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· Coronakrise

Urteilssammlung: Zahlreiche Eilanträge gegen Regierungsverbote ‒ meist ohne Erfolg

Bild: © Studio_East - stock.adobe.com

| Die Bundesregierung, alle Landesregierungen, selbst Kreise und Städte erlassen fortlaufend die unterschiedlichsten Verordnungen. Ziel ist es, den Corona-Virus einzudämmen. Dazu wird das gewerbliche und öffentliche Leben stark eingeschränkt. Gleichzeitig werden Gerichte mit Eilanträgen von Unternehmern, Einzelpersonen und Interessenvertretungen gegen diese Auflagen überhäuft. Nur selten haben sie Erfolg, wie diese Auswahl an richterlichen Beschlüssen zeigt. |

 

Der wohl öffentlichkeitswirksamste Fall beschreibt den einsamen Kampf der Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner. Sie wollte vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und dort die Corona-Regeln grundsätzlich kippen. Am vergangenen Sonntag wurde sie in die Psychatrie gebracht, bestätigt die Polizei Medienberichten zufolge. 36 Seiten umfasste ihr Antrag, in dem sie in den Corona-Verordnungen einen Angriff auf den Bestand der Bundesrepublik Deutschland nachweisen wollte.

 

Doch auch im Kleinen gibt es zahlreiche Eilanträge, von denen nur wenige in den zurückliegenden Wochen Erfolg hatten ‒ wie dieser Kurzabriss zeigt:

 

  • Eilanträge gegen einzelne Corona-Verordnungen

Gottesdienstverbot ist rechtens

 

  • Das Verbot von Gottesdiensten ist ein schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit. Die Verhältnismäßigkeit hatte ein Katholik infrage gestellt ‒ und sich gegen das Verbot durch die hessische Landesregierung (Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus) gestellt.
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  • Die gemeinsame Feier der Eucharistie sei nach katholischer Überzeugung ein zentraler Bestandteil des Glaubens. Der Eilantrag blieb ohne Erfolg.
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  • Der Schutz vor Gefahren für Leib und Leben habe Vorrang vor der Glaubensfreiheit. Auch die aktuelle Befristung bis zum 19.04.2020 sei dabei ein wesentliches Argument. Eine mögliche Fortschreibung der Verordnung erfordere eine enge Prüfung anhand laufender Erkenntnisse ‒ einerseits zur Verbreitung des Coronavirus und andererseits zur Gefahr einer Überlastung im Gesundheitswesen.

 

 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.04.2020, Az: 1 BvQ 28/20

Fitnessstudio bleibt zu

 

  • Die Thüringer Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 07.04.2020 hat Bestand. Damit gilt auch die zwangsweise Betriebsschließung für Fitnessstudios fort.
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  • Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat damit einem Fitnessstudio-Inhaber den Betrieb untersagt, der einen Eilantrag gegen die Verordnung gestellt hatte.
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  • Das Gericht begründete, dass infektionsschutzrechtliche Regeln zu beachten und damit die Risiken für den Einzelnen und die Gesellschaft (Rechtsgüter wie Leib und Leben) ‒ zu minimieren seien. Zudem sei die Überforderung des Gesundheitswesens jetzt die grundlegende Schutzaufgabe des Staates. Aber: Das Gericht sieht auch die Beobachtungs- und Überprüfungspflicht des Verordnungsgebers.

 

Thüringer Oberlandesgericht Jena, Beschluss vom 09.04.2020

Az. 3 EO 245/20

Geburt unter Ausschluss des Vaters ist rechtens

 

  • Der Kreißsaal blieb für einen werdenden Vater am Uniklinikum Leipzig geschlossen, sein Eilantrag ohne Erfolg. Der Mann hatte argumentiert, seine Anwesenheit sei für eine komplikationslose und emotional unbelastete Geburt unerlässlich. Auch könne er den Sicherheitsabstand wahren und Schutzkleidung tragen.
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  • Das Gericht sah das anders: Das Zutrittsverbot war vom öffentlich-rechtlichen Hausrecht der Klinik und ihrem Schutzzweck gedeckt. Hinzu kommt: Die Eindämmung des Coronavirus habe gerade für Kliniken und dessen Personal einen besonderen Stellenwert ‒ der als geradezu „elementar“ im Vergleich zum verständlichen Wunsch des Vaters zu bewerten sei.

 

Verwaltungsgericht Leipzig, Beschluss vom 09.04.2020

 Az. 7 L 192/20

Osterreisebeschränkungen in MeckPomm gekippt

 

  • Die Landesregierung hatte ein Reiseverbot verfügt. Doch das war dem Oberverwaltungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern zu viel der Restriktionen. Das Gericht hat in einem Eilverfahren den § 4 a SARS-CoV-2 Bekämpfungsverordnung des Landes vom 08.04.2020 zunächst außer Vollzug gesetzt.

 

  • In dem Paragraphen war den Einwohnern des Landes untersagt worden, Tagesausflüge zu den Ostseeinseln und den Küstengemeinden etc. zu unternehmen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die Verhältnismäßigkeit habe gefehlt.

 

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09.04.2020

Az. 2 KM 268/20 OVG und 2 KM 281/20 OVG

Fliesenmarkt ist kein Baumarkt

 

  • Ein Inhaber eines Fliesenmarktes aus Bremen war gegen die Entscheidung der zwangsweisen Ladenschließung per Eilantrag vorgegangen (Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus vom 23.03.2020). Ausnahmen bestanden nach dieser Verfügung nur für Lebensmittel-Einzelhandel, Baumärkte und Drogerien. Der Fliesenhändler argumentierte, sein Laden sei ein Baumarkt.
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  • Das Gericht sah das anders: Baumärkte hielten Materialien und Werkzeuge vor, die zur Behebung unaufschiebbarer Reparaturen notwendig sind. Fliesenmärkte gehörten nicht zu den für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen. Dort würden Materialien für Renovierungen und Sanierungen vorgehalten ‒ die aufschiebbar seien.
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  • Mittlerweile hat sich die Lage entspannt: Am 15.04.2020 entschieden Bundesregierung und Ländervertreter, dass Märkte bis 800 Quadratmeter wieder öffnen dürfen.

 

Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 03.04.2020

Az. 5 V 604/20

Maskenpflicht in Jena nicht rechtswidrig

 

  • Die Maskenpflicht in Jena wurde von der Stadtverwaltung erlassen ‒ mit der Maßgabe, diese Masken beim Benutzen von Bussen und Bahnen oder in Verkaufseinrichtungen zu tragen.
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  • Das Verwaltungsgericht hält die Maßnahme in einer Gesamtbetrachtung vorerst nicht für rechtswidrig ‒ muss jedoch ein Widerspruchsverfahren abwarten. Das befristete Tragen des Mund-Nasen-Schutzes wiege nicht so schwer, wie die möglichen Gefahren, die von einer Verbreitung des Virus ausgehen. Einschränkend heißt es: Wirksamkeit und Eignung müsse fortlaufend geprüft werden.

 

Verwaltungsgericht Gera, Beschluss vom 03.04.2020

Az. 3 E 432/20 Ge

Einschränkung in Pflegeheimen bleibt

 

  • Das Besuchsverbot von Angehörigen in Pflegeheimen ist rechtens. Der Eilantrag einer Brandenburgerin, die auf ein Besuchsrecht pochte, blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hält die in § 8 der SARS-CoV-2 Eindämmungsverordnung zu Einschränkungen des Besuchsrechts in Pflegewohnheimen für legitim.
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  • In Pflegeheimen leben besonders gefährdete Personen. In der Gesamteinschätzung seien die Maßnahmen mit Infektionsschutzgesetz und Grundgesetz vereinbar.
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  • Besuchseinschränkungen gehörten zum Handlungsspielraum des Verordnungsgebers.

 

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2020

Az. OVG 11 S 14/20

Weinhändler darf öffnen

 

  • Weinhandel ist Lebensmittelhandel ‒ wenn auch keine Grundversorgung. Deshalb gelang einem Weinhändler im Raum Aachen ein Erfolg mit seinem Eilantrag.
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  • Das Verwaltungsgericht Aachen genehmigte den Handel, weil der Begriff Lebensmittel umfassend zu verstehen sei. Die Stadt Aachen wollte den Genussmittelhandel einschränken ‒ ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Schließung seien nicht erfüllt, weil dies über die geltenden Maßnahmen hinausgehe.

 

Verwaltungsgericht Aachen, Beschluss vom 03.04.2020

 Az. 7 L 259/20

 

 

(JT)

Quelle: ID 46511470