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  • · Fachbeitrag · Personalmanagement

    Mit häufigen Krankmeldungen richtig umgehen

    von Fachanwalt für Arbeitsrecht Nicolàs A. Knille, Osborne Clarke, Köln

    | Als Arbeitgeber müssen Sie kranken Arbeitnehmern das Arbeitsentgelt grundsätzlich sechs Wochen lang weiterzahlen. In der Praxis ist es für Sie oft schwierig, sich gegen zu lange und häufige Fehlzeiten zu wehren. Aktuelle Urteile liefern Ihnen ein wenig Schützenhilfe. |

    Vorlagepflicht schützt vor „Blaumachern“

    Ihre Mitarbeiter müssen Ihnen eine Arbeitsunfähigkeit zwar unverzüglich anzeigen. Den Nachweis mittels Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung müssen sie jedoch erst nach dem dritten Arbeitstag der Erkrankung einreichen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz [EFZG]). Vertraglich kann von dieser gesetzlichen Regelung abgewichen werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Um den Missbrauch der Entgeltfortzahlung zu verhindern, können Sie - auch ohne konkreten Anlass - verlangen, dass Ihr Mitarbeiter die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Krankheit vorlegt (BAG, Urteil vom 14.11.2012; Az. 5 AZR 886/11; Abruf-Nr. 123445). Verweigert Ihr Mitarbeiter beharrlich die Vorlage, kann dies - nach vorheriger Abmahnung - im Einzelfall sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3.2.2014, Az. 3 Sa 423/13; Abruf-Nr. 142558).

     

    Wichtig | Sie sind nur dann zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, wenn Ihr Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet hat. Grobes Verschulden liegt beispielsweise bei einem Unfall infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit vor (BAG, Urteil vom 30.3.1988, Az. 5 AZR 42/87; Abruf-Nr. 142559). Grundsätzlich liegt die Beweislast der unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit bei Ihrem Mitarbeiter. In der Praxis werden Ihnen aber entsprechende Verdachtsmomente nur in Ausnahmefällen bekannt.

    Verhalten bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit

    Haben Sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, sind Ihre Handlungsmöglichkeiten aufgrund der starken Arbeitnehmer- und Persönlichkeitsrechte sehr gering. Ihnen verbleiben folgende Möglichkeiten:

     

    Widerlegen der Arbeitsunfähigkeit durch Tatsachenvorträge

    Sie müssen zwar nicht beweisen, dass Ihr Mitarbeiter arbeitsfähig war. In einem Gerichtsverfahren müssen Sie aber Ihre Bedenken gegen eine ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darlegen und begründen. Mit dem Nachweis, dass Ihr Mitarbeiter während der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Beschäftigung nachgegangen ist, können Sie die Beweisführung Ihres Mitarbeiters zumindest erschüttern, wenn auch nicht zwingend entkräften (BAG, Urteil vom 26.8.1993, Az. 2 AZR 154/93; Abruf-Nr. 142560).

     

    PRAXISHINWEIS | Der Mitarbeiter darf seine Genesung nicht verzögern. Eine kleinere Nebentätigkeit wird für den Vorwurf eines genesungswidrigen Verhaltens oftmals nicht ausreichen. Beim begründeten Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit müssen Sie als Arbeitgeber den Mitarbeiter in der Regel zunächst abmahnen (LAG Köln, Urteil vom 27.11.2013, Az. 11 Sa 407/13; Abruf-Nr. 142561).

     

    Einschalten des Arztes nur bedingt geeignet

    Direkte Nachfragen beim Arzt sind aufgrund dessen Schweigepflicht nicht möglich. Bei einer Vernehmung vor Gericht - insbesondere im Rahmen einer Kündigungsschutzklage oder wenn der Mitarbeiter gegen eine Abmahnung vorgeht - wird der Mitarbeiter seinen Arzt zwar von der Schweigepflicht entbinden müssen, um die Voraussetzungen für den Entgeltfortzahlungsanspruch beweisen zu können (BAG, Urteil vom 13.7.2005, Az. 5 AZR 389/04; Abruf-Nr. 060191).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht hilft Ihnen in der Regel nicht weiter, wenn es darum geht, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu entkräften. Denn es ist nicht zu erwarten, dass sich der Arzt durch die Unrichtigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst belastet. Das belegt ein Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 22.1.2014, Az. 4 Sa 553/12; Abruf-Nr. 142563).

     

    Einschalten des medizinischen Dienstes

    Als Arbeitgeber können Sie vom medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenversicherung die Überprüfung einer Arbeitsunfähigkeit verlangen. Die Krankenkasse wird hiervon jedoch absehen, wenn sich aus ihrer Sicht keine Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Mitglieds ergeben. Auf folgende Umstände sollten Sie hinweisen, wenn Sie eine Prüfung beantragen:

     

    • Ein Mitarbeiter ist auffällig häufig oder häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig.
    • Die Arbeitsunfähigkeit fällt häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende einer Woche, zwischen Feiertage oder schließt sich an einen Urlaub an.
    • Es besteht der begründete Verdacht, dass ein Arzt durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen auffällig ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Entgeltfortzahlung dürfen Sie nur vorübergehend verweigern, solange Ihr Mitarbeiter seiner Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen (Folge-)Bescheinigung nicht nachkommt. Ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht besteht nur im Ausnahmefall, wenn Ihr Mitarbeiter den Übergang eines Schadenersatzanspruchs gegen einen Dritten auf Sie als Arbeitgeber verhindert (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG).

     

    Dauer der Entgeltfortzahlung

    Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von längstens sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG). Hinsichtlich neuer oder weiterer Erkrankungen ist genau zu unterscheiden:

     

    Hinzutritt einer Erkrankung während der Arbeitsunfähigkeit

    Eine neue Erkrankung Ihres Mitarbeiters führt grundsätzlich zu einem neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dies bedeutet, dass auch der Entgeltfortzahlungszeitraum erneut beginnt. Tritt aber eine weitere Erkrankung zu der bestehenden hinzu, sodass es zu einer zeitlichen Überlappung kommt, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur für sechs Wochen seit Beginn der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine später hinzutretende Erkrankung verlängert die maximale Dauer der Entgeltfortzahlung von sechs Wochen nicht. Der Fortzahlungszeitraum verlängert sich nur dann, wenn sich die neue Erkrankung an die erste anschließt. Das ist nur der Fall, wenn Ihr Mitarbeiter zunächst - und sei es nur für wenige Stunden - wieder arbeitsfähig war. Unmaßgeblich ist, ob er während dieser Arbeitsfähigkeit tatsächlich gearbeitet hat.

     

    Neue Erkrankung oder Fortsetzungserkrankung

    Bei wiederholten Krankmeldungen müssen Sie unterscheiden:

     

    • Handelt es sich um eine andere, neue Erkrankung? Das ist der Fall, wenn die Krankheit eine andere Ursache hat. Dann beginnt ein neuer sechswöchiger Lohnfortzahlungszeitraum zu laufen.

     

    • Liegt eine Fortsetzungserkrankung, also eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit vor? Das ist zu bejahen, wenn die frühere Krankheit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent weiterbestanden hat. Dabei können unterschiedliche Symptome auftreten (BAG, Urteil vom 14.11.1984, Az. 5 AZR 394/82; Abruf-Nr. 142562). In diesem Fall erhält der Mitarbeiter Entgeltfortzahlung für weitere sechs Wochen nur unter folgenden Voraussetzungen:

     

      • Der Mitarbeiter war innerhalb der letzten sechs Monate nicht aufgrund derselben Krankheit arbeitsunfähig (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG).
      • Falls doch, hängt eine neue Entgeltfortzahlung davon ab, dass seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung mindestens zwölf Monate vergangen sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EFZG; BAG, Urteil vom 14.3.2007, Az. 5 AZR 514/06; Abruf-Nr. 073831).

     

    Wichtig | Die Entscheidung, ob eine neue oder eine Fortsetzungserkrankung vorliegt, trifft der Arzt, indem er das Kreuz auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Feld „Erstbescheinigung“ oder „Folgebescheinigung“ setzt. Mangels Diagnoseübermittlung haben Sie keine Kontrollmöglichkeit.

     

    FAZIT | Als Arbeitgeber müssen Sie das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung darlegen und beweisen. Dabei sind Ihnen durch die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Hände gebunden. Bestehen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, haben Sie allenfalls die Möglichkeit, den medizinischen Dienst über die entsprechende Krankenkasse einzuschalten.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 18 | ID 42927169