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23.06.2015 · IWW-Abrufnummer 144712

Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13

Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.


BUNDESARBEITSGERICHT

Urteil vom 19.5.2015

9 AZR 725/13

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Juni 2013 - 16 Sa 51/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

2

Die Klägerin war ab dem 1. April 2007 bei der Beklagten gegen eine monatliche Vergütung iHv. zuletzt 2.000,00 Euro brutto als Ergotherapeutin beschäftigt. Bei einer Fünftagewoche standen ihr jährlich 36 Urlaubstage zu. Im Jahr 2010 hatte sie sechs Tage Urlaub. Nach der Feststellung einer Schwangerschaft bestand ab dem 1. Mai 2010 ein Beschäftigungsverbot. Am 21. Dezember 2010 gebar sie einen Sohn. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist befand sich die Klägerin ab dem 16. Februar 2011 in Elternzeit. Die Parteien beendeten das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15. Mai 2012.

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Mit Anwaltsschreiben vom 24. Mai 2012 verlangte die Klägerin von der Beklagten ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012 bis zum 4. Juni 2012. Nach Zustellung der Klage hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. September 2012 erklärt, sie kürze den Erholungsurlaub der Klägerin für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht mehr abgeben können. Im Übrigen verstoße die im Gesetz vorgesehene Kürzungsmöglichkeit gegen das Recht der Europäischen Union.

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Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.234,50 Euro brutto nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Juni 2012 zu zahlen.

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Zu ihrem Klageabweisungsantrag hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Abgabe der Kürzungserklärung sei auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch möglich. Für ihre Abgabe schreibe das BEEG keinen Zeitpunkt vor.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und dem zuletzt gestellten Klageantrag stattgegeben. Es hat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs für Zeiten der Elternzeit verurteilt worden ist. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter, soweit sie zur Zahlung von 3.822,00 Euro brutto verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet.

9

I. Die Beklagte hat die Revision in zulässiger Weise nur beschränkt eingelegt. Sie greift das Urteil des Landesarbeitsgerichts nur an, soweit dieses eine Kürzung des Erholungsurlaubs um je ein Zwölftel für die Monate März 2011 bis April 2012 abgelehnt hat. Die Beklagte wendet sich mit der Revision nicht dagegen, dass das Landesarbeitsgericht der Klägerin eine Abgeltung von je 1,5 Urlaubstagen in Bezug auf die Monate Februar 2011 und Mai 2012 iHv. je 136,50 Euro brutto zugesprochen hat, weil sich die Kürzungsmöglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur auf jeden „vollen Kalendermonat“ beziehe. Die Beklagte begehrt daher nur die Aufhebung des Berufungsurteils, soweit sie verurteilt wurde, an die Klägerin 3.822,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen.

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II. Die Beklagte hat mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BUrlG entstandenen Abgeltungsanspruch nicht wirksam um 3.822,00 Euro brutto gekürzt. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

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1. Im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden auch die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2011 noch. Während der Elternzeit, die zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses führt, entstehen Urlaubsansprüche (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 24, BAGE 138, 58). Diese waren nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG am 31. Dezember 2011 verfallen. Der Arbeitgeber hat noch nicht gewährten Urlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren (§ 17 Abs. 2 BEEG). Die Vorschrift stellt sicher, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt (BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 219/07 - Rn. 15, BAGE 126, 352). Der Urlaubsanspruch der Klägerin, die länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt war, entstand bereits Anfang Januar 2011. Diesen Urlaub hatte die Klägerin vor Beginn der Elternzeit nicht erhalten. Da das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Elternzeit nicht fortgesetzt wurde, sind die Urlaubsansprüche des Jahres 2011 nach § 17 Abs. 3 BEEG, § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

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2. Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub kürzen, muss aber von diesem Recht keinen Gebrauch machen (Neumann/Fenski BUrlG 10. Aufl. § 17 BEEG Rn. 3). Will er seine Befugnis ausüben, ist eine (empfangsbedürftige) rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich, um den Anspruch auf Erholungsurlaub herabzusetzen (vgl. BAG 23. April 1996 - 9 AZR 165/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 83, 29 [zu § 17 BErzGG]; 27. November 1986 - 8 AZR 221/84 - zu 2 b der Gründe, BAGE 53, 366 [zu § 8d MuSchG aF]; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 17 BErzGG Rn. 5).

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3. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der Arbeitgeber die Erklärung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG im bestehenden Arbeitsverhältnis abgeben muss, wenn er von seiner Kürzungsbefugnis Gebrauch machen will.

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a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Kürzungserklärung im (noch) bestehenden Arbeitsverhältnis abzugeben. Selbst die Abgabe der Erklärung erst im Rechtsstreit um die Zahlung der Urlaubsabgeltung ist als wirksam angesehen worden (BAG 23. April 1996 - 9 AZR 165/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 83, 29; 28. Juli 1992 - 9 AZR 340/91 - zu 1 c der Gründe, BAGE 71, 50). Auch nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum kann die Kürzung vor, während oder nach Ende der Elternzeit erklärt werden (ErfK/Gallner 15. Aufl. § 17 BEEG Rn. 4; HWK/Gaul 6. Aufl. § 17 BEEG Rn. 5; Neumann/Fenski aaO; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 172 Rn. 26; Arnold/Tillmanns/Tillmanns BUrlG 3. Aufl. § 17 BEEG Rn. 10; Hk-MuschG/BEEG/Rancke 3. Aufl. § 17 BEEG Rn. 6). Nachdem der Senat die sog. Surrogatstheorie mit Urteil vom 19. Juni 2012 (- 9 AZR 652/10 - BAGE 142, 64) vollständig aufgegeben hat, sind mehrere Landesarbeitsgerichte weiterhin davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber die Kürzung des Erholungsurlaubs auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses erklären kann (LAG Niedersachsen 16. September 2014 - 15 Sa 533/14 - zu II 1 b der Gründe, mit zust. Anm. Hoffmann jurisPR-ArbR 2/2015 [Revision eingelegt unter - 9 AZR 703/14 -]; LAG Rheinland-Pfalz 16. Januar 2014 - 5 Sa 180/13 - zu II 3 b der Gründe; Hessisches LAG 6. Dezember 2013 - 3 Sa 980/12 - zu B I 2 b der Gründe [Revision eingelegt unter - 9 AZR 205/14 -]).

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b) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne eine Erklärung mit der Folge der Kürzung des Abgeltungsanspruchs nicht mehr abgegeben werden, ist auch auf Zustimmung gestoßen. Dabei ist ua. darauf hingewiesen worden, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nach seinem Wortlaut nur von der Kürzung des „Urlaubsanspruchs“ und nicht des Urlaubsabgeltungsanspruchs spreche (Dawirs NJW 2014, 3612, 3616).

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4. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut der Norm hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen, dass nach der vollständigen Aufgabe der Surrogatstheorie § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht mehr auf den Urlaubsabgeltungsanspruch angewandt werden kann.

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a) Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhte auf der vom Senat vollständig aufgegebenen Surrogatstheorie. Nach dieser war der Urlaubsabgeltungsanspruch Erfüllungssurrogat des Urlaubsanspruchs. Es bestand Zweckidentität zwischen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen (BAG 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 - Rn. 16, BAGE 142, 64). Dass für die bisherige Rechtsprechung des Senats die Surrogatstheorie maßgeblich war, zeigt das Argument im Urteil des Senats vom 28. Juli 1992 (- 9 AZR 340/91 - zu 1 c der Gründe, BAGE 71, 50): „Ist es möglich, den Erholungsurlaub nach § 17 Abs. 1 BErzGG zu kürzen, kann der Arbeitgeber ebenso das Surrogat des Urlaubs, die Urlaubsabgeltung, kürzen.“

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Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ein reiner Geldanspruch und nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs. Der Urlaubsabgeltungsanspruch verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist er entstanden, bildet er jedoch einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (BAG 14. Mai 2013 - 9 AZR 844/11 - Rn. 14, BAGE 145, 107). Der Abgeltungsanspruch ist damit nicht mehr als Äquivalent zum Urlaubsanspruch, sondern als ein Aliud in Form eines selbstständigen Geldanspruchs anzusehen.

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b) Die übrigen in der Vergangenheit von der Rechtsprechung angeführten Argumente sind nicht geeignet, eine Kürzung des Urlaubsabgeltunganspruchs zu begründen. So trägt das Argument nicht, oft stehe erst im Nachhinein fest, in welchem Umfang eine Kürzung überhaupt in Betracht komme. Den Umfang der möglichen Kürzung des Erholungsurlaubs gibt § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG mit der Formulierung „für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel“ vor. Von der Dauer der Elternzeit hat der Arbeitgeber regelmäßig bereits aufgrund des schriftlichen Verlangens nach § 16 Abs. 1 BEEG Kenntnis.

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c) Wird das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, können Arbeitgeber während der einzuhaltenden Kündigungsfristen (vgl. § 19 BEEG) oder vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags von ihrer Kürzungsbefugnis Gebrauch machen. Ein schutzwürdiges Interesse von Arbeitgebern, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandene Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern kürzen zu dürfen, fehlt deshalb.

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d) Die Regelung in § 17 Abs. 4 BEEG gibt kein anderes Ergebnis vor. Die Vorschrift regelt die Kürzung des nach dem Ende der Elternzeit zustehenden Urlaubs, also eines bestehenden oder entstehenden Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers. Die Kürzungsmöglichkeit entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit beendet wird. Eine rückwirkende Kürzung des vor der Elternzeit erfüllten Urlaubsanspruchs und eine Rückforderung des gezahlten Urlaubsentgelts sieht § 17 Abs. 4 BEEG in diesem Fall nicht vor. Daraus wird deutlich, dass es sich bei der Verrechnungsmöglichkeit gerade nicht um ein Gestaltungsrecht mit Rückwirkung handelt, sondern um die Befugnis, bestehenden oder künftig entstehenden Urlaub zu kürzen.

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Zwar sind dem Arbeitsrecht Gestaltungsrechte mit Rückwirkung nicht fremd (vgl. zum Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB BAG 16. April 2013 - 9 AZR 731/11 - Rn. 26 mwN, BAGE 145, 8). Gerade das von der Beklagten in der Revisionsverhandlung angeführte Anfechtungsrecht zeigt freilich, dass genau zu prüfen ist, ob die Rückwirkung mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts zu vereinbaren ist. So kann ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht mehr mit rückwirkender Kraft angefochten werden (ex-nunc-Wirkung; vgl. BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 754/97 - zu II 3 a aa der Gründe mwN, BAGE 90, 251). Im Übrigen ist zu beachten, dass eine Rückwirkung eines durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübten Gestaltungsrechts auf einen Zeitpunkt vor Zugang der Erklärung nicht nur zu praktischen Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung vollzogener Rechtsverhältnisse führen, sondern auch den Grundsätzen rechtlicher Klarheit widersprechen würde (vgl. BAG 13. Juli 2006 - 8 AZR 382/05 - Rn. 38). Soll die Ausübung eines Gestaltungsrechts gleichwohl ex-tunc-Wirkung entfalten, ist grundsätzlich eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung erforderlich (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 50 mwN, BAGE 145, 163). Eine solche Anordnung fehlt in § 17 BEEG.

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5. Die Beklagte kann sich nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen.

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a) Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Es bedarf nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85 mwN, BVerfGE 122, 248).

25

b) Bezüglich der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 1 BEEG lag eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht vor. Die beiden von der Beklagten angeführten Entscheidungen vom 23. April 1996 (- 9 AZR 165/95 - zu II 1 der Gründe, BAGE 83, 29) und 28. Juli 1992 (- 9 AZR 340/91 - zu 1 c der Gründe, BAGE 71, 50) ergingen zu § 17 BErzGG. Schon bei Beginn der Elternzeit im Jahre 2011 konnte die Beklagte nicht darauf vertrauen, dass das Bundesarbeitsgericht die Rechtsprechung ohne Weiteres auf § 17 BEEG übertragen würde, weil zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war, dass die sog. Surrogatstheorie nicht aufrechterhalten bleiben konnte. Für die Arbeitgeber bestand mit Ablauf der Umsetzungsfrist der ersten Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG am 23. November 1996 bereits kein schützenswertes Vertrauen mehr in den Fortbestand der bisherigen Senatsrechtsprechung zur Surrogatstheorie (BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 101, BAGE 134, 1). Spätestens mit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in der Sache Schultz-Hoff vom 2. August 2006 (- 12 Sa 486/06 -) muss ein umfassender Vertrauensverlust in den Fortbestand der Surrogatstheorie angenommen werden (BAG 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 - Rn. 31, BAGE 139, 1).

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6. Die vom Landesarbeitsgericht bejahte Frage, ob die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar ist (vgl. dazu aus jüngerer Zeit: Kamanabrou RdA 2014, 321, 324 ff.; Ricken/Zibolka EuzA 2014, 504, 511 ff.; Schubert NZA 2013, 1105, 1111), bedurfte im vorliegenden Fall keiner Klärung (offengelassen bereits in BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 37, BAGE 138, 58).

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7. Die Höhe des Abgeltungsanspruchs steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 verlangte die Klägerin von der Beklagten ohne Erfolg die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche bis zum 4. Juni 2012.

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III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.