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· Gesundheits-Sensibilisierung | Checkliste

Gesundheitsförderung: Analyse, Checkliste und steuerliche Betrachtung (Arbeitslohn)

| Wie lange Beschäftigte krankheitsbedingt fehlen, hängt stark vom Job ab. Das ergibt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). CE Chef easy liefert Ihnen mit der Checkliste „Gesundheitsförderung“ einen Überblick, mit welchen Präventionsangeboten Sie dem Krankenstand entgegenwirken. Aber Vorsicht: Gesundheitsprävention ‒ hier die sogenannte Sensibilisierungswoche ‒ ist schnell steuerpflichtiger Arbeitslohn. Das hat der BFH jetzt entschieden. |

 

Arbeitnehmer in den Berufen mit den höchsten Krankenständen fehlten in 2018 im Schnitt 26,3 Tage. In Berufen mit den niedrigsten Krankenständen waren es nur 12,8 Tage. Die Ausfallzeiten hatten mit 4,6 Tagen Beschäftigte in den Berufen der Hochschullehre und -forschung. Die höchsten Werte hatten Beschäftigte in der Ver- und Entsorgung mit 32,5 Tagen.

 

„Jeder Beruf beinhaltet ein spezifisches gesundheitliches Risikoprofil“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Wenn Sie in Ihrer Branche präventive Gesundheitsvorsorge anbieten wollen, nutzen Sie die Checkliste für mögliche Praventionsangebote und analysieren die nachfolgende WIdO-Statistik.

 

WEITERFüHRENDER LINK |

Zum Thema „Lohnfortzahlung und Kündigungsschutz“ lesen Sie mehr im CE-Beitrag „Immer wieder krankheitsbedingte Ausfälle: Das „Erste-Hilfe-Paket“ für Arbeitgeber

 

 

Checkliste / Arbeitgeber-Optionen „Gesundheitsförderung“

Ziele der Betrieblichen Gesundheitsvorsorge

  • Höhere Produktivität und Qualität der Arbeit
  • Stärkere Wettbewerbsfähigkeit und besseres Unternehmensimage
  • Größere Mitarbeiterzufriedenheit und Identifikation
  • Höhere Leistungsfähigkeit und Motivation
  • Geringere Krankenstände und weniger Fluktuation
  • Besseres Betriebsklima und mehr kollegialer Zusammenhalt

 

Umsetzung

  • 1. Betrachten Sie zunächst die in der WIdO-Analyse (siehe unten) aufgeführten Branchen
  • 2. Analysieren Sie nun den realen Krankenstand in Ihrem Unternehmen.
  • 3. In erster Ableitung sollten Sie dann eine Einschätzung treffen, ob der Krankenstand bei Ihren Mitarbeiter im Vergleich zum Branchendurchschnitt eher niedrig oder erhöht ist.
  • 4. In zweiter Ableitung können Sie dann entscheiden, welche speziellen betrieblichen Vorsorgeangebote Sie in Erwägung ziehen sollten.

 

Beachten Sie |

  • Vorsicht ist geboten in Sachen Lohnsteuerpflicht. Mit dem Versuch, eine präventive Sensibilisierungswoche im Sinne der Gesundheitsprävention steuerfrei zu halten, ist jetzt ein Arbeitgeber höchstrichterlich gescheitert (mehr dazu unterhalb dieser Checkliste).

Vorsorgeangebote

1. Arbeitsgestaltung
  • gesundheitsgerechte Verpflegung:

Analyse der Betriebskantine

  • verhältnisbezogene Suchtprävention:

Rauch- und Alkoholverbot

  • gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeitstätigkeit und -bedingungen:

Vermeidung von ständigen Unterbrechungen

  • gesundheitsgerechte Führung:

Führungskräfteschulungen

 

2. Arbeits-und Lebensstil (Verhaltensprävention)
  • bewegungsförderliches Arbeiten und körperlich aktive Beschäftigte:

Bewegungspausen, Betriebssport

  • gesundheitsgerechte Ernährung:

Ernährungsberatung

  • verhaltensbezogene Suchtprävention:

Tabakentwöhnungsangebote

  • Stressbewältigung und Ressourcenstärkung:

Entspannungskurse wie Autogenes Training oder Yoga.

 

3. Vernetzung

Die BGF bemüht sich um Ihre Vernetzung:

  • Kleine und mittelständische Unternehmen profitieren von überbetrieblichen Netzwerken. Auf diese Weise können Sie sich auch mit anderen Betrieben oder der eigenen Branche vergleichen und austauschen.
  • Die BGF kooperiert mit anderen Organisationen wie z. B. Industrie- und Handelskammern und auch Berufsverbänden. So können weitere Informationen zu betrieblicher Gesundheitsförderung vermittelt werden.
 

Die Veranstaltungen finden meistens in Form von Kursen, Seminaren, Vorträgen oder Workshops statt. Ergänzend können Sie für Ihre Belegschaft auch attraktive Gesundheitstage mit (medizinischen) Screenings im Betrieb veranstalten. So werden Ihre Beschäftigten in besonderer Form für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil sensibilisiert. Auf Basis der Messergebnisse und Rückmeldungen können Sie Ihre weitere Vorsorgeangebote gestalten.

 

Steuerrecht: BFH sieht steuerpflichtigen Arbeitslohn

Mit der Teilnahme an einer sogenannten Sensibilisierungswoche handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält. Dies hat der BFH entschieden ‒ und ein einwöchiges Seminar zur Vermittlung grundlegender Kenntnisse über einen gesunden Lebensstil lohnsteuerpflichtig gemacht BFH-Urteil vom 21.11.2018, Az. VI R 10/17).

 

Was sind Sensibilisierungswochen?

Sensibilisierungswochen umfassen Kurse zu gesunder Ernährung, Körperwahrnehmung, Stressbewältigung, Herz-Kreislauf-Training und Achtsamkeit.

 

Sensibilisierungswochen sind steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn

  • sie nicht überwiegend betrieblich veranlasst,
  • die Teilnahme freiwillig ist und
  • der Arbeitgeber die Kosten trägt.

 

Für die steuerliche Beurteilung der Sensibilisierungswoche ist es entscheidend,

  • ob ein konkreter Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hergestellt werden kann (kein Arbeitslohn) oder
  • ob es sich um eine ‒allgemeine ‒gesundheitspräventive Maßnahme handelt (dann Arbeitslohn).

 

Zwar liegt die allgemeine Gesundheitsvorsorge auch im Interesse des Arbeitgebers, aber vor allem im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer. Damit scheidet ein den Arbeitslohn ausschließendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers regelmäßig aus.

 

Tipps |

  • Bei einer „Sensibilisierungswoche” zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge im Sinne der §§ 20, 20b Sozialgesetzbuch kommt zumindest eine Steuerbefreiung in Höhe von bis zu 600 Euro (Freibetrag ab 2020) in Betracht. Dies ergibt sich aus § 3 Nr. 34 Einkommensteuergesetz.
  • Den Gesundheitsfreibetrag können Sie nur noch für Maßnahmen nutzen, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der §§ 20 und 20b SGB V genügen.
  • 2019 begonnene Gesundheitsmaßnahmen müssen zertifiziert sein. Für bereits davor begonnene unzertifizierte Maßnahmen ist eine Zertifizierung erstmals erforderlich für Leistungen, die nach dem 31.12.2019 erbracht wersen (§ 52 Abs. 4 S. 6 EStG).
  • Ab dem Jahr 2020 bekommen Sie den Gesundheitsfreibetrag nur noch, wenn Maßnahme und Anbieter zertifiziert sind.

 

  • Der Fall: Sensibilisierungswoche als Personalentwicklung

Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen seinen Mitarbeitern eine Sensibilisierungswoche angeboten. Diese enthielt u. a. die oben genannten ‒ allgemein präventiven ‒ Kurse. Das Unternehmen sah die Woche als strategischen Grundpfeiler seiner Personal-, Persönlichkeits-und Organisationsentwicklung an. Es gehe darum, Führungsstil, Mitbestimmung, Umgang und Kommunikation im Hinblick auf gesundheitliche Auswirkungen zu überprüfen. Zwei Krankenkassen unterstützten die Maßnahmen finanziell im Sinne der §§ 20, 20a SGB V.

 

Die Teilnahme war freiwillig. Die Mitarbeiter mussten aber Urlaubstage oder Zeitguthaben einbringen und auch die Anfahrtskosten selbst tragen. Wer die Teilnahme zugesagt hatte, musste kommen. Bei einer kurzfristigen Absage drohten Sanktionen.

 

Nach Ansicht des BFH war dieses Modell als lohnsteuerpflichtig klassifiziert worden.

 

Die WIdO-Analyse

Die Analyse des WIdO zeigt, wie stark der ausgeübte Beruf sowohl den Umfang krankheitsbedingter Fehlzeiten als auch die Art der Erkrankung beeinflusst. Den Spitzenplatz bei den Krankheitstagen nahmen 2018 Berufsgruppen aus den Bereichen Ver- und Entsorgung mit 32,5 Fehltagen pro Jahr ein, gefolgt von den Straßen- und Tunnelwärtern mit 31,4 Fehltagen und den Berufen in der industriellen Gießerei mit 30 Fehltagen. Branchen mit hohen körperlichen Arbeitsbelastungen haben demnach auffällig häufige Fehlzeiten.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Zehn Berufsgruppen mit den höchsten und niedrigsten Fehlzeiten je AOK-Mitglied im Jahr 2018; berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

 

Die niedrigsten Fehlzeiten hingegen hatten im gleichen Jahr Berufe in der Hochschullehre und -forschung mit lediglich 4,6 Fehltagen, gefolgt von den Berufen in der Softwareentwicklung mit 7,7 Fehltagen.

 

Vergleicht man alle erwerbstätigen AOK-Mitglieder miteinander, so zeigt sich, dass die 20 Prozent der AOK-versicherten Beschäftigten in den Berufen mit den höchsten Fehlzeiten an durchschnittlich 26,3 Tagen krankheitsbedingt nicht arbeiten konnten, bei den 20 Prozent mit den geringsten Fehlzeiten waren es weniger als die Hälfte ‒ und zwar nur 12,8 Tage.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied nach Quintilen: Darstellung der jeweils 20 % der Beschäftigten in Berufen mit den höchsten und niedrigsten Krankenständen 2018; berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

 

Ein deutlicher Unterschied zwischen diesen extremen Quintilen, die jeweils 2,5 Mio. AOK-Mitglieder in den betroffenen Berufen umfassen, bleibt auch erhalten, wenn die Altersunterschiede bei den beiden extremen Quintilen statistisch ausgeglichen werden. Bei den Berufsgruppen mit den meisten krankheitsbedingten Fehlzeiten bleiben es dann immer noch 25,5 Fehltage, bei den mit den wenigsten sind es nur 13,6 Fehltage. Dies macht deutlich, dass die Art der beruflichen Tätigkeit die Fehlzeiten stärker als das Alter beeinflusst. „In Zeiten des Fachkräftemangels unterstützen bereits heute viele Unternehmen ihre Beschäftigten dabei, möglichst lange gesund im Betrieb zu bleiben. Hierzu sind auch altersgerechte Arbeitsbedingungen notwendig, die insbesondere den spezifischen Bedürfnissen älterer Beschäftigter Rechnung tragen“, so Schröder.

 

Wie sehr die berufsspezifischen Anforderungen die Art der Erkrankung beeinflussen, zeigt sich unter anderem beim Vergleich der Muskel-Skelett-Erkrankungen. Diese treten bei Berufen mit körperlich belastenden Tätigkeiten besonders häufig auf. So wiesen Beschäftigte in den Berufen der Ver- und Entsorgung im Jahr 2018 durchschnittlich 11,6 Fehltage und Straßen- und Tunnelwärter durchschnittlich 11,4 Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen auf. Über alle Berufe hinweg sind es bei den AOK-Mitgliedern hingegen nur 5,8 Fehltage.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

 

Überdurchschnittlich viele Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen finden sich dagegen eher in den dienstleistungsorientierten Berufen: Auffällig sind hier insbesondere die Berufe im Dialogmarketing, zu denen Beschäftigte im Callcenter gehören. Jeder Beschäftigte in diesem Beruf fehlt durchschnittlich 7,1 Tage aufgrund einer psychischen Erkrankung. Auch Berufe in der Haus- und Familienpflege und in der Altenpflege sind hohen psychischen Belastungen ausgesetzt. Hier fehlte jeder Beschäftigte im Schnitt 6,3 bzw. 6,0 Tage aufgrund einer psychischen Erkrankung. Der Durchschnitt über alle Berufe lag bei 3,0 Fehltagen.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Psychische Erkrankungen nach Berufen 2018; berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

Erkältungswelle lässt Krankenstand steigen

Insgesamt ist der Krankenstand im Jahr 2018 um 0,2 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent angestiegen. Damit hat jeder (AOK-versicherte) Beschäftigte im Durchschnitt 19,9 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Betrieb gefehlt (2017: 19,4 Tage). Nachdem bereits 2017 eine Erkältungswelle zu beobachten war, hat die erneute Erkältungswelle Anfang des Jahres 2018 zu weiter steigenden Fehlzeiten geführt.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Entwicklung des Krankenstandes und der Arbeitsunfähigkeitstage pro Mitglied, AOK-Mitglieder 2008 bis 2018

 

Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von akuten Infektionen der oberen Atemwege ‒ hierunter fallen die Erkältungskrankheiten ‒ stieg dabei um 10,5 Prozent (0,2 Tage) im Vergleich zum Vorjahr an.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied nach den wichtigsten Krankheitsarten im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr

 

Arbeitnehmer, die viel Kontakt mit anderen Menschen haben, beispielsweise in einem Großraumbüro oder in sozialen Berufen, sind besonders gefährdet. Sie waren 2018 auffallend oft von akuten Erkältungskrankheiten betroffen.

 

Bild: © WIdO, Grafik: IWW Institut

Arbeitsunfähigkeitstage je Mitglied 2018 im Vergleich zum Vorjahr nach den auffälligsten Berufen; Akute Infektionen der oberen Atemwege (ICD J00-J06); berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

 

Callcenter-Mitarbeiter im Dialogmarketing belegen mit 4,8 erkältungsbedingten Fehltagen den Spitzenplatz, gefolgt von den Beschäftigten in der Kinderbetreuung und -erziehung (3,6 Fehltage).

 

Auch psychische Erkrankungen haben die Fehltage 2018 weiter ansteigen lassen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Fehltage um 2,7 Prozent (0,1 Tage). Mit 26,3 Tagen je Fall dauerten psychische Erkrankungen außerdem mehr als doppelt so lange wie der Durchschnitt mit 11,8 Tagen je Fall.

 

Der Analyse des WIdO liegen die Daten von knapp 14 Mio. AOK-versicherten Arbeitnehmern zugrunde, die 2018 in mehr als 1,6 Mio. Betrieben tätig waren.

 

 

 

(JT)

Quelle | PM WIdO / Checkliste aus Material der BGF-Koordinierungsstelle

Quelle: ID 45811510