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  • 20.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231882

    Landgericht Darmstadt: Urteil vom 25.05.2022 – 4 O 51/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    LG Darmstadt 4. Zivilkammer

    25.05.2022


    Tenor

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Streitwert: Bis 35.000 €

    Tatbestand

    Der Kläger verhandelte mit dem Mitarbeiter des Beklagten Autohauses, Herrn X, über den Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs, dass die Beklagte im Internet inseriert hatte. Nach Besichtigung des Fahrzeugs am 6.3.2021 unterzeichnete zunächst der Kläger und nachfolgend der Mitarbeiter der Beklagten ein als „Bestellung Nr. […]“ überschriebenes Formular, das auf der ersten von fünf Seiten folgende Bestimmung in Fettdruck enthielt:

    „Der Käufer bestellt bei der o.G. Firma (Verkäufer) das nachstehend bezeichnete gebrauchte Fahrzeug. Es gelten die Verkaufsbedingungen für gebrauchte Fahrzeuge mit Stand 01/2017.“

    Auf der vierten Seite des Formulars befindet sich weiterhin folgende Bestimmung:

    „Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung innerhalb der in den Gebrauchtfahrzeugs Verkaufsbedingungen geregelten Fristen in Textform bestätigt oder die Lieferung ausführt.“

    Nach seiner Unterschrift zur Bestellung bestätigte der Kläger mit einer weiteren Unterschrift in einem gesondert markierten Feld auf Seite 5, eine Ausfertigung dieser Bestellung sowie ein Exemplar der Verkaufsbedingungen für gebrauchte Fahrzeuge mit Stand 01/2017 erhalten zu haben (Bl. 56 d.A.).

    In den als Anlage zur Klageerwiderung vorgelegten Verkaufsbedingungen für gebrauchte Fahrzeuge mit Stand Januar 2017 heißt es unter I.1. (Bl. 57 d.A.):

    „Der Käufer ist an die Bestellung höchstens bis 10 Tage gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung des näher bezeichneten Kaufgegenstandes innerhalb der genannten Frist in Textform bestätigt oder die Lieferung ausführt. Der Verkäufer ist jedoch verpflichtet, den Besteller unverzüglich zu unterrichten, wenn er die Bestellung nicht annimmt.“

    Mit Überweisung vom 7.3.2021 zahlte der Kläger an die Beklagte den Kaufpreis auf deren Bankkonto, den die Beklagte zwischenzeitlich wieder an den Kläger zurück überwiesen hat.

    Am 8.3.2021 erhielt der Kläger von dem Mitarbeiter der Beklagten, Herrn X, eine E-Mail (Bl. 22 d.A.), mit welcher dieser darauf hinwies, dass das Fahrzeug von den Kollegen fehlerhaft zu einem Preis von 33.975 € statt 39.975 € inseriert worden sei und erklärte:

    „Die Bestellung wird unsererseits erst mal storniert und ist somit nichtig.“

    Mit anwaltlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11.3.2021 (Bl. 44 der Akte) ließ der Kläger der Beklagten gegenüber erklären, dass nach seiner Ansicht der Kaufvertrag wirksam zustandegekommen sei und die Beklagte zur Erfüllung aufgefordert werde. Mit Verweis auf die Regelungen in der Bestellung und den AGB wies die Beklagte in Person ihres Mitarbeiters X diese Forderung mit E-Mail vom 12.3.2021 (Bl. 26 der Akte) zurück, woraufhin die Prozessbevollmächtigte des Klägers ihre Rechtsansicht und Position mit Schreiben vom 15.3.2021 (Bl. 28 d.A.) wiederholte. Wegen der nachfolgenden weiteren Verhandlungen wird auf die Ausführungen in der Klageschrift Bezug genommen.

    Der Kläger ist der Ansicht, mit der Unterschrift des Mitarbeiters der Beklagten unter das Bestellformular sei ein wirksamer Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zwischen den Parteien zustandegekommen. Die Tatsache, dass der Verkäufer eine Bestellung unterschreibe sei als Bestätigung des Kaufvertrags zu werten, da andernfalls eine Unterzeichnung verzichtbar sei, da es sich bei einem Angebot des Käufers zum Abschluss eines Kaufvertrages um eine einseitige Willenserklärung des Käufers handele. Der Vertragsschluss ergebe sich auch aus den gesamten Umständen und dem gesamten Verhalten des Mitarbeiters der Beklagten, da sowohl eine unverzügliche Zahlung als auch die Frage besprochen worden sei, ob sich der Kläger zum Erwerb des Fahrzeugs einen Blumenstrauß oder einen Schlüsselanhänger als Geschenk wünsche.

    Der Kläger beantragt:

    Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger zu übergeben und herauszugeben, den PKW der Marke BMW, Typ 230 i Cabrio, Erstzulassung 11.08.2020, 185 KW, km-Stand 14.847, Fahrgestellnummer […].

    Die Beklagte wird verurteilt, die Übergabe und Übereignung gemäß Ziff. 1 innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach Rechtskraft des Urteils vorzunehmen.

    Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger die Zulassungsbescheinigung Teil II bezüglich des unter Ziff. 1 näher bezeichneten Fahrzeugs per TNT zu übersenden.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Übergabe der Zulassungsbescheinigung Teil II, innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach Rechtskraft des Urteils vorzunehmen.

    Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.626,49 EUR, zuzüglich Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte ist der Ansicht, ein Kaufvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, da die im Bestellformular und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages geregelte Annahme der Bestellung in Textform nicht erfolgt sei. Die Beklagte behauptet weiterhin, das streitgegenständliche Fahrzeug zwischenzeitlich anderweitig veräußert zu haben, weshalb eine Übereignung nicht mehr möglich sei. Da der Kaufpreis nicht gezahlt sei, erhebt die Beklagte weiterhin die Einrede des nicht erfüllten Vertrags.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen BMW Typ 230I Cabrio aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB, da zwischen den Parteien kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.

    Nachdem das Inserat der Beklagten im Internet als sog. „invitatatio ad offerendum“ als eine Einladung zur Abgabe eines Angebots anzusehen ist, ist in der Unterzeichnung des als „Bestellung Nr. […]“ überschriebenen Formulars das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages i.S.d. § 145 BGB zu sehen. Da die Beklagte dieses Angebot nicht angenommen, sondern mit E-Mail vom 8.3.2021 (Bl. 22 der Akte) die Bestellung „storniert“ hat, fehlt es an denen für den Abschluss eines Kaufvertrages erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen.

    Entgegen der Ansicht des Klägers kann insbesondere nicht in der Unterschrift des Mitarbeiters der Beklagten unter dem Bestellformular eine Annahme des klägerischen Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrages gesehen werden.

    Mit der Unterschrift hat der Mitarbeiter der Beklagten lediglich seinen Willen bekundet, die Bestellung und damit das Angebot des Klägers auf der Grundlage der im Bestellformular und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Bedingungen entgegenzunehmen. Im Hinblick auf die eindeutige Bestimmung auf Seite 4 des Bestellformulars, wonach der Kaufvertrag erst abgeschlossen sein soll, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung innerhalb der in den Gebrauchtfahrzeug Verkaufsbedingungen geregelten Fristen in Textform bestätigt oder die Lieferung ausführt, verbietet sich eine Auslegung der Unterschrift als eine das Angebot des Klägers annehmende Willenserklärung der Beklagten. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Voraussetzung einer Auslegung ist dabei jedoch stets eine Auslegungsbedürftigkeit der Willenserklärung. Hat die Willenserklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Auflage 2022, § 133 Rn. 6).

    Daneben musste aber auch für den Kläger aus objektiver Empfängersicht nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte klar sein, dass die Unterschrift unter das Bestellformular keine Annahme seines Angebots auf Abschluss eines Kaufvertrages darstellt. So wird durch die Bezeichnung unter dem Unterschriftenfeld: „Unterschrift des Verkäufers zur Bestellung“ deutlich, dass sich die Unterschrift auf die Bestellung bezieht und nicht auf den Abschluss des Kaufvertrages. Auch würde die Regelung im Bestellformular und den Verkaufsbedingungen, wonach der Kaufvertrag abgeschlossen ist, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung in Textform bestätigt, keinen Sinn machen, wenn bereits die im Bestellformular vorgesehene Unterschrift des Verkäufers „zur Bestellung“ als Annahme ausgelegt würde.

    Weiterhin ist im Gebrauchtwagenhandel mit Autohäusern gang und gäbe und entspricht absolut der gängigen Verkehrssitte, dass die ausgesuchten Fahrzeuge zunächst vom Kaufinteressenten „bestellt“ werden, und sich die Verkäufer eine Annahme der Bestellung vorbehalten. Gerade in Autohäusern mit mehreren Verkaufsberater besteht das Bedürfnis, das sich der Verkäufer eine abschließende Annahme vorbehält, um auszuschließen, dass es durch verschiedene Mitarbeiter zu mehreren „Parallel“-Bestellungen kommt, oder dass das bestellte Fahrzeug aus sonstigen Gründen nicht mehr zum Verkauf zur Verfügung steht.

    Ein in Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen enthaltener Annahmevorbehalt mit gleichzeitiger Bindungsfrist des Käufers ist unter Berücksichtigung des für den Gebrauchtwagenhandel typischen Handlungsablaufs geradezu typisch. Verwiesen werden kann insoweit exemplarisch auf die Erwägungen des LG Saarbrücken, Urteil vom 14.11.2014, Az. 10 S 128/13 (hierzu sogleich).

    Entgegen der Ansicht des Klägers ist es auch nicht so, dass der Unterschrift des Mitarbeiters der Beklagten unter dem Bestellformular keine Bedeutung zukäme, wenn man sie nicht als Annahme verstehen wollte. In Literatur und Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Parteien die Geltung allgemeiner Geschäftsbedingungen schon in der Phase der Vertragsanbahnung vereinbaren können. Dies ergibt sich für so genannte Rahmenverträge bereits aus § 305 Abs. 3 BGB, kann aber auch außerhalb einer ständigen Geschäftsbeziehung für einzelne Verträge geregelt werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. 20. 12. 2004, Az. 21 U 68/04). So ist es möglich, dass die Parteien eine Vereinbarung über das Verfahren des eigentlichen Vertragsschlusses und dessen Abwicklung treffen. Die Unterschrift des Mitarbeiters der Beklagten unter das Bestellformular ist deshalb als Bestätigung zu verstehen, dass sich auch die Beklagte bei Zustandekommen des Kaufvertrages an die in der Bestellung und den einbezogenen Verkaufsbedingungen geregelten Vereinbarungen über das Verfahren des Vertragsschlusses und dessen Abwicklung gebunden sieht.

    Entgegen der Ansicht des Klägers wurden die Allgemeinen Verkaufsbedingungen der Beklagten mit der von beiden Seiten unterzeichneten Bestellung damit wirksam in der Phase der Vertragsanbahnung als Regelung über das Verfahren des eigentlichen Vertragsschlusses und eine künftige Vertragsabwicklung vereinbart.

    Der im Bestellformular und den Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen enthaltene 10tägige Annahmevorbehalt mit gleichzeitiger Bindungsfrist des Käufers ist im Übrigen auch AGB rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung verstößt insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB und ist nicht überraschend.

    Auch ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB ist nicht gegeben. Zur Begründung kann insoweit auf das bereits zitierte Urteil des LG Saarbrücken verwiesen werden, dass in seinem Urteil vom 14.11.2014 zum Az. 10 S 128/13 insoweit ausführt:

    „In die wertende Betrachtung sind daher auch die Besonderheiten der gehandelten Ware und die Betriebsstruktur des Verkäufers mit einzubeziehen. Der Kauf eines Gebrauchtwagens ist insofern nicht - wie das Amtsgericht meint - mit dem Kauf eines Brötchens vergleichbar. Bei einem Gebrauchtwagen handelt es sich - anders als bei Backwaren - um eine Stückschuld, für deren Freiheit von Sach- und Rechtsmängeln der Gebrauchtwagenhändler haftet. Vor dem Verkauf eines Gebrauchtwagens wird daher typischerweise eine Werkstattuntersuchung durchgeführt oder die Ergebnisse einer bereits früher erfolgten Untersuchung des Fahrzeugs anhand von Unterlagen nochmals geprüft. (…). Weiterhin ist die Besonderheit der Verkaufs - und Betriebsstruktur der Klägerin im vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Die Klägerin hat zwei Filialen und mehrere Mitarbeiter, wobei in beiden Filialen dieselbe Ware, nämlich die von der Klägerin gehandelten Gebrauchtwagen, angeboten werden. Vor einem Verkauf eines gebrauchten Fahrzeuges ist daher zu prüfen, ob dieses Fahrzeug nicht bereits durch einen anderen Mitarbeiter - möglicherweise in einer anderen Filiale - angeboten oder verkauft worden ist. In die Abwägung, ob die Bindungsfrist von zehn Tagen einen Zeitraum, der für die Übermittlung der Erklärungen notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, erheblich übersteigt, ist auch der Umstand einzustellen, dass der einzelne Verkäufer vor Ort, der mit dem Kunden über den Kauf verhandelt, - anders als ein Verkaufsmitarbeiter in einer Bäckerei - keine Vertretungsbefugnis für den Abschluss eines Kaufvertrages hat. Die Entscheidung über den Vertragsschluss ist vielmehr der Geschäftsleitung vorbehalten, die diese Entscheidung auf der Grundlage der ihr von den Mitarbeitern übermittelten Unterlagen trifft.“

    Aber selbst wenn man von einer fehlenden Einbeziehung der Verkaufsbedingungen oder einer Unwirksamkeit der vereinbarten 10-tägigen Annahmefrist ausgehen wollte, ließe sich ein Vertragsschluss damit nicht begründen. In diesem Fall träte an die Stelle der nicht einbezogenen bzw. unwirksamen Annahmefrist nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 147 BGB. Da die schriftliche Bestellung des Klägers vom 6.3.2021, die wie bereits ausgeführt von der Beklagten nicht sofort angenommen wurde, als ein Antrag unter Abwesenden zu behandeln ist, konnte dieser Antrag nur innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen werden. Nachdem die Beklagte jedoch den Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Kläger explizit mit E-Mail vom 8.3.2021 (Bl. 92 der Akten) verweigert hat, ist dessen Antrag nach § 146 BGB erloschen (vergleiche hierzu BGH, Urteil vom 15.10.2003, Az. VIII ZR 329/02).

    In Ermangelung eines Hauptsacheanspruchs hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die mit den Klageanträgen Ziff. 2-5 geltend gemachten weiteren (Neben-)Forder-ungen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 433 Abs. 1 BGB, § 145 BGB, § 133 BGB