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  • 11.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142648

    Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 17.01.2014 – 5 S 68/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Saarbrücken

    5. Zivilkammer (OST)

    Aktenzeichen: 5 S 68/12
    122 C 223/11 (14) Amtsgericht Saarbrücken

    Verkündet am 17.01.2014

    LANDGERICHT SAARBRÜCKEN

    URTEIL

    Im Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit

    ...
    Kläger und Berufungskläger

    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...

    gegen

    ...
    Beklagter und Berufungsbeklagter

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin ...

    hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und
    den Richter am Landgericht ...
    auf die mündliche Verhandlung vom 8.1.2014

    für R e c h t erkannt:

    1. Das Verfahren wird unter Aufhebung des am 25.11.2011 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken – 122 C 223/11 (14) - an das Amtsgericht Saarbrücken zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

    2. Dem Amtsgericht Saarbrücken wird auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und über die Kosten des Vorlageverfahrens an den Europäischen Gerichtshof – C-218/12 - übertragen.

    3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.330,50 Euro festgesetzt.

    Gründe

    A.

    Der Beklagte betreibt in ... unter dem Firmennamen „...“ einen Gebrauchtwagenhandel.
    Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Klägers in ... und der Niederlassung des Beklagten in ... beträgt rund 10 km.
    Im Internet existierte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages der Parteien am 13.09.2010 eine Website des Beklagten mit folgendem Inhalt:
    “Bienvenue sur le site de … Automobiles
    Achat – Vente – Import - Export
    Reprise possible base sur l´ARGUS
    GARAGE AGREE PAR LE SIV:
    Gagnez du temps
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    Tel.: ...
    Fax : ...
    Port: ...
    Tel D: ...“
    Von dem Beklagten und der Möglichkeit, bei ihm ein Kraftfahrzeug zu erwerben, erfuhr der Kläger nicht über die Homepage des Beklagten, sondern über Bekannte, woraufhin er sich zu dessen Niederlassung in ... begeben hat.
    In der Folge schloss der Kläger mit dem Beklagten am 13.09.2010 in dessen Geschäftsräumen in ... einen schriftlichen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug. Zum Vertragsinhalt wird auf die Kopie Blatt 69 d. A. Bezug genommen.
    Mit seiner beim Amtsgericht Saarbrücken erhobenen Klage hat der Kläger gegenüber dem Beklagten Ansprüche aus Gewährleistungsrecht geltend gemacht.
    Er hat die Auffassung vertreten, das Amtsgericht Saarbrücken sei gemäß Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO international zuständig. Aus der Gestaltung der Website des Beklagten folge, dass der Beklagte seine gewerbliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet habe.
    Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nummer 593/2008 (Rom I) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 EGBGB sei das deutsche materielle Recht anwendbar.
    Er hat behauptet, der Beklagte habe eine Garantie für die Beschaffenheit des verkauften Kraftfahrzeuges übernommen.
    Das verkaufte Fahrzeug habe sich bereits nach wenigen Tagen als mangelhaft erwiesen.
    Der Beklagte sei seiner Aufforderung zur Behebung des Schadens nicht nachgekommen.

    Der Kläger hat beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.330,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hat die Auffassung vertreten, das Amtsgericht Saarbrücken sei nicht international zuständig.
    Er hat behauptet, der Kläger habe für das gekaufte Fahrzeug bei einer Versicherungsgesellschaft einen Garantievertrag mit einem Selbstbeteiligungsbetrag von 1.524,50 € abgeschlossen.
    Im Übrigen habe der Kläger das Fahrzeug „gebraucht wie besichtigt“ erworben.

    Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Seine Entscheidung hat es damit begründet, dass kein Fall des Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO vorliege. Der Beklagte richte seine berufliche Tätigkeit vorliegend nicht im Sinne der Vorschrift auf den Wohnsitz des klagenden Verbrauchers, also auf Deutschland aus.

    Diese Entscheidung greift der Kläger mit dem Rechtmittel der Berufung an. Ergänzend vertritt er die Auffassung, Artikel 15 Absatz 1 lit. c EuGVVO setze nicht voraus, dass zwischen dem „Ausrichten“ und dem Vertragsschluss ein Kausalzusammenhang bestehe, ebenso wenig sei es erforderlich, dass der Vertrag mit Mitteln des Fernabsatzes geschlossen worden sei.

    Der Kläger beantragt,

    1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen;

    2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts das Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1330,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    Die erkennende Berufungskammer hat durch Beschluss vom 27.4.2012 das Verfahren ausgesetzt und es dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt.
    Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rechtssache C – 218/12) die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:

    „Art. 15 Absatz 1c der Verordnung Nr. 44/2001 (Brüssel-I-Verordnung) ist dahingehend auszulegen, dass das zum Ausrichten der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers eingesetzte Mittel, d. h. eine Internetseite, nicht kausal sein muss für den Vertragsschluss mit diesem Verbraucher. Liegt eine solche Kausalität vor, ist dies allerdings ein Indiz dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt.“

    Des Weiteren hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, er habe die zweite Vorlagefrage der erkennenden Berufungskammer bereits in einer anderen Sache durch Urteil vom 6. September 2012 (Mühlleitner C-190/11) dergestalt beantwortet, dass Art. 15 Absatz 1c der Verordnung Nr. 44/2001 so auszulegen sei, dass er nicht verlange, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

    B.

    I. Auf die zulässige Berufung und auf den Zurückweisungsantrag des Klägers ist das amtsgerichtliche Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
    II. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts besteht dessen internationale Zuständigkeit aufgrund des Artikels 15 Absatz 1c der Verordnung Nr. 44/2001 (EG).
    1. Die Verordnung Nr. 44/2001 (Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - ABl. 2001, L 12, 1) (Brüssel-I-Verordnung) bestimmt die Zuständigkeit der Gerichte in Zivil- und Handelssachen. Grundsätzlich sind die Gerichte des Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. In bestimmten Fällen kann jedoch bei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates Klage erhoben werden. So hat bei Verbraucherverträgen der Verbraucher die Wahlmöglichkeit, die Klage bei dem Gericht seines Wohnsitzes zu erheben (vgl. dazu Art 16 Abs. 1 der Brüssel-I-Verordnung), wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen muss der Gewerbetreibende seine beruflichen oder gewerblichen Tätigkeiten im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausüben oder sie auf irgendeinem Wege (z.B. über das Internet) auf diesen Mitgliedstaat (oder auf mehrere Staaten, darunter den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers) ausrichten und zum anderen muss der streitige Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeiten fallen.
    2. Die danach geforderten Voraussetzungen für die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sind vorliegend erfüllt.
    2.1. Der Kläger ist Verbraucher und er hat seinen Wohnsitz in Deutschland.
    2.2. Der Beklagte betreibt in Frankreich das Gewerbe des Automobilverkaufs und er hat seine Verkaufstätigkeit auf Deutschland ausgerichtet.
    Für die Feststellung, ob ein Gewerbetreibender, dessen Tätigkeit auf seiner Website oder der eines Vermittlers präsentiert wird, als Gewerbetreibender angesehen werden kann, der seine Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 44/2001 „ausrichtet“, ist zu prüfen, ob vor einem möglichen Vertragsschluss mit dem Verbraucher aus dieser Website und der gesamten Tätigkeit des Gewerbetreibenden hervorgeht, dass dieser mit Verbrauchern, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten, darunter dem Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers, wohnhaft sind, in dem Sinne Geschäfte zu tätigen beabsichtigte, dass er zu einem Vertragsschluss mit ihnen bereit war (EuGH, Urteil vom 07. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, C-585/08, C-144/09 –, zitiert nach juris).
    Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die folgenden Gesichtspunkte, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist, geeignet, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist:
    • der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist,
    • die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache,
    • die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl,
    • die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern,
    • die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden
    • und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt.
    Es sei Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen (EuGH, Urteil vom 07. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, C-585/08, C-144/09 – Nr. 93, zitiert nach juris).
    Hingegen sei die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, nicht ausreichend. Das Gleiche gelte für die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind (EuGH, Urteil vom 07. Dezember 2010 – C-585/08 und C-144/09, C-585/08, C-144/09 – Nr. 94, zitiert nach juris).
    Obwohl Art. 15 Abs. 1 lit. c der Brüssel-I-Verordnung dahin auszulegen ist, dass er nicht verlangt, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde, sind sowohl die Aufnahme von Fernkontakt als auch die Buchung eines Gegenstandes oder einer Dienstleistung im Fernabsatz und erst recht der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz Indizien dafür, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt (EuGH, Urteil vom 06. September 2012 – C-190/11 –, zitiert nach juris).
    Das Gleiche gilt für die Kausalität einer auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten Internetseite des Gewerbetreibenden, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Oktober 2013 zwar nicht ursächlich sein muss für den Vertragsschluss mit dem Verbraucher, die aber ein Indiz dafür darstellt, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt (EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – C - 18/12 – Nummer 32, zitiert nach juris).
    Im vorliegenden Fall ist zwar der Text der Website des Beklagten in französischer Sprache verfasst und die Website des Beklagten war nicht kausal für den Abschluss des Kfz-Kaufvertrages der Parteien, ebenfalls ist der Kaufvertrag nicht im Fernabsatz abgeschlossen worden, dennoch ist davon auszugehen, dass die gewerbliche Tätigkeit des Beklagten auf Deutschland ausgerichtet war.
    Der Beklagte hat durch seine Firmenbezeichnung auf seiner Website „Achat – Vente – Import – Export“ zu erkennen gegeben, dass sein Geschäftsbetrieb auf den Kauf und Verkauf im Import und Export ausgerichtet ist. Daran wird deutlich, dass der Beklagte seine Geschäfte nicht auf das Land seiner Niederlassung, Frankreich, beschränken will, dass er vielmehr auch Rechtsgeschäfte von Frankreich in das Ausland und aus dem Ausland nach Frankreich beabsichtigt. Diese Absicht des Beklagten, Automobile an Ausländer zu verkaufen und von ihnen anzukaufen – insbesondere an Käufer und von Verkäufern, die ihren Wohnsitz in dem grenznahen, nur etwa 10 km entfernt liegenden Deutschland haben - wird durch die Angabe der auf der Website wiedergegebenen Telefonnummern betont. Der Beklagte hat auf seiner Website folgende Telefon- und Faxnummern angegeben:
    Tel.: ..., Fax : ...; Port: ...; Tel D: ....
    Durch die Angabe der internationalen Vorwahl „+33“ für Frankreich hat der Beklagte verdeutlicht, auch mit Kunden in telefonischen Geschäftskontakt treten zu wollen, die aus dem Ausland anrufen. Darüber hinaus hat es der Beklagte durch die Nennung der deutschen Mobilfunknummer „Tel D: ...“ in Deutschland lebenden Kunden erleichtert, mit ihm telefonisch in Kontakt zu treten.
    Deshalb ist davon auszugehen, dass der Beklagte durch die Gestaltung seiner Website seine gewerbliche Geschäftstätigkeit des Kaufes und des Verkaufes von Kraftfahrzeugen insbesondere auch auf den Mitgliedstaat Deutschland ausgerichtet hat.
    Da aufgrund der Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht auf die Kausalität der genannten Umstände für den Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages abzustellen ist, liegt ein Ausrichten der Geschäftstätigkeit des Beklagten auf Deutschland vor, so dass die deutschen Gerichte – und damit nach deutschem Prozessrecht das Wohnsitzgericht des Klägers (§ 13 ZPO) - international zuständig sind.
    3. Da der Kläger die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht beantragt hat (vergleiche § 538 Abs. 2 Nummer 3 ZPO) hat die erkennende Berufungskammer nicht darüber zu befinden, ob auf die Entscheidung dieses Rechtsstreites deutsches materielles Recht anzuwenden ist (vergleiche dazu die EG-Verordnung Rom I) und ob die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches erfüllt sind.