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Händler bei „Marketplace“ aufgepasst: Bestellseite von Amazon ist rechtswidrig

Bild: © RS-Studios - stock.adobe.com

von Martin Rätze, Diplom-Wirtschaftsjurist, Wienke & Becker, Köln

| Schon seit dem 01.08.12 gilt die sogenannte Button-Lösung. Sie bringt aber noch immer viele Probleme mit sich. Neben den strengen Vorgaben für die Bezeichnung des Bestell-Buttons wurden damit umfangreiche Informationspflichten für die letzte Bestellseite eingeführt. U. a. sind die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wiederholend zu nennen. Eine Pflicht, die bei Amazon nicht erfüllt wird, wie das OLG München (31.1.19, 29 U 1582/18) feststellte. Alle Amazon-Marketplace-Händler sind akut von Abmahnung bedroht. |

Amazon verkauft Sonnenschirm

Amazon bot selbst einen Sonnenschirm an. Legte der Verbraucher diesen in den Warenkorb und durchlief den Bestellprozess, kam er irgendwann auf der letzten Bestellseite an. Dort fand sich dann nur noch folgende Beschreibung der Ware:

 

  • Beschreibung

Schneider Sonnenschirm Rhodos, natur

ca. 300 x 300 8-teilig, quadratisch

328,99 EUR

Anzahl 1 <ändern>

Verkauf durch Amazon EU S.à r.l.

 

Ein Link (zurück) auf die Produktseite, auf der der Verbraucher noch andere Informationen und die Produktdetails auffinden konnte, existierte nicht.

 

Die Wettbewerbszentrale als Kläger war der Auffassung, dass diese Ausgestaltung nicht den Vorgaben des § 312j Abs. 2 BGB entspricht. Nach dieser Vorschrift ist der Unternehmer, der Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern schließen will, verpflichtet, dem Verbraucher unmittelbar bevor dieser seine Bestellung abgibt, u. a. die Informationen gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB ‒ also die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung ‒ zur Verfügung zu stellen. Zu diesen wesentlichen Merkmalen eines Sonnenschirms würden das Material des Stoffs und des Gestells sowie das Gewicht zählen. Diese Angaben befanden sich aber nicht auf der letzten Bestellseite ‒ und damit nicht unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt.

Was heißt „unmittelbar bevor“?

Das OLG München beschäftigte sich zunächst mit der Frage, was „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ in Bezug auf die Informationserfüllung bedeutet. Amazon hatte sich nämlich damit verteidigt, dass ein Link auf die Produktseite reichen würde, dieser aber nicht zwingend auf der letzten Bestellseite auffindbar sein müsse. Es reiche viel mehr, wenn der Händler in dem virtuellen Warenkorb einen Link auf die Produktseite setze, wie Amazon dies praktiziere.

 

Dieser Ansicht widersprach das Gericht. Der Senat ist der Auffassung, dass das Kriterium „unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt“ nur dann erfüllt sein kann, wenn sich die gesetzlich geforderten Informationen auf der Internetseite befinden, auf der der Verbraucher die Bestellung abschließt. Das ist also die Seite, auf der sich der Bestell-Button befindet. Die bloße Verlinkung genügt nach Ansicht des OLG München nicht. Dies gelte erst recht, wenn sich ‒ wie dies bei Amazon der Fall war ‒ der Link sogar nur auf einer vorgeschalteten Website befindet.

 

Das Gericht bezieht sich zur Begründung auf die Gesetzesbegründung, in der es explizit heißt, dass es keinesfalls genügt, wenn die geforderten Informationen nur über einen gesonderten Link zu erreichen sind. Auch aus der Verbraucherrechterichtlinie folge, dass eine Verlinkung nicht ausreichend ist, entschied das Gericht mit Verweis auf Erwägungsgrund 39 der Richtlinie.

Vergleich mit anderen Informationspflichten

Auch ein Vergleich mit den anderen nach § 312j Abs. 2 BGB anzugebenden Informationen zeige, so das Gericht, dass eine Verlinkung nicht ausreichend ist. Aus Gründen des Verbraucherschutzes würde eine Verlinkung auf den Gesamtpreis oder die Kündigungsbedingungen und Mindestlaufzeit nicht ausreichen. Da aber die Anforderungen für die Angabe der wesentlichen Merkmale und der anderen Informationen gleich geregelt seien, können diese auch nicht anders beurteilt werden.

Bessere Übersichtlichkeit: nur mit Gesetzesänderung

Das Gericht erkennt an, dass es der besseren Übersichtlichkeit der Bestellseite dienen könnte, wenn man zur Erteilung der Information über die wesentlichen Merkmale eine Verlinkung zulassen würde ‒ insbesondere bei größeren Bestellungen. Nach der geltenden Rechtslage ist dies aber nicht möglich. Man denke nur daran, der Verbraucher bestellt sich eine Küche inklusive Elektrogeräte. Dann muss die letzte Bestellseite nach der Auffassung des Gerichts neben den vollständigen Angaben zu Abmessungen, Farben und Materialien auch sämtliche Energieeffizienz-Etiketten sowie die elektronischen Produktdatenblätter jedes einzelnen Elektrogeräts aufweisen. Ob dann noch von einer „übersichtlichen Bestellseite“ gesprochen werden kann, darf stark bezweifelt werden.

Alle Marketplace-Händler sind betroffen

Da der einzelne Marketplace-Händler keinen Einfluss darauf hat, wie Amazon seinen Bestellprozess und insbesondere die letzte Bestellseite gestaltet, ist es schon immer ein wettbewerbsrechtliches Wagnis, seine Waren über diese Plattform anzubieten. Denn fest steht: Jeder einzelne Marketplace-Händler kann für die rechtswidrige Ausgestaltung der Amazon-Bestellseite abgemahnt werden. Es ist die eigene geschäftliche Handlung des Händlers, über diese Plattform zu verkaufen. Bei der Entscheidung, welche Plattform der Unternehmer nutzen möchte, muss er auch die rechtliche Ausgestaltung beachten. Prüft er diese nicht oder nimmt billigend in Kauf, dass gegen das deutsche und europäische Verbraucherschutzrecht verstoßen wird, so sind dem Händler diese Verstöße zuzurechnen.

 

MERKE | Die Rechtsprechung hat hierzu schon öfter entschieden. Das Ergebnis war immer: Wer wirtschaftlich von der Plattform profitiert, haftet auch für Wettbewerbsverstöße, die er über diese Plattform begeht.

 

Weitere Pflichten

Neben der Information über die wesentlichen Merkmale ist auf der letzten Bestellseite auch noch über den Gesamtpreis und die Versandkosten sowie bei Dauerschuldverhältnissen über die Mindestlaufzeit und die Kündigungsbedingungen zu informieren. Darüber hinaus ist die Schaltfläche, über die der Verbraucher seine Bestellung abgibt (also der Bestell-Button), mit nichts anderem als den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden Formulierung zu beschriften. Im deutschsprachigen Raum hat sich überwiegend die Beschriftung „kaufen“ durchgesetzt.

Rechtsfolgen

Werden die Informationspflichten nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erfüllt, kann dies von Mitbewerbern, Verbraucherzentralen oder Verbänden abgemahnt werden. Auf den einzelnen Vertrag hat dies aber keine Auswirkungen. Ganz anders ist es dagegen, wenn der Bestell-Button nicht gemäß den Vorgaben beschriftet ist: Dann kommt überhaupt kein Vertrag zustande. Bestellt der Verbraucher die Ware und der Button ist mit dem Wort „bestellen“ beschriftet, muss er also nicht zahlen. Hat er dagegen aber z. B. per Kreditkarte, PayPal oder Lastschrift bezahlt, wird der Händler ihm anschließend die Ware zusenden. Dann kann der Verbraucher die Zahlung zurückbuchen lassen, die Ware darf er aber behalten, da der Händler keinen Anspruch auf Rücksendung hat.

 

FAZIT | Amazons wirtschaftliche Macht ist zu groß, als dass sich Händler ohne Weiteres von der Plattform abwenden können. Auf der anderen Seite stehen nicht unerhebliche Gefahren im Raum. Die fehlerhafte Bestellseite ist da nur ein Punkt. Immer wieder für Ärger sorgt die Möglichkeit, dass sich andere Händler ans eigene Angebot anhängen und dadurch Fehler entstehen. Neuerdings will sich Amazon sogar das Recht einräumen lassen, die vom Händler erstellte Produktbeschreibung anzupassen. Man darf sich sicher sein, dass Amazon da keinen sonderlich großen Wert auf gesetzliche Vorgaben legen, sondern den Text wohl eher aus Marketingsicht „optimieren“ dürfte.

 

Begibt man sich als Unternehmer in die Abhängigkeit eines Dritten, so muss man immer damit rechnen, dass hier erhebliche Risiken entstehen. Das bedeutet nicht, dass man nicht über Plattformen verkaufen sollte. Allerdings sollte man sich des erhöhten Risikos bewusst sein und dieses ‒ wenn möglich ‒ einkalkulieren. Im eigenen Shop sollten Händler unbedingt sicherstellen, dass die Vorgaben der Button-Lösung eingehalten werden, insbesondere die richtige Beschriftung des Bestell-Buttons. Kleiner Tipp: Schauen Sie sich Ihre Verkaufsangebote ‒ egal ob im Shop oder bei Plattformen ‒ auch immer in der mobilen Ansicht an. Häufig schleichen sich dort Fehler ein, die abgemahnt werden können. Lassen Sie Freunde Testbestellungen durchführen. Diese dürften weniger betriebsblind sein als man selbst, der gerade stolz seinen Shop erstellt hat.

 
Quelle: ID 45860556