2777).

 

PRAXISHINWEIS | Je differenzierter die Rückzahlungsregelung ist, desto geringer ist die Gefahr einer Unwirksamkeit.

 

Wichtig | Ist eine der Regelungen unwirksam, kann sich dies auf die gesamte restliche Vereinbarung auswirken!

 

Das lässt sich (nur) verhindern, wenn der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist (BAG 11.4.06, 9 AZR 610/05, DB 06, 2241). Dies ist der Fall, wenn die verbleibende Klausel aus sich heraus verständlich ist und sich sinnvoll in einen zulässigen und in einen unzulässigen Teil trennen lässt (BGH 3.12.03, VIII ZR 86/03, NJW 04, 1240). Andernfalls ist die gesamte Klausel unwirksam!

 

3.2.1 Rückforderungstatbestände

Eine Rückforderung ist grundsätzlich immer dann zulässig, wenn ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers berechtigten Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gibt. Insofern kommen nämlich nur Umstände in Betracht, die in die Sphäre des Arbeitnehmers fallen. Denn der Arbeitnehmer muss es in der Hand haben, durch sein Verhalten - Betriebstreue und vertragsgemäßes Verhalten - der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen.

 

Deshalb ist eine Rückzahlungspflicht allein aufgrund eines vorzeitigen Ausscheidens des Arbeitnehmers ohne Differenzierung nach dem Grund unzulässig (BAG 11.4.06, 9 AZR 610/05, DB 06, 2241). Daran ändert sich auch nichts, wenn eine solche umfassende Formulierung durch die Hinzufügung des Wortes „insbesondere“ und die Nennung von (zulässigen) Beispielfällen eingeschränkt wird (BAG 23.1.07, 9 AZR 482/06, NZA 07, 748).

 

Wichtig | In der Vereinbarung müssen sämtliche Fälle erfasst werden, die eine Rückzahlungsverpflichtung auslösen sollen.

 

Hier die wichtigsten Praxisfälle:

 

Dem Arbeitnehmer ist die Kostenerstattung stets zumutbar, wenn die Kündigung auf Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers beruht, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial rechtfertigen oder aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB nicht zuzumuten ist (BAG, 24.6.04, 6 AZR 383/03, DB 04, 2427).

 

Außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG - sei es, weil die Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) noch nicht erfüllt ist oder der Betrieb nicht in den Geltungsbereich des KSchG fällt (§ 23 Abs. 1) - muss die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 KSchG genügen. Es genügt, wenn ein „verständiger Arbeitgeber, dem grundsätzlich am Erhalt der Bildungsinvestition für seinen Betrieb gelegen ist, das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers zum Anlass genommen hätte, die arbeitsvertraglichen Beziehungen zu beenden“ (BAG 24.6.04, 6 AZR 383/03, DB 04, 2427). Eine Kündigung in der Probezeit kann dementsprechend nur bei einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers eine Rückzahlungspflicht auslösen.

 

Eine Bewerbung auf eine Stellenanzeige ist hingegen (noch) kein vertragswidriges Verhalten: Vorbereitungshandlungen zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses sind keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, denn sie sind von der Handlungs- und Berufsfreiheit (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) gedeckt (BAG 24.6.04, 6 AZR 383/03, DB 04, 2427).

 

Ob nach einem Aufhebungsvertrag eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers besteht, hängt davon ab, auf wessen Initiative die Vertragsbeendigung zurückzuführen ist und welche Gründe dahinterstehen bzw. in wessen Interesse sie liegt (BAG 5.7.00, 5 AZR 883/98, NZA 01, 394).

 

PRAXISHINWEIS | Hat der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag veranlasst, sollte dies jedenfalls dann in den Vertragstext aufgenommen werden, wenn dies nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist. Alternativ kann die Rückzahlung zum Regelungsgegenstand gemacht werden.

 

Für betriebsbedingte Kündigungen darf keine Rückzahlungspflicht vereinbart werden, denn diese betreffen das unternehmerische Risiko und liegen damit ausschließlich in der Sphäre des Arbeitgebers (BAG 11.4.06, 9 AZR 610/05, DB 06, 2241).

 

Ebenso wenig darf eine Rückzahlung vereinbart werden, wenn ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers ein Studium aufnimmt, sich der Arbeitgeber aber vorbehält, den Arbeitnehmer nach erfolgreichem Abschluss des Studiums nicht in ein Angestelltenverhältnis zu übernehmen. Denn dann ist es völlig offen, ob dem Arbeitnehmer überhaupt die Möglichkeit des „Abarbeitens“ der verauslagten Ausbildungskosten durch eigene Betriebstreue gewährt wird (LAG Schleswig-Holstein 23.5.07, 3 Sa 28/07, DB 07, 2777).

 

Wichtig | Es darf auch nicht vereinbart werden, dass im Falle jeder Eigenkündigung des Arbeitnehmers eine Rückzahlungsverpflichtung besteht, denn diese kann auch durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden sein.

 

Eine Klausel, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten in jedem Fall einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung vorsieht, ohne solche Kündigungen des Arbeitnehmers auszunehmen, die aus Gründen erfolgen, die der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam (BAG 18.3.14, 9 AZR 545/12, DB 14, 1620).

 

  • Beispiele für Eigenkündigungen

Die folgenden Gründe sind der Arbeitgebersphäre zuzurechnen:

 

  • Dem Arbeitnehmer werden Arbeitsaufgaben zugewiesen, die nicht seiner Ausbildung entsprechen. Wenn er vom Arbeitgeber vergeblich die Zuweisung einer qualifikationsgerechten Beschäftigung verlangt, ist ihm ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht zumutbar (BAG 5.12.02, 6 AZR 537/00, AuA 03, 54).

 

  • Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, dem Arbeitnehmer einen seinen verbesserten beruflichen Qualifikationen und Fähigkeiten entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen, ist eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht dem Arbeitnehmer zuzurechnen, denn dieser kann die Rückführung der Aufwendungen durch weitere Betriebstreue nicht mehr erreichen, sodass es keine sachliche Grundlage für seine Kostenbeteiligung gibt (BAG 13.12.11, 3 AZR 791/09, DB 12, 1155).

 

  • Mobbing, das dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, kann den Arbeitnehmer berechtigen, das Arbeitsverhältnis von sich aus zu beenden, ohne dadurch einer Rückzahlungspflicht ausgesetzt zu sein. Denn in einer solchen Situation ist es ihm nicht zuzumuten, die Ausbildungskosten durch Betriebstreue abzugelten (BAG 21.7.05, 6 AZR 452/04, NZA 06, 452).
 

3.2.2 Rückzahlungsbetrag

Der Rückzahlungsbetrag muss angemessen sein und sich einerseits an dem durch die Ausbildung vermittelten geldwerten Vorteil, andererseits an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers orientieren. Keinesfalls darf der vereinbarte Betrag über den dem Arbeitgeber tatsächlich entstanden Kosten liegen (BAG 16.3.94, 5 AZR 339/92, DB 94, 1726).

 

Als Kosten kommen insbesondere in Betracht:

  • Schulgeld
  • Lernmittel
  • Studien- und Prüfungsgebühren
  • Fahrt- und Reisekosten
  • Mietzuschüsse/Unterkunftskosten
  • während der Freistellung fortgezahltes Entgelt
  • Zusatzversicherungsbeiträge

 

PRAXISHINWEIS | Die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung sind nicht erstattungsfähig (BAG 17.11.05, 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872).

 

Es empfiehlt sich, sämtliche Einzelpositionen aufzuzählen und zu beziffern. Im Hinblick auf das Transparenzgebot sind jedenfalls die ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen anzugeben. Allerdings dürfen die diesbezüglichen Anforderungen nicht überzogen sein, sodass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, die Kosten der Ausbildung bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung exakt der Höhe nach zu beziffern. Da jedoch der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko abschätzen können muss, sind zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten anzugeben: „Ohne die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und der Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden (z.B. Kilometerpauschale für Fahrtkosten, Tagessätze für Übernachtungs- und Verpflegungskosten), bleibt für den Vertragspartner unklar, in welcher Größenordnung eine Rückzahlungsverpflichtung auf ihn zukommen kann, wenn er seine Ausbildung abbricht. Ohne diese Angaben kann der Vertragspartner sein Zahlungsrisiko nicht abschätzen und bei Vertragsschluss in seine Überlegungen einbeziehen. Zudem eröffnet das Fehlen solcher Angaben dem Verwender der Klausel vermeidbare Spielräume“ (BAG 21.8.12, 3 AZR 698/10, DB 12, 2694).

 

PRAXISHINWEIS | Sofern nicht auszuschließen ist, dass sich die Ausbildungskosten im Nachhinein erhöhen, empfehlen sich Circa-Angaben. Damit ist dem Transparenzgebot genüge getan, ohne dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit versperrt ist, auch erhöhte Kosten geltend machen zu können.

 

3.2.3 Bindungsfrist und anteilige Kürzung

Die Bindung an das Unternehmen muss im Verhältnis zur Ausbildungsdauer stehen. Dabei wird die Dauer der Bildungsmaßnahme als Anknüpfungspunkt gewählt, weil sie zum einen die Höhe der Kosten bestimmt und zum anderen Indiz für Qualität und Werthaltigkeit der Ausbildung ist.

 

Wichtig | Eine Vereinbarung, nach der eine Rückzahlung generell und ohne jegliche Bindungsdauer geschuldet wird, ist regelmäßig unwirksam (LAG Schleswig-Holstein 25.5.05, 3 Sa 84/05, BB 06, 560).

 

Das Ausschöpfen des gesetzlichen Bindungshöchstmaßes von 5 Jahren (§ 624 S. 1 BGB) ist nur in Extremfällen zulässig. Nach der Rechtsprechung bestehen folgende Regelwerte:

 

  • Bindungsfristen
Ausbildungsdauer
maximale Bindung

bis 1 Monat

6 Monate

bis 2 Monate

12 Monate

bis 4 Monate

24 Monate

bis 12 Monate

36 Monate

mehr als 24 Monate

60 Monate

 

Dabei ist von der tatsächlichen Dauer der Fortbildungsmaßnahme auszugehen; wird in Zwischenzeiten keine Ausbildung geleistet, ist die dazwischenliegende Arbeitszeit nicht mitzurechnen (BAG 15.9.09, 3 AZR 173/08, NZA 10, 342).

 

Sofern dies im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände (z.B. ganz erhebliche Kosten für den Arbeitgeber oder überdurchschnittlich große berufliche Vorteile für den Arbeitnehmer) gerechtfertigt ist, kann von diesen Regelwerten nach oben abgewichen werden (BAG 14.1.09, 3 AZR 900/07, DB 09, 1129). Andererseits kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls auch eine kürzere Bindungsfrist als angemessen erscheinen.

 

Nur in Ausnahmefällen, in denen es für den Arbeitgeber nicht voraussehbar ist, welche Bindungsdauer angemessen ist und es unangemessen wäre, ihm das sich daraus ergebende Prognoserisiko aufzuerlegen, ist es für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte (§ 306 Abs. 3 BGB), an seiner Verpflichtung zur Tragung der Ausbildungskosten festgehalten zu werden, ohne den Arbeitnehmer angemessen binden zu können. In einem solchen Fall ist durch ergänzende Vertragsauslegung festzustellen, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 14.1.09, 3 AZR 900/07, DB 09, 1129).

 

Nach dem LAG Hamm (9.3.12, 7 Sa 1500/11) ist eine Klausel, die eine ratierliche Kürzung vorsieht, dann unangemessen benachteiligend, wenn sie bei einer Rückforderungssumme, die das Bruttomonatseinkommen des fortgebildeten Arbeitnehmers um ein Vielfaches übersteigt, bei einer dreijährigen Bindungsdauer nur eine grobe, jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungsverpflichtung vorsieht, ohne auf eine ausdifferenzierte, etwa monatliche Staffelung abzustellen (Revision anhängig beim BAG: 3 AZR 442/12).

 

Beispielformulierung /

Die Gesamtkosten1 der Fortbildung hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zurückzuerstatten, wenn innerhalb der nächsten ... Monate2 nach Abschluss der Fortbildung

 

  • der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch vertragswidriges Verhalten veranlasst, das Arbeitsverhältnis zu kündigen oder
  • der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis kündigt, ohne dazu durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden zu sein oder
  • das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag infolge von vertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers aufgelöst wird oder
  • das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag aufgelöst wird, wenn dies auf Initiative des Arbeitnehmers geschieht oder in seinem überwiegenden Interesse liegt.

 

Mit jedem vollen Monat des Bestehens des Beschäftigungsverhältnisses vermindert sich der zurückzuzahlende Betrag ab dem Abschluss der Fortbildung bis zum Ablauf von ... Monaten [s.o.] um 1/... [Bindungsdauer in Monaten] der Gesamtkosten. Der Restbetrag ist zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur sofortigen Rückzahlung fällig.

 

1 anzugeben gemäß 3.2.2

2zur Länge der Bindungsfrist vgl. 3.2.3

Quelle: Seite 45 | ID 43075105