Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo

· Wettbewerbsrecht

Blickfangwerbung: Vorsicht bei den „Sternchen“-Hinweisen!

Bild: ©FM2 - stock.adobe.com

| Es ist grundsätzlich zulässig, Werbung mit Blickfängen zu gestalten, durch die eine einzelne Werbeaussage herausgestellt wird (z. B. „20 Prozent auf alles“). Da dies aber häufig nicht die „ganze Wahrheit“ ist, bedienen sich Agenturen oft des Sternchenhinweises, der die Werbebotschaft relativiert. Das kann Irreführung sein, urteilte das Landgericht Leipzig (Urteil vom 20.05.2021, Az. 04 HK O 159/21). Ein Apothekendiscounter hatte eine Prämie für die Rezepteinlösung mit Sternchen auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel eingeschränkt. Lesen Sie auch, was der Bundesgerichtshof (BGH) für Blickfangwerbung definiert hat. |

Was ist Blickfangwerbung?

Unter Blickfangwerbung versteht die Rechtsprechung das Herausstellen einzelner Werbeaussagen gegenüber dem Rest einer Werbung. Eine solche Gestaltung soll die Aufmerksamkeit des Kunden besonders auf einzelne (positive) Aussagen lenken, etwa durch eine besonders große Schriftart, farbliche Betonung oder durch die Anordnung der Aussage. Grundsätzlich ist das zulässig. Die Grenze zur Unzulässigkeit ist aber überschritten, wenn der Blickfang eine Fehlvorstellung auslöst bzw. irreführend ist.

Drei-Stufen-Modell des BGH zur Blickfangwerbung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen herausgearbeitet, wann von einer Irreführung auszugehen ist. Entstanden ist dadurch das sog. Drei-Stufen-Modell, das Blickfangwerbung in drei Fallgruppen einteilt, die dann entsprechend unterschiedlich zu bewerten sind

 

Stufe 1: Objektiv falsche Aussage („dreiste Lüge“)

Macht der Werbende eine objektiv falsche Aussage („dreiste Lüge“), ist die Blickfangwerbung unzulässig. Eine solche „dreiste Lüge” definiert der BGH als eine leicht zu vermeidende, eindeutig falsche Werbeaussage, für die kein vernünftiger Anlass besteht (u. a. BGH, Urteil vom 12.05.2011, Az. I ZR 119/10). In solchen Fällen hilft auch ein klarstellender Sternchenhinweis nicht mehr ‒ die Werbung bleibt unzulässig.

 

  • Beispiel

Die Werbeaussage „20 % auf Alles ohne Wenn und Aber“ ist irreführend, wenn doch Ausnahmen vorliegen und auf diese Beschränkungen nicht hinreichend deutlich direkt im Rahmen der Werbung hingewiesen wird. Da es sich um eine objektiv unrichtige Erklärung handelt, genügt ein bloßer ‒ im Urteilsfall winziger ‒ Sternchenhinweis, der dieses Angebot erheblich einschränkt, nicht. Vielmehr muss die Aufklärung direkt im Werbetext selbst erfolgen (LG Dortmund, Urteil vom 31.10.2018, Az. 20 O 22/18).

 

Stufe 2: Verkürzte und ggf. irreführende Werbung („halbe Wahrheit“)

Anders zu beurteilen ist der Fall, wenn die Blickfangwerbung zwar nicht objektiv unrichtig, jedoch so verkürzt ist, dass sie nicht die „ganze Wahrheit“ enthält. In diesem Fall ist es zulässig, die Irreführung durch klare und konkretisierende Angaben in einer Fußnote oder einem Sternchenhinweis „zu heilen“. Diese Angaben müssen hinreichend deutlich und lesbar positioniert sein. Typischerweise handelt es sich um solche Blickfänge, wo der Adressat den „Haken“ beinahe erwartet. Beispiel: Eine Werbung behauptet, es gebe 20 Prozent Rabatt auf das gesamte Sortiment, jedoch gilt das nur ab einem bestimmten Bestellwert.

 

In Ausnahmefällen kann jedoch auf den Sternchenhinweis auch verzichtet werden. So ist ein Sternchenhinweis dann nicht erforderlich, wenn der Verbraucher ohnehin erwartet, dass eine Angabe im Blickfang erläuterungsbedürftig ist, diese Erläuterung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werbung erfolgt und dem entspricht, was der angesprochene Verkehr auch erwartet hat. So stellt z. B die Angabe „Original Druckerpatronen innerhalb von 24 Stunden“ nicht ohne Weiteres eine Irreführung des Verbrauchers dar (BGH, Urteil vom 12.05.2011, Az. I ZR 119/10).

 

Achtung: Der Verweis auf an anderer Stelle aufrufbare vollständige Angebotsinformationen wie z. B. im Internet reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 27.07.2017, Az. I ZR 153/16).

 

Stufe 3: Im Blickfang nur indirekt enthaltene Aussagen

Fehlvorstellungen, die durch nur mittelbar im Blickfang enthaltene Aussagen enthalten sind, können unter Umständen durch allgemeine Hinweise bereinigt werden. Gemeint sind damit vor allem solche Fälle, in denen kein Sternchenhinweis gefordert wird, weil ohnehin anzunehmen ist, dass der Verbraucher die Werbung in Gänze und mit der nötigen Ruhe betrachtet. Angenommen wird dies von der Rechtsprechung bei langlebigen und besonders kostspieligen Gütern.

 

  • Beispiel

Durch eine Prospektwerbung entsteht beim Verbraucher der Eindruck, das Produkt stehe beim Händler abholbereit zur Verfügung. Diese Vorstellung kann durch einen allgemeinen Hinweis in der Fußzeile ausgeräumt werden: „Keine Mitnahmegarantie. Sofern nicht vorhanden, gleich bestellen. Wir liefern umgehend.“ (BGH, Urteil vom 24.10.2002, Az. I ZR 50/00).

 

Sternchenhinweis korrekt gestalten

Rechtlich am schwierigsten sind die Fälle auf der Stufe 2, wo der Blickfang irreführende Aussagen enthält, die einer Korrektur bedürfen. Ein entscheidender Faktor ist hier, welche Aufmerksamkeit und Informiertheit dem Verbraucher zu unterstellen ist. Im Grundsatz muss sich der Kunde auf die Vollständigkeit und Richtigkeit einer Aussage zum Zeitpunkt des Kaufs einer Ware oder Dienstleistung verlassen können, wenn diese auf den ersten Blick vollständig wirkt.

 

Für einen Sternchenhinweis, der die Irreführung auflösen soll, verlangt die Rechtsprechung, dass dieser „am Blickfang teilhat und dadurch eine klare und unmissverständliche Zuordnung der weiteren Angaben zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibt“. Ob dieses Kriterium erfüllt ist, ist aus Sicht des situationsadäquat aufmerksamen Verbrauchers zu entscheiden.

 

Für die Schriftgröße eines Sternchenhinweises gibt es übrigens keine klaren Vorgaben. Als allgemeine Untergrenze gelten hier 6 Pt.

 

 

FAZIT | Ob eine Blickfangwerbung zulässig ist oder nicht, lässt sich nur individuell beurteilen. Allgemein gilt jedoch: Je provokanter die Blickfang-Aussage und je höher das Irreführungspotenzial ist, desto höhere Anforderungen sind an die Sichtbarkeit und Klarheit eines Sternchenhinweises zu stellen. Umgekehrt gilt: Je höher der Preis für die Ware oder Dienstleistung ist, desto geringer werden die Anforderungen an die Blickfangwerbung. Hier wird unterstellt, dass der Verbraucher die Werbeanzeige aufmerksam studiert und sich intensiv mit der Ware oder Dienstleistung auseinandersetzt.

 

 

 

(Ke)

 

Quellen

  • Wettbewerbszentrale weist Apodiscounter in die Schranken (DAZ.online vom 03.06.2021)
  • Abmahnung-Verband.de
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe Beitrag)
Quelle: ID 47505817