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· LAG Hessen zur veränderten Arbeitsumständen

Aus dem Homeoffice ins Homeoffice versetzt: Muss der Betriebsrat zustimmen?

Bild: © Kateryna - stock.adobe.com

| Wenn Sie einen Mitarbeiter, der im Homeoffice arbeitet, länger als einen Monat einen neuen Dienstort zuweisen, ist das mitbestimmungspflichtig. Das heißt: Der Betriebsrat muss zustimmen! In zweiter Instanz beschloss das Landesarbeitsgericht Hessen jetzt: Das gilt auch dann, wenn sich weder am Jobprofil noch an der Ausführung im Homeoffice etwas ändert (Beschluss, LAG Hessen vom 14.01.2020; Az. 4 TaBV 5/19 ). Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der Fall liegt nun beim Bundesarbeitsgericht. |

Ist Zuordnung zu neuem Dienstort mitbestimmungspflichtig?

Der verklagte IT-Dienstleister (Arbeitgeber) hat drei Dienststellen geschlossen und die Betriebstätten am vierten Standort zusammengeführt. 34 Arbeitnehmer der geschlossenen Standorte wechselten deshalb dauerhaft ins Homeoffice. Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat die Versetzung an den verbliebenen Standort mit und auch die Zuweisung ins dauerhafte Homeoffice. Schon vorher durften die Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten.

 

Der Betriebsrat widersprach dem, worauf der Arbeitgeber vom Arbeitsgericht Frankfurt/Main verlangte, die Zustimmung nach §§ 99 Abs. 4, 100 BetrVG zu erteilen. Zudem sollte das Gericht feststellen, dass die Zuordnungen der betroffenen Mitarbeiter an die verlagerte Betriebsstätte nicht zustimmungsbedürftige Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG sind. Der Hauptantrag wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen.

Zweite Instanz: Das LAG Hessen entscheidet

  • 1. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs setzt voraus, dass sich die Tätigkeit eines Arbeitnehmers für einen mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachter als eine andere darstellt.
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  • 2. Fehlt es an einer räumlichen Veränderung des Arbeitsplatzes, kann sich die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auch aus einer Änderung der Position des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit ergeben.

 

Doch weder der Inhalt der Tätigkeit noch ihr Arbeitsort im Homeoffice hat sich im beschriebenen Fall geändert. Noch nicht einmal der fachliche Vorgesetzte sei mit der anderen Betriebsstätte verändert worden. Dennoch forderte das Hessische LAG eine betriebsverfassungsrechtliche Versetzung; also mit Zustimmung des Betriebsrates.

Begründung

Die Zuordnung zu einer anderen Betriebsstätte stelle eine Änderung der Position in der betrieblichen Organisation dar ‒ auch wenn das Homeoffice bleibt. Auch dann würde der Arbeitnehmer fachlich einem anderen Teil der Betriebsorganisation zugeordnet. Durch die Neuzuordnung ändere sich für die betroffenen Arbeitnehmer die Stellung innerhalb der Betriebsorganisation.

Das Verfahren ist anhängig beim Bundesarbeitsgericht

Gegen den Beschluss des Hessischen LAG haben die Anwälte des Unternehmens beim BAG Rechtsbeschwerde eingelegt (unter Az. 1 ABR 13/20). Die Entscheidung wird im September 2021 erwartet.

 

  • Arbeitsrecht: 3 Punkte, die bei Versetzungen zu prüfen sind
  • 1. Sind Sie nach Vertrag befugt, Ihr Direktionsrecht oder einen Versetzungsvorbehalt ausüben zu dürfen, um dem Mitarbeiter eine andere Tätigkeit / einen anderen Dienstort zuzuweisen?
  • 2. Ist die Zuweisung eines neuen Bereichs der Vollzug der Versetzung und damit ein Realakt des Arbeitgebers (Individualsrecht)?
  • 3. Haben Sie das Vetorecht des Betriebsrats im Blick?
 

Nach Punkt 3 geht es um das Mitbestimmungsrecht (§ 99 Abs. 1 BetrVG): Arbeitgeber mit über 20 Arbeitnehmern müssen den Betriebsrat jede Versetzung mitteilen und die Zustimmung dazu einholen.

 

Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist die Versetzung auch nach Punkt 2 individualrechtlich unwirksam. Der Arbeitnehmer könne die Annahme der Beschäftigung unter den geänderten Bedingungen verweigern.

Besonderheit: Aus dem Homeoffice wieder ins Homeoffice

§ 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG besagt: Wenn dem Mitarbeiter ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wird und diese Zuweisung einen Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der äußeren Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist, muss der Betriebsrat zustimmen. Das gilt auch,

  • wenn der Arbeitgeber seine Mitarbeiter vom Betrieb ins Homeoffice versetzen will.
  • wenn die Arbeitnehmer nur tagesweise im Homeoffice beschäftigt sind.

 

Erhebliche Änderung der Arbeitsumstände sind maßgeblich

Sofern die Zuweisung des Homeoffice nicht dauerhaft erfolgt, kommt es für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats darauf an, ob dies eine „erhebliche Änderung der Arbeitsumstände“ ist.

 

Zur Beurteilung sind räumliche und funktionale Kriterien zu prüfen. Denn es kann sein, dass der Arbeitnehmer zum Beispiel für die Arbeitsbewältigung bei Präsenz ganz anders vorzugehen hat als im Homeoffice.

 

TIPPS |

  • So lange Mitarbeiter nur gelegentlich im Homeoffice arbeiten, aber ihren Arbeitsplatz in der Firma behalten, liegt keine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn vor.
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  • Regeln für das gelegentliche Arbeiten im Homeoffice können Sie aufstellen, in dem Sie zum Beispiel erlauben, an bis zu zwei Tagen pro Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Beachten Sie dabei, dass Sie diese Regeln unter einen Vorbehalt stellen ‒ zum Beispiel für den Fall, dass betriebliche Zwänge dies erfordern.
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  • Beachten Sie auch § 111 BetrVG: Dort ist geregelt, dass Sie beim Zusammenschluss von Betriebsteilen und anderen Betriebsänderungen, „die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können“, rechtzeitig und umfassend den Betriebsrat informieren müssen.

 

Solche Regelungen werden auch nach Corona hoch relevant, soweit Sie überlegen, Büros zu schließen, um das Homeoffice zu etablieren.

 

Und: Solange das BAG kein abschließendes Urteil gesprochen hat, macht es Sinn, ein Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG erstmal zur Sicherheit einzuleiten.

 

(JT)

Quelle | Beschluss, LAG Hessen vom 14.01.2020; Az. 4 TaBV 5/19

Quelle: ID 47483844