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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Differenzbesteuerung: Vorsicht bei High-End-Fahrzeugen aus zweiter oder dritter Hand

    von Steuerberater Guido Winkler, Heimbrock Winkler Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, Dresden

    | EU-Neufahrzeuge dürfen niemals differenzbesteuert weiterverkauft werden ‒ wirklich niemals! Dabei entscheidet sich das Kriterium „neu“ nicht nur nach der bisherigen Nutzungsdauer, sondern auch nach der Laufleistung des Fahrzeugs. Letzteres wird beim Handel mit gebrauchten Luxusfahrzeugen häufig übersehen. Ein Erfahrungsbericht des Autors zeigt die Praxis und erklärt, wie Sie solche Sachverhalte richtig handhaben. |

    Ein Echtfall aus unserer Beratungspraxis

    Der Mandant (M), ein deutscher Kfz-Händler und Wiederverkäufer, hat im Jahr 2021 von einem dänischen Autohändler (DK) ‒ ebenfalls ein Wiederverkäufer ‒ einen Ferrari F40 für 1,7 Mio. Euro erworben. Das Fahrzeug war erstmals im November 1990 zugelassen worden; und war damit bereits 31 Jahre alt. Dennoch hatte es im Zeitpunkt des Ankaufs nur rund 1.400 Meilen und damit 2.250 Kilometer auf dem Tacho. Der dänische Wiederverkäufer stellte dem deutschen Wiederverkäufer eine Rechnung mit dem Hinweis „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“ aus.

     

    M hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Käufer ‒ eine deutsche Privatperson. Der vereinbarte Kaufpreis belief sich zunächst auf 1,8 Mio. Euro. In seiner Kalkulation ging M davon aus, dass nur die Marge in Höhe von 100.000 Euro Umsatzsteuer anfällt. M kalkulierte daher mit einer Umsatzsteuer in Höhe von 15.967 Euro (100.000 Euro : 1,19 x 0,19) und einem Rohgewinn in Höhe von 84.033 Euro.

    Die Sachverhalts-Beurteilung durch die Kanzlei

    Unsere Kanzlei hat den Fall wie folgt beurteilt:

     

    • Aufgrund der geringen Kilometerleistung handelt es sich umsatzsteuerlich um ein Neufahrzeug (§ 1b Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 UStG).
    • Das Fahrzeug wurde innergemeinschaftlich geliefert (§ 6a Abs. 1 UStG).
    • Die Differenzbesteuerung ist auf die innergemeinschaftliche Lieferung eines Neufahrzeugs nicht anwendbar (§ 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG)

     

    Fraglich war für uns, ob die Differenzbesteuerung in Dänemark zutreffend angewendet wurde oder nicht. Dänische Steuerberater haben den Sachverhalt daraufhin geprüft und bestätigt, dass auch aus dänischer Sicht die Differenzbesteuerung keine Anwendung finden kann, sondern eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt. Daraus ergibt sich für den Fall umsatzsteuerlich folgende Vorgehensweise:

     

    • DK muss M steuerfrei innergemeinschaftlich beliefern.
    • M muss in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern (§ 1a UStG).
    • Der innergemeinschaftliche Erwerb berechtigt zum korrespondierenden Vorsteuerabzug (§ 15 Abs 1 S. 1 Nr. 3 UStG). Per Saldo führt der Ankauf bei M damit zu einem Nullsummenspiel.
    • Auf den Verkauf des M an den deutschen Privatkunden kann die Differenzbesteuerung nicht angewandt werden. Der Verkauf unterliegt der Regelbesteuerung; die Umsatzsteuer beträgt 19 Prozent des Entgelts (§ 10 UStG).

     

    Wichtig | Die Anwendung der Differenzbesteuerung hätte bei unserem Mandanten einen Umsatzsteuerschaden in Höhe von 271.000 Euro verursacht (1.800.000 Euro : 1,19 x 0,19 - = 287.394 Euro; 287.394 Euro ./. 15.967 Euro = 271.427 Euro). Dieses Schicksal ist ihm erspart geblieben.

    Anmerkung der ASR-Schriftleitung

    Im EU-Geschäft gelten für den Ein- und Verkauf von Neufahrzeugen Sonderregelungen (z. B. § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 1b, § 2a UStG). Mit diesen Sonderregelungen möchte der Gesetzgeber ‒ vereinfacht ausgedrückt ‒ erreichen, dass der Kauf eines neuen oder zumindest neuwertigen Fahrzeugs ausnahmslos immer in dem EU-Mitgliedstaat besteuert wird, in dem das Fahrzeug „alt“ wird.

     

    Begriff des Neufahrzeugs

    In diesem Sinne gilt ein Kfz als „neu“, solange es nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder die erste Inbetriebnahme nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.

     

    PRAXISTIPPS |

    • Für ein EU-Geschäft ist ein Fahrzeug damit erst dann ein Gebrauchtfahrzeug, wenn
      • es mehr als 6.000 km zurückgelegt hat und
      • die erste Inbetriebnahme mehr als sechs Monate zurückliegt.

    Die Grenzen müssen kumulativ (= beide zusammen) überschritten sein.

     

    • Dagegen handelt es sich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 UStG um ein Neufahrzeug, wenn
      • es nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder
      • die erste Inbetriebnahme nicht mehr als sechs Monate zurückliegt.
    • Neufahrzeuge sind damit auch
      • ein Oldtimer, der vor 30 Jahren erstmals in Betrieb genommen wurde, aber noch keine 6.000 km gelaufen ist;
      • ein Fahrzeug, das vor fünf Monaten erstmals in Betrieb genommen wurde, aber schon 15.000 km gelaufen ist.
     

     

    Folge der 6.000-km-Grenze ist, dass ‒ wie im Besprechungsfall ‒ auch eigentlich schon recht alte Fahrzeuge als „neu“ im Sinne dieser Vorschrift gelten, wenn sie wenig in Betrieb waren.

     

    Wichtig | Hier wird man aber beachten müssen, dass derartige Fahrzeuge unter Umständen als Ausstellungs- oder Museumsstücke nicht zur Personen- oder Güterbeförderung bestimmt sind (Abschn. 1b.1 S. 2 UStAE). Auf Ausstellungs- und Museumsstücke finden die Sonderregeln für Neufahrzeuge keine Anwendung. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 25a UStG ist dann auch die Differenzbesteuerung anwendbar.

    Die Kalkulation des Autohauses

    Um den gewünschten Rohgewinn zu erzielen, müsste Autohaus M im Praxisfall wie folgt kalkulieren:

     

    • Rohgewinn-Kalkulation

    Einkaufspreis

    1.700.000 Euro

    + Rohgewinnaufschlag

    84.033 Euro

    = Nettoverkaufspreis

    1.784.033 Euro

    + USt: 19 % auf NVK

    338.967 Euro

    = VKP

    2.123.000 Euro

     

    Welche Fahrzeugtypen sind in der Praxis betroffen?

    Zunächst einmal stellt sich die Problematik bei High-End-Fahrzeugen ein. Darunter versteht man

    • Super-Sportwagen vom Typ Aston Martin, Bugatti, Ferrari, Lamborghini, Mclaren
    • besonders luxuriöse Limousinen wie Bentley, Rolls-Royce, Maybach
    • oder dergleichen.

     

    Bekannt ist die Problematik aber auch aus dem An- und Verkauf von Jahreswagen ausländischer Werksangehöriger (ASR 9/2014, Seite 6)

     

    PRAXISTIPP | Wie eingangs ausgeführt, ist der geschilderte Sachverhalt alles andere als ein Einzelfall. Autohausinhaber sollten die Problematik immer im Hinterkopf haben und ihre Mitarbeiter entsprechend sensibilisieren. Steuerberater tun damit gut daran, in Frage kommende Mandanten zur Vermeidung eigener Haftungsrisiken (ungefragt) auf die Problematik hinzuweisen.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 04 / 2022 | Seite 5 | ID 48086868