Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Vermieterkündigung

Härtegründe bei Eigenbedarfskündigung

von Assessor jur. Harald Büring, Düsseldorf

| Eine ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs ist wirksam, wenn sich der Vermieter auf ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berufen kann. Hierzu muss er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigen. Auch Senioren sind häufig von Eigenbedarfskündigungen betroffen. Oft wohnen sie bereits seit langen Jahren in der Wohnung, sodass sie durch die Kündigung besonders betroffen sind. Im Einzelfall kann dann eine Eigenbedarfskündigung ausgeschlossen sein, wie der folgende Beitrag zeigt. |

1. Eigenbedarf des Vermieters

Mit der Eigenbedarfskündigung des Vermieters wird das Mietverhältnis nicht in jedem Fall beendet. Denn der Mieter kann unter Umständen der Kündigung widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Dies setzt nach § 574 Abs. 1 BGB voraus, dass das Ende des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Wann diese unzumutbare Härte vor allem bei Senioren vorliegt, zeigen die folgenden Beispiele.

2. Die Rechte des Mieters ‒ Härtegründe

Gerade ältere Mieter, die eine Eigenbedarfskündigung erhalten haben, berufen sich darauf, dass sie schon lange Zeit in einer Wohnung leben und mit ihrem Umfeld besonders verwurzelt sind. Zudem führen Senioren an, dass ihnen aufgrund ihres hohen Alters ein Umzug schwerfällt.

 

  • Beispielsfall: Demenz

Eine Mieterin hatte 1974 eine etwa 73 qm große Dreizimmerwohnung gemietet. Dort lebte sie mit ihren beiden Kindern, als der Vermieter im Jahr 2016 eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aussprach. Die Mieterin berief sich unter anderem darauf, dass sie schon 79 Jahre alt ist und bereits seit 40 Jahren in der Wohnung lebt. Aufgrund der langen Mietdauer sei sie lang mit ihrer Umgebung verwurzelt. Des Weiteren gab sie an, dass sie unter einer beginnenden Demenz leide. Der Vermieter verklagte sie schließlich auf Räumung. Das AG Charlottenburg gab dieser Klage statt. Das LG Berlin wies hingegen die Klage ab und ordnete an, dass das Mietverhältnis nach § 574 BGB, § 574a BGB auf unbestimmte Zeit verlängert wird. Grund: Die Beendigung des Mietverhältnisses begründe auf Dauer eine unzumutbare Härte. Dies ergebe sich u. a. aus dem hohen Alter, der langen Wohndauer und damit Verwurzelung sowie der beginnenden Demenz. Aufgrund dessen sei zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand der Mieterin rapide verschlechtern würde. Aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Berlin hätte sie keine Chance, eine angemessene Ersatzwohnung zu finden.

 

Aufgrund der Revision des Vermieters hob der BGH die Entscheidung auf. Die Vorinstanz hatte unzureichend begründet, weshalb angeblich eine unzumutbare Härte vorliegt, die eine unbestimmte Verlängerung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Allein ein hohes Alter oder eine lange Mietdauer begründen noch keine unzumutbare Härte. Anders ist dies, wenn noch Umstände hinzukommen, wie vor allem eine Erkrankung wie Demenz.

 

Dies setzt voraus, dass der gesundheitliche Zustand des Mieters keinen Umzug zulässt oder bei einem Umzug die ernsthafte Gefahr einer erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands besteht. Um dies zu ermitteln, müssen sich die Tatsacheninstanzen ein genaues Bild davon machen, welche gesundheitlichen Folgen ein Umzug für den Mieter hat und wie schwer und wahrscheinlich diese Gesundheitsfolgen sein werden.

 

PRAXISTIPP | Um dies zu ermitteln, muss das Gericht bei fehlender Sachkunde meist von Amts wegen einen Sachverständigen heranziehen. Dies muss vor allem dann geschehen, wenn der Mieter das Attest eines Arztes vorgelegt hat. Hier braucht ein Laie keine genauen Angaben zu den gesundheitlichen Folgen (deren Schwere und zu befürchtende gesundheitliche Nachteile) zu machen.

 

Aufgrund der Versäumnisse der Vorinstanz hob der BGH die Entscheidung auf und verwies die Sache zurück (22.5.19, VIII ZR 180/18, Abruf-Nr. 209886).

 

  • Beispielsfall: Schwere gesundheitliche Folgen

Einem Ehepaar wurde nach 15 Jahren wegen Eigenbedarfs die Mietwohnung im Erdgeschoss gekündigt. In ihrem Widerspruch beriefen sich die Eheleute darauf, dass dem Ehemann im Alter von 87 Jahren wegen seiner Gesundheit kein Umzug zugemutet werden könne. Sein Zustand würde sich dann so verschlechtern, dass er in ein Seniorenheim ziehen müsse. Dies läge vor allem auch an seiner beginnenden Demenz. Er müsse daher in der Wohnung bleiben können. Zudem sei die Situation für die Ehefrau unerträglich. Sie solle noch nicht in ein Altenheim ziehen.

 

Das AG Bühl entschied, dass die Mieter räumen mussten. Das LG Baden-Baden wies die Berufung der Eheleute als unbegründet zurück: Es läge keine besondere Härte vor. Die befürchteten schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Ehemanns seien nicht vorrangig gegenüber den Interessen des Vermieters. Der BGH hob diese Entscheidung auf (15.3.17, VIII ZR 270/15, Abruf-Nr. 193096). Er rügte vor allem, die Vorinstanzen hätten nicht sorgfältig genug beachtet, dass dem Ehemann eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung gedroht habe. Ein Sachverständiger hätte hinzugezogen werden müssen, um zu untersuchen, wie genau sich ein Umzug auf die Gesundheit des Mieters auswirken würde.

 

PRAXISTIPP | Prüfen Sie insbesondere, ob die angegebenen Eigenbedarfsgründe evtl. nur vorgeschoben sind. Kommt eine unzumutbare Härte wegen des gesundheitlichen Zustands des Mieters in Betracht, sollten Sie auf ein aussagekräftiges Attest achten. Am besten sollte es ein Attest eines Facharztes sein.

 
Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 17 | ID 47003100