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· Aktuelle Gesetzgebung

Antworten auf die wichtigesten Fragen zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz

Bild: IWW/canva

| Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) tritt am 2.7.23 in Kraft. Für viele Unternehmen zeitlich ungünstig, da Deutschland sich in oder vor den Sommerferien befindet. Die großen Unternehmen haben bereits vorgesorgt, viele mittelständische Unternehmen noch nicht. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den ersten Fragen. |

1. Gilt das HinSchG jetzt für alle Unternehmen?

Nein. Zunächst sind seit dem 2.7.23 Unternehmen ab 250 Beschäftigten betroffen. Für Unternehmen zwischen 50 und 249 Beschäftigten gibt es noch eine Übergangsfrist bis zum 17.12.23.

 

Das HinSchG spricht von „Beschäftigungsgebern“. Diese können sein:

  • juristische Personen des Privatrechts (z. B. eingetragene Verein, eingetragene Genossenschaft, AG, KG auf Aktien, GbR, Stiftungen des Privatrechts)
  • juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Gebiets-, Personal- und Verbandskörperschaften auf Bundes- und Landesebene;
  • rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen;
  • öffentlich-rechtliche Stiftungen;
  • die evangelische und katholische Kirche mit ihren Kirchengemeinden.

 

In einigen Branchen und Sektoren ist ein Hinweisgebersystem unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten vorgeschrieben. Unternehmen in Branchen wie Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Energie sind verpflichtet, ein Hinweisgebersystem bereit zu stellen. Gleiches gilt für Regierungen und den öffentlichen Dienst.

2. Warum gibt es ein HinSchG in Deutschland?

Mit dem HinSchG endet ein langer Gesetzgebungsprozess, der mit dem Inkrafttreten der Europäischen Hinweisgeberrichtlinie (EU) 2019/1937 am 16.12.19 begann. Seit Ende 2021 war Deutschland mit der Umsetzung im Verzug. Zuletzt lief aus diesem Grund ein teures Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission.

3. Was sieht das HinSchG vor?

Wesentlicher Inhalt des HinSchG ist, neben den Meldekanälen und der Vertraulichkeit, der Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien. Dafür sieht das Gesetz ein Verbot vor, das auch die Androhung oder den Versuch von Repressalien beinhaltet. Die Europäische Whistleblowing-Richtlinie nennt einige Beispiele für Repressalien, wie etwa: Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung, Änderung der Arbeitszeit, Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungsbeurteilung, Disziplinarmaßnahmen, Nötigung, Mobbing, vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen für Geschäftspartner.

 

Zudem gilt bei Benachteiligungen, die mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängen, zukünftig die Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers. Sollte der hinweisgebenden Person also z. B. nach einem Hinweis gekündigt werden, wird vermutet, dass dies eine verbotene Repressalie i. S. d. Gesetzes sei. Die Beweislastumkehr greift aber nur, wenn die hinweisgebende Person auch geltend macht, dass die Benachteiligung gerade aufgrund ihrer Meldung erfolgt ist. Zusätzlich gibt es einen Schadenersatzanspruch für die hinweisgebende Person, der dennoch eine Repressalie widerfahren ist.

4. Was passiert, wenn der Arbeitgeber das HinSchG ignoriert?

Das HinSchG sieht Bußgelder für Unternehmen vor, die gegen die Regelungen verstoßen. So kann z. B. ein Bußgeld

  • in Höhe von 20.000 EUR fällig werden, wenn trotz Verpflichtung kein interner Meldekanal zur Verfügung gestellt wird oder
  • in Höhe von 50.000 EUR verhängt werden, bei Repressalien gegenüber Hinweisgebern.

 

Die Bußgeldandrohung tritt erst sechs Monate nach Veröffentlichung des HinSchG in Kraft. Durch einen Verweis auf § 30 OWiG können sich diese Bußgelder bei bestimmten Ordnungswidrigkeiten sogar noch verzehnfachen.

5. Was ist eine „interne“ und „externe“ Meldestelle?

Alle Unternehmen müssen sich an die Regelungen des HinSchG halten und dürfen Hinweisgebern keine Nachteile verschaffen. Bei allen Unternehmen wird eine Möglichkeit für Hinweisgebende existieren, sich an eine externe Meldestelle zu wenden. Dies ist in der Regel eine Stelle bei einer Bundes- oder Landesbehörde, die thematisch zuständig ist, wie z. B. das Bundesamt für Justiz, die BaFin oder das Bundeskartellamt. Unternehmen in der Regel mit mindestens 50 ArbN müssen zudem eine interne Meldestelle errichten und zur Verfügung stellen.

 

PRAXISHINWEIS | Zunächst ist es wichtig, eine interne Meldestelle im Unternehmen einzurichten. Hierbei müssen die Verantwortlichen im Vorfeld folgende Fragen beantworten:

  • Schaffen wir das im Unternehmen allein? Welcher/Welche Arbeitnehmer könnte das noch übernehmen?
  • Wo können wir gegebenenfalls externe Unterstützung finden (Stichwort: Beratung)?
  • Oder ist für unser Unternehmen oder unsere Konzerngruppe eine Ombudsperson/ein Vertrauensanwalt die bessere Alternative? Hinweis: In Konzernstrukturen kann eine konzernweite zentrale Meldestelle errichtet werden, da dies vom HinSchG ermöglicht wird.
  • Wie gehen wir verfahrenstechnisch mit Meldungen von Hinweisgebern um?
  • Falls es bereits eine Meldestelle und/oder Vorgaben im Umgang mit Meldungen im Unternehmen gibt: Stehen diese im Einklang mit den Regelungen des neuen HinSchG?
  • Arbeitgeber mit Betriebsrat: Welche Mitbestimmungsrechte stehen diesem zu; wird eine Betriebsvereinbarung benötigt?
 
Quelle: ID 49543669