Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244616

    Landgericht Flensburg: Urteil vom 12.07.2024 – 3 O 65/24

    1. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB erfordert nicht die Angabe einer Telefonnummer, dies gilt auch dann nicht, wenn das Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftspräsenz diesen Kommunikationsweg eröffnet hat.

    2. Die Angabe der Telefonnummer ist auch nicht deshalb erforderlich, weil das in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung die Angabe einer Telefonnummer vorsieht.


    Landgericht Flensburg 

    Urteil vom 12.07.2024


    In dem Rechtsstreit
    J... J..., M..., ...
    - Kläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte G... Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ..., ... Gz.: ...

    gegen
    T... G... GmbH, vertreten durch den ihre Geschäftsführung, S... W..., V... T..., S... Z..., ..., ...
    - Beklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte C... H... S... Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, ..., ..., Gz.: ...

    wegen Widerruf eines Kaufvertrages
    hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg durch den Richter am Landgericht L... als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2024 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 46.370,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Der Kläger begehrt Rückzahlung des Kaufpreises nach Widerruf für den Kauf eines Kraftfahrzeugs.

    Am 15.02.2022 führte der Kläger eine Probefahrt mit einem Tesla Model 3 Performance Modell durch.

    Der Kläger bestellte über das Internet bei der Beklagten am 18.03.2022 einen Tesla "Model 3 2022" zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 46.370,00 brutto. Das Fahrzeug mit der FIN ... wurde dem Kläger am 05.11.2022 übergeben.

    Die Beklagte hat dem Kläger mit dem Kaufvertrag vom 26.04.2022 (Anlage K1) eine Widerrufsbelehrung in Textform übermittelt.

    Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung und das Widerrufsformular lautete wie folgt:

    " Widerrufsbelehrung

    Widerrufsrecht

    Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen."

    Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat. Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prantl-Str. 27-29, 12656 Berlin, germany_sales@tesla.com) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.

    Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

    Folgen des Widerrufs

    Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.

    Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prandl-Straße 27 - 29, 12526 Berlin oder an Ihr örtliches Tesla Delivery Center zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden.

    Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

    Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit Ihnen zurückzuführen ist.

    Muster-Widerrufsbelehrung

    (Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)

    -An Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prandtl-Straße 27 - 29, 12526 Berlin, germany_sales®tesla.com:

    -Hiermit widerrufe(n) ich/wir (*) den von mir/uns (*) abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren (*)/die Erbringung der folgenden Dienstleistung ()

    -Bestellt am ()/erhalten am (*) -Name des/der Verbraucher(s)

    -Anschrift des/der Verbraucher(s) -Unterschrift des/der Verbraucher(s) (nur bei Mitteilung auf Papier)

    -Datum"

    Der Kläger richtete am 08.08.2023 ein Widerrufsschreiben (Anlage K3) an die Beklagte und forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrages.

    Mit Schreiben vom 10.08.2023 wies die Beklagte den Widerruf des Klägers zurück (Anlage K4).

    Der Kläger beauftragte sodann seine Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Rechte. Diese forderten die Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2023 (Anlage K5) nochmals zur Zahlung auf.

    Der Kläger behauptet versucht zu haben das Fahrzeug am 04.07.2024 im T... D... Center G... zurückzugeben. Dies sei jedoch von einer Mitarbeiterin der Beklagten verwehrt worden.

    Der Kläger ist der Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht ordnungsgemäß war und daher die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen war.

    Aufgrund der mangelhaften Widerrufsbelehrung sei nach Auffassung des Klägers auch keine Nutzungsentschädigung/Wertverlust zu zahlen.

    Der Kläger beantragt,

    1.
    Die Beklagte zu verurteilen, unverzüglich nach Rückerhalt des Besitzes sowie des Eigentums am Fahrzeug Tesla Model 3 mit der FIN ..., an die Klagepartei 46.370,00 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2023 zu zahlen,

    2.
    festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des TESLA Model 3 mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ... in Annahmeverzug befindet,

    3.
    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerschaft vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.306,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.09.2023 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts F.... Sie ist der Auffassung, dass dem Kläger schon kein Widerrufsrecht nach §§ 355 Abs. 1,312g Abs. 1, 312c Abs. 1 BGB zustünde, da wegen der durchgeführten Probefahrt kein ausschließlich über Fernabsatz geschlossener Kaufvertrag vorläge.

    Die Beklagte ist der Auffassung, dass dem Kläger eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden sei und daher die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung abgelaufen sei. Die Nichtangabe der Telefonnummer führe nicht zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist. Da es sich nach Auffassung der Beklagten um eine individuelle Widerrufsbelehrung gehandelt habe und ausreichend auf die Bedingungen, Fristen und auch die Rechtsfolgen des Widerrufs hingewiesen wurde, sei nach Auffassung der Beklagten kein Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung zu sehen.

    Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    Die Klage ist zulässig. Das Landgericht F... ist örtlich und sachlich gemäß §§ 29 ZPO, 23, 71 GVG zuständig. Bei Rückabwicklung eines Kaufvertrags wie hier ist von einem einheitlichen Erfüllungsort an dem Ort auszugehen, wo sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befindet, hier am Wohnsitz des Klägers.

    Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB zu, da er den Widerruf des Fahrzeugbestellvertrags nicht fristgerecht erklärte.

    Zwar steht dem Kläger ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB iVm § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB zu, da der streitgegenständliche Fahrzeugkaufvertrag einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB darstellt. Vorliegend kam der Vertrag ausschließlich durch Onlinebestellung auf der Homepage der Beklagten zu Stande. Die Durchführung einer Probefahrt mit einem Tesla-Performance-Modell steht der Annahme eines Fernabsatzgeschäftes nicht entgegen. Eine damit einhergehende Durchbrechung des Informationsungleichgewichts ist nicht ersichtlich.

    Mit der Widerrufserklärung vom 08.08.2023 hat der Kläger jedoch die hier einzuhaltende gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht eingehalten. Da er das Fahrzeug am 05.11.2022 erhalten hat, begann die Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB am 06.11.2022 zu laufen (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB), somit am 19.11.2022 (§ 188 Abs. 1 BGB). Der am 08.08.2023 erklärte Widerruf war daher verfristet.

    Auf eine Gesetzesfiktion der Ordnungsgemäßheit der Widerrufserklärung kann sich die Beklagte zwar nicht berufen, da sie nach eigenem Vortrag gerade eine individualisierte Widerrufserklärung verwendete, jedoch liegt auch kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vor, welche zu einem etwaigen verlängerten Fristenlauf nach § 356 Abs. 3 S.1 BGB führen hätten können. Insbesondere war die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich.

    Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügt trotz nicht erfolgter Angabe einer Telefonnummer den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB.

    Der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschriften, § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, enthält keine Regelung, wonach auch die Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verweist nur auf die "Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2". Aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. bzw. Nr. 3 nach n.F. (dort wird die Telefonnummer genannt) folgt kein anderes Ergebnis. Denn § 356 Abs. 3 S. 1 BGB verweist explizit nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 EGBGB.

    Hätte der Gesetzgeber im Falle des § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zwingend gewollt, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch eine Telefonnummer nennt, so hätte er dies entsprechend geregelt. So setzt bspw. auch das in § 356e S. 1 BGB iVm Art. 249 § 3 EGBGB geregelte Widerrufsrecht bei Verbraucherbauverträgen eine Belehrung unter expliziter Nennung der Telefonnummer voraus.

    Es entsteht nach dem Wortlaut der hier verwendeten für den Verbraucher auch nicht irreführend die Annahme, eine von der Beklagten im Rechtsverkehr verwendete Telefonnummer könne nicht zur Ausübung des Widerrufs genutzt werden.

    Sofern der Kläger meint, dass es Rechtsprechung des BGH sei, dass bei fehlender Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzvertrag nach Ablauf der in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten Frist noch ein Widerrufsrecht bestünde, wenn die Telefonnummer auf der Website oder anderen Veröffentlichungen des Unternehmers als für den Kundenverkehr freigegeben angegeben wird, bezogen sich dort entschiedene Rechtsstreitigkeiten auf die Muster-Widerrufsbelehrungsformular in Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB. Dies trifft nicht auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit zu.

    Sofern der Kläger auch auf die EuGH-Rechtsprechung verweist, gilt nichts anderes. Der EuGH stellte in seiner "Amazon" Entscheidung vom 10.07.2019 (Az. C-649/17) klar, dass eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, unverhältnismäßig erscheint. Weiter führte der EuGH in seiner "EIS-Entscheidung vom 14.05.2020 (Az. C-266/19) aus, dass ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB verwendet und nach außen eine Telefonnummer für den Kundenverkehr zur Verfügung stellt, auch eine Telefonnummer in dieser Belehrung - entsprechend den Gestaltungshinweisen der Anlage 1 - angeben muss. Daran zweifelt das Gericht auch nicht. Vorliegend ist jedoch nicht das Muster-Widerrufsbelehrungsformular verwendet worden, weshalb sich eine Übertragung der Grundsätze verbietet.

    Mangels Hauptanspruchs steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Verzugszinsen, Feststellung eines Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

    RechtsgebieteBGB, EGBGBVorschriften§ 355 Abs. 1 BGB; Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB