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11 rechtliche Irrtümer und Mythen zum Karneval

Bild: IWW/Canva

| Nach zwei Jahren im Corona-Ausnahmezustand findet der Straßenkarneval bzw. Fasching 2023 voraussichtlich im normalen Modus statt. Der Beitrag räumt mit den größten arbeitsrechtlichen Irrtümern und Mythen rund um den Karneval auf und gibt Tipps für den ArbG. |

1. ArbG muss in Karnevalshochburgen dem ArbN freigeben

Einen „allgemeinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung“ gibt es nicht, auch nicht in den Faschings- und Karnevalshochburgen. Rosenmontag und/oder Faschingsdienstag sind auch dann keine Feiertage, wenn sie regional immer gefeiert werden. Daher entscheidet der ArbG, ob er den Rosenmontag als normalen Arbeitstag oder als zusätzlichen bezahlten „Feiertag“ behandelt. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht (so LAG Köln 25.4.13, 7 TaBV 77/12, Abruf-Nr. 171039). Ein erzwingbarer Anspruch auf Arbeitsbefreiung ist nur durch Vereinbarung möglich, z. B. im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder durch betriebliche Übung. So entschied das Arbeitsgericht Köln (7.10.09, 2 Ca 6269/09) für den Rosenmontag, dass für diesen Tag ebenso wie für Weiberfastnacht kein Anspruch des ArbN auf Arbeitsbefreiung besteht (für Karnevalsdienstag: Bayerischer VGH 25.7.07, 17 P 05.3061)

2. An Karneval kann der ArbN sich selbst beurlauben

Auch wenn am Rosenmontag der Urlaub nicht genehmigt wird, sollte der ArbN sich nicht selbst beurlauben oder versuchen, diesen mit der Drohung zu erzwingen, er werde sonst an diesem Tag krank werden. Bei Androhung von Krankheit im Falle der Nichtgewährung von Urlaub droht nämlich eine fristlose Kündigung (BAG 12.3.09, 2 AZR 251/07, Abruf-Nr. 093717).

3. ArbG muss stets der ganzen Belegschaft freigeben

Bei der Gewährung arbeitsfreier Tage an Karneval stellt sich die Frage, ob dieses für die gesamte Belegschaft gilt. In der Regel werden nicht alle Mitarbeiter in allen Standorten innerhalb Deutschlands freigestellt. Dies kann zwar zu einer Ungleichbehandlung der ArbN aus Karnevalsregionen und solchen, die keinen Brauchtum feiern, führen. Eine Ungleichbehandlung ist aber meist wegen der regionalen Unterschiede wohl gerechtfertigt (vgl. VerwG Berlin 21.1.16, VG 62 K 19.15. PVL).

4. ArbN ohne „Rosenmontagsurlaub“, müssen arbeiten

Für neue ArbN findet eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende betriebliche Übung Anwendung, auch wenn der freie Tag in den neuen Arbeitsvertrag nicht aufgenommen wurde. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die betriebliche Übung explizit im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.

5. Karneval-Fotos von ArbN dürfen in das Intranet

Wer Fotos von verkleideten ArbN in Karnevalskostümen, zum Beispiel auf der Firmenwebseite oder Social-Media-Plattformen, veröffentlichen möchte, muss nach dem KUG die Einwilligung des Abgebildeten haben. Diese Zustimmung kann nach der DSGVO vom Abgebildeten jederzeit widerrufen werden.

6. Wie viel Alkohol getrunken wird, entscheidet der ArbN selbst

Ob während der Arbeitszeit Alkohol getrunken werden darf, legt der ArbG fest. Es handelt sich um eine Frage der Ordnung im Betrieb, ob an Karneval oder zu anderen Gelegenheiten (BAG 13.2.90, 1 ABR 11/89). Beim Alkoholkonsum ist entscheidend, dass alle ArbN die Pflicht haben, ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz nicht durch das Trinken von Alkohol zu beeinträchtigen. Sie unterliegen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, einen arbeitsfähigen Zustand aufrecht zu erhalten.

7. Radiohören muss der ArbG dulden

Der ArbN ist arbeitsvertraglich verpflichtet, die ihm übertragene Arbeit ordnungsgemäß zu erbringen. Er muss konzentriert sowie sorgfältig arbeiten und darf die Arbeit nicht unterbrechen, um privaten Interessen nachzugehen. Wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch das Radiohören nicht beeinträchtigt ist, verletzt das Radiohören keine arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 14.1.86, 1 ABR 75/83). In Betrieben ohne Betriebsrat kann der ArbG im Rahmen seines Direktionsrechts das Radiohören untersagen. Besteht ein Betriebsrat kann eine solche Regelung nicht einseitig erfolgen, denn das Radiohören betrifft die Ordnung im Betrieb und ist daher mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

8. ArbG muss Verkleidung der ArbN am Arbeitsplatz zulassen

Auch an Karneval gibt es keinen Rechtsanspruch auf Verkleidung. Das BAG hat dem EuGH folgend hinsichtlich der Bekleidungsvorschriften („Kopftuch-Fall“, 15.7.21, C-804/18 und C-341/19, Abruf-Nr. 225166) festgelegt, dass ein ArbG von seinen ArbN mit Außenkontakt erwarten kann, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung darf auch während der närrischen Tage nicht gegen ein Karnevalskostüm getauscht werden.

9. Krawatte an Altweiber ab = ArbN müssen es hinnehmen

Es ist ein gängiger Brauch, männlichen Kollegen/Vorgesetzten an Weiberfastnacht die Krawatte abzuschneiden. Besonders in den Karnevalshochburgen haben sich die ArbG damit abgefunden. Wer dies nicht möchte, sollte zumindest an diesem Tag auf eine Krawatte verzichten oder nur eine „entbehrliche“ tragen. Das Abschneiden der Krawatte ist aber grundsätzlich eine Sachbeschädigung, gegen die man sich wehren darf. Das Amtsgericht Essen (3.2.88, 20 C 691/87) entschied, dass das ungewollte Abschneiden einer Krawatte zur Schadenersatzpflicht führt.

10. ArbN darf auch während der Arbeitsunfähigkeit feiern

Ein „genesungswidriges Verhalten“ muss der ArbG nicht dulden. Das sah auch das LAG Nürnberg (1.7.14, 7 Sa 498/13, Abruf-Nr. 233293) so: Der ArbN war bereits seit Ende Januar wegen einer Grippe arbeitsunfähig erkrankt. Anfang Februar fand eine Faschingsveranstaltung im Freien statt, an der er bei Temperaturen von minus 5° Grad Celsius teilnahm. Er traf dort auf seinen ArbG. Dieser forderte ihn auf, am nächsten Tag zur Arbeit zu erscheinen. Dem kam der ArbN nicht nach. Mit Schreiben vom folgenden Tag wies der ArbG ihn auf sein unkorrektes Verhalten hin und kündigte noch am selben Tag.

 

Die dagegen erhobene Klage wies das Arbeitsgericht Weiden ab. Das übliche Attest des Arztes untersagte ihm ein Verlassen des Hauses oder geringe Freizeitbetätigung nicht. Es wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Kälte oder Arbeitsbelastung zu vermeiden seien. Mit der Berufung begehrte der ArbN den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis Ende Februar weiter. Er sei warm angezogen gewesen, habe sich während des zweistündigen Aufenthalts auch in einer Gaststätte aufgewärmt. Hauptsächlich zu Beginn seiner Erkrankung habe er sich schonen sollen. Im Übrigen habe es einer vorherigen Abmahnung bedurft. Der ArbG sah vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt und stufte das Verhalten als genesungswidrig ein.

 

Das LAG Nürnberg wies die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden zurück. Es nahm einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung an. Der ArbN habe in schwerwiegender Weise gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Ob der Heilungsprozess durch den Besuch der Veranstaltung beeinträchtigt worden sei, lasse sich nicht mehr aufklären. Auch eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der ArbN trotz der Begegnung mit seinem Vorgesetzten keine Anstalten gemacht habe, die Feier zu verlassen. Dass der ArbN entgegen der Aufforderung des ArbG am nächsten Tag ‒ der vorletzte der Krankschreibung ‒ nicht zur Arbeit erschienen sei, sei kein Kündigungsgrund. Er sei nicht verpflichtet gewesen, bereits einen Tag früher als attestiert, die Arbeitsfähigkeit wieder anzuzeigen.

11. Betriebliche Feier hat keinen Versicherungsschutz

Wenn die betriebliche Karnevalsfeier dem Betriebsklima dient und allen Betriebsangehörigen offensteht, stehen die ArbN während der Feier und auf dem Hin- und Heimweg unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend für den Unfallschutz ist allein, ob die Feier vom Willen des ArbG getragen ist (so allgemein BSG 26.6.14, B 2 U 7/13 R, Abruf-Nr. 142367). Unproblematisch ist dies, wenn die Betriebsfeier vom ArbG organisiert ist, aber auch eine von der Belegschaft organisierte Feier kann vom Unfallschutz gedeckt sein. Entscheidend ist, dass eine solche Feier mit dem ArbG abgesprochen ist. Man sollte im Vorfeld klären, was erlaubt ist und was nicht. Das Vorhandensein von Flüssigkeiten und die damit verbundene Gefahr des Ausrutschens oder der sonstigen Schädigung kann gerade im Karneval nicht komplett vermieden werden (OLG Köln 28.6.02, 19 U 7/02, Abruf-Nr. 030123) und begründen keine Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.

 

Autorin |

RAin Heike Mareck, Dortmund, www.kanzlei-mareck.de

Quelle: ID 49190093