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· Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Nachhilfe für Arbeitgeber: Bund will Betriebsräte stärken und die Lasten für Unternehmer erhöhen

Bild: © Wolfilser - stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Insitut

| Ist das wirklich nötig? Trotz krisengebeutelter Wirtschaft zieht Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sein Programm aus dem Koalitionsvertrag durch: Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll sowohl das Gründen als auch das Agieren von Betriebsräten erleichtert werden, heißt es aus dem Ministerium. Doch braucht die Wirtschaft diese Nachhilfe durch den Gesetzgeber? |

 

Es sind Daten aus dem Jahr 2018 ‒ mit denen der Gesetzgeber seine Inititaive ausschmückt: Denn verabredet war die Stärkung von Betriebsräten bereits im Koalitionsvertrag aus dem gleichen Jahr. Ob der Vorstoß in Zeiten höchster wirtschaftlicher Anspannung durch die Corona-Pandemie noch zeitgemäß erscheint, darf sehr ernsthaft bezweifelt werden.

Die betriebliche Mitbestimmung nimmt ab, aber ...

Vor der Pandemie schrieb das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass sich das Thema „betriebliche Mitbestimmung“ auf dem Rückzug befände. Gleichzeitig schreibt das IAB aber auch: Es stelle sich die Frage, inwieweit diese rückgängige Entwicklung strukturellen Veränderungen der Betriebslandschaft geschuldet ist, insbesondere dem wachsenden Dienstleistungsbereich, und damit gleichsam ein Nebenprodukt des Strukturwandels ist.

 

Und die Statistik ist auch gar nicht so problematisch, wenn man die vielen Kleinbetriebe (bei denen es ohnehin kaum Arbeitnehmervertretungen gibt) mal außer Acht lässt: Dann nämlich haben 45 Prozent der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten einen Betriebsrat, wobei knapp zwei Drittel der Beschäftigten (das sind immerhin 63 Prozent) in diesen Betrieben arbeiten, so das IAB im Mai 2018.

 

MERKE | Zahlreiche Jung-Unternehmen machen es vor: Dort wurden längst neue Formen der Mitbestimmung definiert ‒ die vor allem auf direkte persönliche Mitbestimmung der Mitarbeiter und gleichzeitiger Verantwortung der Arbeitgeber setzen. Eine „offizielle Vertretung zur Mitbestimmung = Betriebsrat“ wird dort oft gar nicht gewünscht (erscheint eher als Old School).

 

Dennoch sendet die SPD mit der Gesetzesinitiative noch ein letztes Zeichen des Klassenkampfs an ihre Wählerklientel. In Zeiten der mehrfach andauernden Corona-Lockdowns fragt man sich: Was soll das jetzt? Haben wir keine anderen Sorgen?

 

 

So soll es im Gesetz stehen

1. Ziel: Erleichterte Betriebsratswahlen und -gründungen

  • Das vereinfachte Wahlverfahren soll großzügiger umgesetzt werden (bisher galt es bis 100 Beschäftigte, künftig bis 200).
  • Wer Betriebsrat werden will, braucht weniger „Stützunterschriften“ (bei Unternehmen bis 20 Beschäftigten sind keine Unterschriften mehr nötig; bei Unternehmen bis 100 Beschäftigten genügen dann zwei Unterschriften).
  • Das Anfechten von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste soll eingeschränkt werden.
  • Alle gewählten Betriebsräte bekommen höheren Kündigungsschutz. Bisher ist der Kündigungsschutz auf drei Personen beschränkt.

 

2. Ziel: Jugend- und Ausbildungsvertretungen ohne Altersbegrenzung

  • Für Azubi-Vertretungen soll ein vereinfachtes Wahlverfahren weithin gelten (analog Ziel 1).
  • Die bestehende Altersgrenze bei der Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung soll gestrichen werden.

 

3. Ziel: Arbeitserleichterungen durch digitale Betriebsratsarbeit

  • Betriebsräte können danach selbst bestimmen (unter Wahrung des Vorrangs von Präsenzsitzungen), ob sie Video- oder Telefonmeetings veranstalten.
  • Betriebsvereinbarungen können auch unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden.
  • Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nach der Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679) soll bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat gesetzlich klargestellt werden.

 

4. Ziel: Mitbestimmung bei mobiler Arbeit

  • Ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit ist geplant.

 

  • Beachten Sie | Erklärtes Ziel der SPD ist es, ein „Recht auf Homeoffice“ dort zu erwirken, wo es möglich ist. Dieses Mitbestimmungsrecht ist ein erster Schritt dorthin. Betriebsräte können dann bei der Gestaltung von einheitlichen und verbindlichen Rahmenbedingungen im Betriebsverfassungsgesetz BetrVG mitreden.

 

5. Ziel: Rechte des Betriebsrats zur Weiterbildung

  • Zur Stärkung der Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung wird das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung durch die Möglichkeit der Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung gestärkt.

 

6.Ziel: Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von KI

  • Betriebsräte sollen einen Sachverständige hinzuziehen dürfen, der Einsatz und Zweck überprüft.
  • Die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen gelten auch, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden.
  • Soll KI zur Stellenbesetzung genutzt werden, dürfen Betriebsräte bei der Erstellung der Richtlinien über die personelle Auswahl mitreden.

Ausblick zum Verfahrensgang

Der Kabinettsbeschluss steht:. Nun geht der Entwurf in den Bundestag und kann in erster Lesung beraten werden. Da diese Zielsetzungen schon im Koalitionsvertrag verankert sind, wird die Umsetzung ggf. mit kleinen Modifikationen voraussichtlich auch noch vor der Bundestagswahl kommen.

 

Quellen:

- BMAS

- Regierungsentwurf: Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz)

Quelle: ID 47326974