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· Fachbeitrag · Räumungsvollstreckung

§ 885a Abs. 4 ZPO richtig auslegen und anwenden

| Gerade ältere Mieter kann eine Räumungsvollstreckung hart treffen. Bei einer vereinfachten Räumung nach § 885a ZPO müssen Mieter zudem auf der Hut sein. Das zeigt eine neue Entscheidung des BVerfG zu einem erfolglosen Antrag eines Mieters auf einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG. |

 

Der Mieter wollte verhindern, dass der Gläubiger ihm gehörende Sachen nach § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO verwertet. Aufgrund der verzögerten Entscheidung des AG über seinen Herausgabeanspruch drohe ihm aktuell der Verlust seiner gesamten in der Wohnung verbliebenen Habe.

 

Das BVerfG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substanziierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache eine Erfolgsaussicht hat, kommt ein Einschreiten des BVerfG per einstweiliger Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in Betracht, wenn ein schwerer Nachteil i. S. d. § 32 BVerfGG dargelegt wird. Ein solcher ist hier auf Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht ersichtlich (BVerfG 18.6.21, 2 BvR 1077/21, Abruf-Nr. 223843).

 

Bei der vereinfachten Räumung nach § 885a ZPO ist der Schuldner von dem Gerichtsvollzieher aus dem Besitz zu setzen. Mit den in dem zu räumenden Objekt befindlichen beweglichen Sachen ist nach § 885a Abs. 2 ZPO zu verfahren. Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann dieser die Sachen gemäß § 885a Abs. 4 S. 1 ZPO verwerten, nicht verwertbare Sachen kann er vernichten (§ 885a Abs. 4 S. 4 ZPO). Die Verwertung erfolgt nicht nach § 885 Abs. 4 S. 1 ZPO, sondern entsprechend den §§ 372 bis 380 BGB, § 383 BGB und § 385 BGB. § 885a Abs. 4 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner die Sachen von dem Gläubiger nicht abgefordert hat, also seine Sachen von dem Gläubiger gemäß §§ 985, 812 BGB herausverlangt hat (MüKoZPO/Gruber, § 885a Rn. 29).

 

PRAXISTIPP | Das BVerfG entscheidet unter Verweis auf Schmidt-Futterer/Lehmann (Mietrecht, 14. Aufl., § 885a ZPO Rn. 37), dass das in § 885a Abs. 4 ZPO normierte Recht der Gläubigerin, sich der Sachen zu entledigen, entfällt, wenn der Schuldner die Sachen abgefordert hat, aber nicht abholt. Dem steht es gleich, wenn der Gläubiger sich weigert, die Sachen an den Schuldner herauszugeben. In diesem Stadium gilt § 885a Abs. 4 ZPO nicht mehr. Vielmehr muss der Gläubiger den Schuldner in Annahmeverzug setzen. Dies geschieht gemäß § 295 S. 1 BGB durch ein wörtliches Angebot, die Sachen abzuholen.

 

Mit Eintritt des Annahmeverzugs kann der Gläubiger gemäß §§ 372 ff. BGB vorgehen. Eine Versteigerung setzt aber ‒ anders als bei einem Vorgehen nach § 885a Abs. 4 ZPO ‒ eine vorherige Androhung voraus, § 384 Abs. 1 BGB.

Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 164 | ID 47638243