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· Fachbeitrag · Praxisknigge

„Du“ in der Praxis: Wie halten „Sie“ es?

von Angelika Schreiber, Hockenheim

| Unabhängig von hierarchischen Strukturen und vom Altersgefälle wird das Du als Anrede auch in der Zahnarztpraxis immer populärer. Besteht das Team durchweg aus jungen Kolleginnen derselben Altersgruppe, etabliert sich das Du meist ganz von selbst. Doch wo sind die Fallstricke? |

Die Vorteile des Du

Für neue Mitarbeiterinnen liegen die Vorteile auf der Hand: Das Du hilft bei der Integration ins Praxisteam. Es wirkt vertrauensfördernd und erleichtert damit auch Fragen, die mit der Distanz des Sie vielleicht nicht oder nur sehr zögerlich gestellt würden. Das Du wirkt sich motivierend auf die gemeinsame Arbeit aus. Es fördert den Teamgeist und den Zusammenhalt und stärkt das Wir-Gefühl, die Identifikation mit der Praxis.

Die Grenzen sind fließend

Doch Achtung! Zu viel Nähe und Vertrautheit kann den respektvollen Umgang miteinander erschweren. Das Du am Arbeitsplatz darf nicht zur plumpen Vertraulichkeit verkommen. Mit dem privaten und freundschaftlichen Du darf es keinesfalls verwechselt werden.

 

Werden die Grenzen überschritten und es kommt zu Äußerungen wie „Hast Du schon wieder zugenommen!“ ist das Betriebsklima in Gefahr. Fällt dieser Satz sogar im Beisein von Patienten, ist die Außenwirkung überaus negativ. Patienten reagieren meist sehr feinfühlig auf Unstimmigkeiten im Team.

Das Sie schafft Freiräume und Distanz

Das Du am Arbeitsplatz bedeutet eben nicht, dass man jedermanns Freund ist. Hier bietet das Sie mehr Distanz und fördert den respektvollen Umgang miteinander. „Du gehst mir heute auf die Nerven!“ ist schneller in einer Stress-Situation herausgerutscht als „Sie gehen mir auf die Nerven!“ Allerdings kann das Sie auch zu große Distanz erzeugen, die als negativ und ablehnend wahrgenommen wird. Austausch und Zusammenarbeit gestalten sich dann schleppend und sind dem Praxisklima wenig förderlich.

Nicht immer ist die Entscheidung so einfach

Große Altersunterschiede innerhalb des Teams können sich erschwerend auswirken. Nicht jede Mitarbeiterin über 50 - möglicherweise in hervorgehobener Position - möchte von der neuen, gerade einmal 17-jährigen Auszubildenden geduzt werden. Auch wenn ein genereller Trend zum Du erkennbar ist, sind stets die Wünsche des Einzelnen zu respektieren; denn hier geht es um die Abgrenzung der eigenen Persönlichkeit.

 

PRAXISHINWEIS | Nicht alle Kolleginnen schätzen das Du. Gehören Sie hierzu, seien Sie mutig und lehnen das angebotene Du mit diplomatischem Geschick ab. Bedanken Sie sich für das freundliche Angebot und bitten darum, zunächst beim Sie zu bleiben. So gewinnen Sie Zeit und können ggf. später zum Du übergehen.

 

Der Trend zum Du kommt aus dem englischsprachigen Raum

Woher kommt also der Trend zum Du? Er ist eine Folge der Globalisierung und hat seinen Ursprung wohl im englischsprachigen Raum. Die englische Sprache kennt im Gegensatz zur deutschen kein formelles Sie, und die Ansprache mit dem Vornamen impliziert dort nicht die Nähe und Vertrautheit des deutschen Du. Darüber hinaus fördert der Umgang mit sozialen Netzwerken den Vormarsch des Du. Die Anrede Sie ist hier fast nie zu finden.

Das Du als Signal für junge Praxismitarbeiterinnen?

Von Start-up‘s oder Firmen wie Ikea weiß man, dass sich alle duzen. Auch Lidl und der Versandhauskonzern Otto haben das Du als einheitliche Anrede inzwischen eingeführt. Ob diese Entscheidung auch für Ihre Zahnarztpraxis die richtige ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, denn dort treffen viele verschiedene Erwartungshaltungen aufeinander.

 

Im Praxisalltag müssen Behandlungsabläufe sichergestellt und Qualitätsstandards eingehalten werden. Immer wieder treffen unterschiedliche Meinungen aufeinander, und Probleme sind nicht zu vermeiden. Zu große Erwartungen an das Du können hier zu Enttäuschungen führen.

Das verordnete Du

Bevor der Chef oder die Chefin das Du für alle vorgibt, sollten zunächst die genannten Vor- und Nachteile sorgfältig abgewogen werden. Es sollte überprüft werden, ob das Du in der Praxis überhaupt gelebt werden kann. Der einen oder anderen Mitarbeiterin ist vielleicht nicht ganz klar, dass in dieser Konstellation Respekt und Höflichkeit als absolute Voraussetzungen gelten. Bei Unsicherheit sollte zunächst das Sie beibehalten werden. Der Weg vom Sie zum Du kann auch zu einem späteren Zeitpunkt beschritten werden.

 

Schwierig wird es jedoch, wenn Chef oder Chefin nur einzelne Mitarbeiterinnen duzen. Hier sollten auf alle Fälle die Hintergründe klar erkennbar sein, sonst können schnell Rivalitäten entstehen.

Das Einverständnis aller Beteiligten wird vorausgesetzt

Das generelle Du in der Praxis setzt voraus, dass alle einverstanden sind. Diese Entscheidung sollte vom gesamten Team unterstützt und getragen werden, nur so kann sie erfolgreich sein. Die von „oben“ erzwungene Lockerheit ist meist zum Scheitern verurteilt. Die Erfahrung zeigt: Der Übergang vom Sie zum Du erfolgt sehr rasch. Einmal zur Praxisphilosophie erklärt, kann das Du jedoch nicht mehr zurückgenommen werden. Das Thema sollte daher bereits beim Bewerbungsgespräch angesprochen werden.

Quelle: Ausgabe 12 / 2016 | Seite 16 | ID 44405996