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Arbeitgeber können Gründe für fristlose Kündigungen grundsätzlich nachschieben

Bild: Marco2811 - Fotolia

| Ist es zulässig, dass ein Arbeitgeber, der einem Angestellten fristlos gekündigt hat, Kündigungsgründe nachschiebt? Diese Frage kann in Rechtsstreitigkeiten mit dem Gekündigten wichtig sein ‒ und wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt grundsätzlich bejaht: Für das rechtzeitige Nachschieben eines Kündigungsgrundes komme es im Falle einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht auf § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) an, laut dem eine Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann ( BAG, Beschluss vom 12.01.2021, Az. 2 AZN 724/20 ). |

So argumentiert das BAG

Nach Auffassung des BAG bildet § 626 Abs. 2 BGB keine Schranke für das Nachschieben von Kündigungsgründen, die bei Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bereits objektiv vorlagen, dem Arbeitgeber aber noch nicht bekannt waren. Die Kündigung als solche sei in diesem Sinn rechtzeitig erklärt. Eine Ausnahme gelte nur für Extremfälle, bei denen die Kündigung durch ein Auswechseln von Gründen einen völlig anderen „Charakter“ erhalten würden ‒ was im Urteilsfall aber nicht der Fall gewesen sei. Grenzen würde die Rechtsordnung zudem nur dort ziehen, wo das Motiv für die Kündigung als solches missbilligt wird, etwa weil sich die Kündigung als sittenwidrig (§ 138 BGB), maßregelnd (§ 612a BGB) oder diskriminierend (§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG) darstellt.

 

Arbeitgeber darf auf weitere wichtige Kündigungsgründe während des Rechtsstreits hoffen

Das BAG weiter: Es sei ohne Bedeutung, ob zwischen den bei Kündigungsausspruch schon bekannten und den erst nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgründen ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang bestünde. Auch dürfe ein Arbeitgeber mit Blick „auf den Eintritt der Wirksamkeitsfiktion oder einen gerichtlichen Abfindungsvergleich“ darauf hoffen, es werde sich noch rechtzeitig im Verlauf des Rechtsstreits ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung offenbaren, der im Zeitpunkt ihres Zugangs ‒ von ihm noch unerkannt ‒ bereits vorlag.

 

Kündigung ohne Grund missbilligt die Rechtsordnung nicht grundsätzlich

Im Urteilsfall wurde gerügt, es könne nicht angehen, dass eine Kündigung zunächst ohne jeden auch nur ansatzweise tragfähigen Grund erklärt werden dürfe. Dazu das BAG: Eine solches Vorgehen würde die Rechtsordnung grundsätzlich nicht missbilligen. Dies würden § 4 (Anrufung des Arbeitsgerichts) und § 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) belegen, wonach sich der Arbeitnehmer auch gegen eine offenkundig unwirksame Kündigung rechtzeitig ‒ d. h. innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung ‒ gerichtlich zur Wehr setzen muss, wenn diese nicht als wirksam gelten soll.

 

FAZIT | Das Urteil des BAG ist durchaus arbeitgeberfreundlich. Demnach ist es für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht notwendig, dass der Arbeitsgeber in Kenntnis eines solchen Kündigungsgrunds außerordentlich kündigt und dabei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachtet. Selbst wenn er zunächst keinen Kündigungsgrund hatte, kann er kündigen. Er kann auch im Prozess nach weiteren Kündigungsgründen suchen und diese nachschieben, wenn sie bereits bei Zugang der Kündigung vorlagen. Rechtfertigen diese eine fristlose Kündigung, wird diese wirksam.

 

 

 

(Ke)

 

Quellen

Quelle: ID 47373046