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· Arbeitnehmerhaftung

Bundesarbeitsgericht bremst Autohaus aus: Wenn die Ausschlussfrist zum Boomerang wird

Bild: ©jayzynism - stock.adobe.com | Montage: IWW Institut

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Wenn Sie Fristen und Fälligkeiten von Ausschlussklauseln nicht streng im Blick haben, können die zum Boomerang werden. So erging es einem Autohaus-Inhaber, der nicht nur ein Auto verlor, sondern auch noch jeglichen Schadenersatzanspruch gegen seinen Fahrzeug-Verkäufer. CE Chef easy zeigt einen beispielgebenden Fall, der jetzt vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden wurde ( BAG, Urteil vom 07.06.2018, Az. 8 AZR 96/17 ). |

Vertragsgrundlagen

Die Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag zwischen Autohaus und angestelltem Verkäufer sieht vor, dass alle Ansprüche verfallen, soweit sie nicht

  • innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden,
  • spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Eine weitere Anweisung des Autohauses sieht vor, dass Neufahrzeuge erst dann an die Kunden zu übergeben sind, wenn sie entweder

  • vollständig bezahlt sind oder
  • die Finanzierung hinreichend abgesichert ist.

Der Fall

Ein Autohaus-Kunde kam am 19.09.2014 ins Autohaus, um einen Neuwagen abzuholen. Allerdings zahlte er den Wagen nur an. Er bedrängte den Verkäufer, den Wagen zunächst über das Wochenende mitnehmen zu können.

 

Der Verkäufer gab nach, was ein Pflichtverstoß war. Der Kunde verschwand und kam nie wieder. Eine folgenschwere Odyssee nahm ihren Lauf:

 

  • 09 | 2014: Strafanzeige des Autohauses gegen den Kunden
  • 11 | 2014: Kunde in Italien festgenommen, Fahrzeug beschlagnahmt. Dann die Wende: Haftbefehl aufgehoben; Fahrzeug an Kunden ausgehändigt
  • 02 | 2015: Anwälte von Kunde und Autohaus verhandeln erfolglos über die Restzahlung. Beauftragung einer Detektei zur Wiederbeschaffung des Wagens
  • 05 | 2015: Detektei teilt mit: Kunde (unter gemeldeter Adresse) nicht auffindbar
  • 08 | 2015: Klage beim LG Freiburg gegen Kunde: Klageschrift unzustellbar
  • 11 | 2015: Autohaus fordert seinen Verkäufer auf, seinen Fehler beim Verkauf anzuerkennen und Schadenersatz zu leisten
  • 12 | 2015: Autohaus verklagt seinen Auto-Verkäufer (30.000 Euro Schadenersatz)

Entscheidung

Schon die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auch die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht blieb ohne Erfolg für das Autohaus.

 

Ausschlussfrist war entscheidend

Entscheidend war allein die verfallene Ausschlussfrist. Diese begann nach Ansicht des BAG bereits im August 2015. Das war der Zeitpunkt, als das Autohaus Klage gegen den getürmten Kunden erhoben hat.

 

Die erst im November 2015 erfolgte schriftliche Aufforderung an den Verkäufer, seine Schuld anzuerkennen und Schadenersatz zu leisten, kam zu spät.

 

Beachten Sie | Das Gericht sah in diesem turbulenten Fall keine Notwendigkeit einer vorrangigen Klage gegen den straffälligen Kunden. Als die Klage im August 2015 erfolgte, war nämlich bereits offenkundig, dass es nicht ohne Weiteres möglich sein würde, das Geld vom Kunden einzutreiben (§ 254 Abs. 2 BGB bzw. § 241 Abs. 2 BGB).

 

FAZIT | Das Autohaus hätte im August 2015 auch gleich gegen den Verkäufer vorgehen müssen. Dem BAG war es bei der Urteilsfindung völlig egal, ob der Verkäufer bei der Herausgabe des Wagens pflichtwidrig gehandelt hat. Allein der Ablauf der Ausschlussfrist gab den Ausschlag, dass jegliche Arbeitnehmerhaftung als verwirkt gewertet wurde!

 

Lernen Sie daraus! Zwar ist es naheliegend, dass der Autohaus-Unternehmer vorrangig dem eigentlichen Täter (dem Kunden) auf die Schliche kommen wollte. Wenn Sie aufgrund eines Pflichtverstoßes aber erwägen, auch einen Arbeitnehmer in Haftung zu nehmen, müssen Sie bei allen Turbulenzen die Fristen strikt beachten.

 

Tipps für die Vertragsgestaltung

Mehr zu Fallstricken bei Ausschlussfristen können Sie in diesem Video sehen:

 

 

Musterklausel / „Ausschlussfristen“ im Arbeitsvertrag

§ XX Ausschlussfristen

(1) Alle Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen ‒ mit Ausnahme der nachstehend in Abs. (3) bezeichneten Ansprüche ‒ verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht werden.

 

(2) Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzverfahrens fällig werden und von dessen Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Ausschlussfrist von drei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.

 

(3) Für Ansprüche, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen resultieren sowie für Ansprüche auf Mindestlohn nach dem „Gesetz zur Regelung des allgemeinen Mindestlohnes ‒ Mindestlohngesetz (MiLoG)“ und für Ansprüche auf Mindestentgelt nach einer Mindestlohnverordnung nach dem „Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ‒ Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)“ gelten die Ausschlussfristenregelungen in Abs. (1) und (2) nicht.

 

Weiterführende Links

Quelle: ID 45356158