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  • 21.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112476

    Amtsgericht Düsseldorf: Urteil vom 29.06.2010 – 230 C 14977/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Düsseldorf

    230 C 14977/09

    Tenor:
    hat das Amtsgericht Düsseldorf
    im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
    nach abschließender Fristsetzung zum 8.6.2010
    durch den Richter am Amtsgericht X
    für R e c h t erkannt:
    Die Klage wird abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht diese zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    Der Streitwert wird auf 4.750,00 € festgesetzt.

    Tatbestand:

    Der Kläger betreibt eine gewerbliche Kfz-Vermietung und unterhält unter anderem für das Fahrzeug Mercedes-X, amtliches Kennzeichen XXX, als Leasingnehmer bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung, die unter anderem auch den Fahrzeugverlust durch Diebstahl bei einer Selbstbeteiligung von 150,00 € umfasst.

    Zwischen dem 30.5.2009 und dem 2.6.2009 wurde dieses Fahrzeug gestohlen. Es war zuvor vermietet worden. Nach dem insoweit unbestritten gelassenen Vortrag des Klägers wurde das Fahrzeug am 30.5.2009 gegen 22.30 Uhr und damit außerhalb der Geschäftszeiten auf dem Betriebshof des Klägers abgestellt. Den Fahrzeugschlüssel warf der Mieter entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen mit dem Kläger in einen hierfür vorgesehenen, allerdings nicht näher beschrifteten Briefkastenschlitz ein, der in ein Garagentor eingelassen war. Den im Ermittlungsverfahren eingesetzten Polizeibeamten gelang es nicht, einen dergestalt eingeworfenen Schlüssel aus dem Briefkastenschlitz wieder herauszuholen.

    Auf den unstreitigen Wiederbeschaffungswert von 9.500,00 € zahlte die Beklagte

    50 %, mithin unter Abzug der Selbstbeteiligung 4.600,00 €. Weitergehende Zahlungen leistete sie nicht.

    Mit der Klage verfolgt der Kläger weitergehende Erstattung.

    Er beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.750,00 € nebst Zinsen in Höhe von

    5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 € zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie ist der Auffassung, sie sei gemäß Ziffer A.2.18.1 der Versicherungsbedingungen bzw. § 81 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer berechtigt, den Erstattungsanspruch um mindestens 50 % zu kürzen. Insoweit ist sie der Auffassung, dass die Rückgabemöglichkeit durch einen bloßen Briefkastenschlitz in einem Garagentor, bei dem der Schlüssel sodann ohne weitere Sicherung auf den Garagenboden falle, für einen gewerblichen Kfz-Vermieter keine ausreichende Sicherung darstelle.

    Hinsichtlich des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    Die Akten StA Bonn 270 UJs 7960/09 A lagen zu Informationszwecken vor.

    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    I.

    Dem Kläger steht gegen die Beklagte der allein aus den §§ 1 ff. VVG in Verbindung mit den einschlägigen Versicherungsbedingungen in Betracht komme weitergehende Erstattungsanspruch nicht zu.

    Dabei kann dahinstehen, ob, was jedoch nach Einschätzung des Gerichts durch Vorlage der entsprechenden Ermächtigung des Leasinggebers hinreichend vorgetragen und nicht mehr ausreichend bestritten ist, der Kläger aktivlegitimiert oder im Wege gewillkürter Prozessstandschaft klagebefugt ist.

    Denn jedenfalls hat die Beklagte in Anwendung des § 81 VVG berechtigterweise den Anspruch um 50 % gekürzt.

    Denn auch nach dem Klägervorbringen und dem unstreitigen Sachverhalt muss von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kläger ausgegangen werden, die jedenfalls einen Grad mittlerer grober Fahrlässigkeit erreicht.

    Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt hat, insbesondere dann, wenn schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und in ungewöhnlich hohem Maße dasjenige unbeachtet gelassen wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, liegt die schadensstiftende Mitwirkung des Versicherungsnehmers in einem Unterlassen, wenn der Versicherungsnehmer zumutbare Maßnahmen zur Schadensverhinderung in grob fahrlässigem Maße nicht ergriffen hat. Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist zum einen der objektive Sachverhalt, zum anderen aber auch die subjektive Seite zu berücksichtigen. Bei letzterer sind die persönlichen Fähigkeiten, insbesondere berufliche Stellung und Lebenserfahrung des Versicherungsnehmers maßgeblich (vgl. eingehend Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, § 81 VVG, Rn. 3). Grobe Fahrlässigkeit kann insbesondere bei unzureichender Sicherung des Kfz-Schlüssels gegen den Zugriff beliebiger fremder Dritter in Betracht kommen. So ist richtigerweise, und zwar noch zu Zeiten der Geltung des "Alles-oder-Nichts-Prinzips" das Zurücklassen des Schlüssels im unverschlossenen Handschuhfach, in einer Tasche einer unbeaufsichtigten Jacke oder in einem nicht weiter gesicherten Außenbriefkasten einer Kfz-Werkstatt oder eines Kfz-Vermieters (vgl. die Nachweise bei Burmann, a.a.O., Rn. 22 ff sowie Prölls/Martin, VVG, 27. Auflage, § 12 AKB, Rn. 114; OLG Celle, NJW-RR 2005, 1192 m.w.N.; OLG Hamm, NJW-RR 2006, 897 m.w.N.) als grob fahrlässig erachtet worden.

    Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen und in Anlehnung an die noch zum alten Recht ergangene Rechtsprechung erachtet das Gericht auch im vorliegenden Fall eine grobe Fahrlässigkeit für gegeben. Denn die für die Rückgabe von Mietwagenschlüsseln eingerichtete Vorrichtung des Klägers unterschreitet in evidenter Weise in erheblichem Maße die erforderlichen und auch zumutbaren Sicherungseinrichtungen. Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass ein Briefkastenschlitz, bei dem ein Schlüssel auf den dahinterliegenden Boden fällt, durch auch schon mit wenig Geschick und Werkzeug ausgestattete Kleinkriminelle nicht im Ansatz eine brauchbare Sicherung gegen ein Herausangeln bietet. Dies wird nicht dadurch widerlegt, dass im Ermittlungsverfahren den eingesetzten Polizeibeamten dies nicht gelungen ist. Es muss angenommen werden, dass es den Beamten an tauglichem Werkzeug und/oder Erfahrung und krimineller Energie mangelte. Der Einsatz simpler Werkzeuge wie Schlinge, Teleskoparm und Teleskopspiegel ist auch im Rahmen von Kleinkriminalität Gang und Gäbe. Es dürfte aber daneben auch der Diebstahl von Mietfahrzeugen durch Herausangeln schlecht gesicherter Fahrzeugschlüssel zum typischen Betätigungsfeld der Bandenkriminalität gehören. Zu Recht weist die Beklagte auch darauf hin, dass durch ein entsprechendes Aufbiegen eines Garagentors die Möglichkeit besteht, an dahinterliegende kleine Gegenstände zu gelangen. Dass und in welcher Form das Garagentor gegen solche Eingriffe gesichert wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

    Die Klägerseite kann nicht damit gehört werden, dass der Briefkasten nicht beschriftet gewesen sei. Es bedarf nicht der geringsten Phantasie anzunehmen, dass ein wie vorliegend am Garagentor auf dem Gelände eines Mietwagenunternehmens angebrachter Briefkastenschlitz zur Schlüsselrückgabe genutzt wird.
    Die Sicherung der Schlüsselrückgabe ist damit nicht anders zu werten als in den vorzitierten Entscheidungen.

    Es bestand für den Kläger auch eine ohne weiteres erkennbare und zumutbare bessere Sicherungsmöglichkeit. So sind auf dem Markt zu zumutbaren Kosten Briefkastensysteme erhältlich, insbesondere solche, die einen verschlossenen Kasten aufweisen und mit von außen nicht zugänglichen Schrauben befestigt sind und einen Mechanismus haben, der ein Herausangeln von Gegenständen unmöglich macht oder erheblich erschwert. Ein solches System war hier evident erforderlich, weil der Kläger durch die von ihm selbst seinen Kunden eingeräumte Möglichkeit, außerhalb der Geschäftszeiten, also insbesondere nachts und am Wochenende, wenn das Gelände keiner gesonderten Kontrolle unterliegt, Schlüssel zurückzugeben, eine besondere Gefahrenlage schafft, die Diebe geradezu anzieht. Dass die vorhandene Sicherung gänzlich unzureichend war, war für den Kläger als Gewerbetreibenden mit einem entsprechenden Erkenntnishorizont ebenso offensichtlich wie die Möglichkeit, mit zumutbarem Aufwand für eine ausreichende Sicherung zu sorgen.

    Soweit der Kläger meint, die bisher ergangene Rechtsprechung auf besonders krasse Ausnahmefälle reduzieren zu können und insbesondere für seine Auffassung fruchtbar machen zu können, dass in den angeführten Entscheidungen vermeintlich nur die zu entscheidenden Sachverhalte als grob fahrlässig erachtet wurden, verfängt dies nicht. Es ist gerade nicht umgekehrt entschieden worden, dass andere als die entschiedenen Sachverhalte nicht unter die grobe Fahrlässigkeit fallen können. Außerdem liegen, soweit ersichtlich, vergleichbare Entscheidungen nur zur alten Rechtslage vor. Im Hinblick auf das seinerzeit bestehende "alles oder nichts-Prinzip" mag die ein oder andere zurückhaltendere Formulierung und Entscheidung nachvollziehbar sein.

    Nach allem ist die Beklagte zu Recht von grober Fahrlässigkeit und einem Kürzungsrecht von 50 % ausgegangen, so dass die weitergehende Klage einschließlich Nebenforderungen abzuweisen ist.

    II.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, 91 Abs. 1 ZPO.