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  • · Fachbeitrag · GW-Handel

    Rechtsprechungsreport - Die wichtigsten Urteile des Jahres 2012 zum GW-Handel auf einen Blick

    | Kurz vor Jahresschluss 2012 haben die BGH-Richter noch einmal richtig aufgedreht. Aber auch in den unteren Instanzen war „richtig Musik drin“. Erfahren Sie im Jahresrückblick 2012, wie sich die Rechtsprechung zum GW-Geschäft zu den Themen Sachmängel inklusive Nacherfüllung und Rücktritt, Inzahlungnahme, Strohmanngeschäfte, GW-Garantie mit Werkstattbindung oder eBay- und internationaler Kfz-Handel entwickelt hat. |

    Sachmangel ja oder nein?

    Bei Gewährleistungsstreitigkeiten dreht sich bekanntlich alles um die Frage, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt der Auslieferung einen Sachmangel hatte. Die Prüfung der Richter läuft über zwei Stufen:

     

    • Prüfstufe I: Gibt es eine Beschaffenheitsvereinbarung, die der Händler gebrochen hat?
    • Prüfstufe II: Wenn nein, fehlt dem Wagen die übliche und vom Kunden zu erwartende Beschaffenheit?

     

    In folgenden Fällen haben die Gerichte einen Sachmangel bejaht:

     

    • Die Vorbesitzer/Vorhalter-Angaben im Kaufvertrag müssen mit denen im Brief/ZB II übereinstimmen. Auch die in der ZB II mit Namen/Firma nicht genannten, nur mit einer (eingekreisten) Zahl erfassten anonymen Vorhalter zählen mit (OLG Naumburg, Urteil vom 14.8.2012, Az. 1 U 35/12; Abruf-Nr. 123750).

     

    • „Anomaler, gummiähnlichen Geruch“ aus dem Kofferraum bei einem als Vorführwagen gelaufenen Lexus LS 600 h Hybrid. Eine derartige Störung müsse der Käufer eines jungen Gebrauchten aus dem gehobenen Preissegment nicht hinnehmen. Der Mangel sei auch so gravierend, dass der Käufer vom Kauf zurücktreten dürfe. Dass die Störung mit sehr geringen Kosten beseitigt werden könne, ändere daran nichts. Entscheidend sei, dass die Ursache der Geruchsbelästigung im Zeitpunkt des Rücktritts ungeklärt gewesen sei (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.10.2012, Az. 1 U 475/11 - 141; Abruf-Nr. 123735).

     

    • Verkauf eines gebrauchten Wohnmobils mit gelber Schadstoffplakette, die bei der Ummeldung nicht neu erteilt wurde. Nach Ansicht des Gerichts ist das zwar ein Sachmangel der Prüfstufe II, aber kein Bruch einer Beschaffenheitsvereinbarung (Prüfstufe I). Wesentlich ist diese Einstufung mit Blick auf die vertragliche Freizeichnungsklausel. Eine Beschaffenheitsvereinbarung hat Vorrang, während der Mangel Stufe II von der Klausel erfasst wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.6.2012, Az. I-3 U 63/11; Abruf-Nr. 122081). Das Urteil steht auf dem Prüfstand des BGH (Az. VIII ZR 186/12).

     

    • Beachten Sie | Gegenteilig hat ein anderer Senat des OLG Düsseldorf im Fall einer grünen Plakette entschieden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2011, Az. I-22 U 103/11; Abruf-Nr. 121103).

     

     

     

    • Turboladerschaden an einem Peugeot 807 HDi, der nach nur kurzer Fahrstrecke aufgetreten ist (OLG München, Urteil vom 26.10.2012, Az. 10 U 2450/12; Abruf-Nr. 130123).

     

    • Wer als Händler in einer Internetanzeige die Laufleistung eines Pkw ohne einschränkenden Zusatz angibt (zum Beispiel mit „137.800 km“), muss sich daran festhalten lassen, auch wenn diese Zahl im späteren Kaufvertrag nicht mehr auftaucht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.11.2012, Az. I-3 W 228/12; Abruf-Nr. 123751). Das OLG bejaht sogar eine Beschaffenheitsgarantie und kann dem Händler dadurch auch die Kosten der Überführung nach Dänemark in Höhe 575 Euro anhängen.

     

    Nacherfüllung

    Auch wenn in GW-Sachen im Gegensatz zum NW-Handel eine Nacherfüllung per Ersatzlieferung praktisch ausgeschlossen ist, sodass nur die Variante Mängelbeseitigung (= Nachbesserung) bleibt, gibt es hier weiterhin zahlreiche ungeklärte Fragen.

     

    Händler ohne eigene Werkstatt

    Auch einem Händler ohne eigene Werkstatt steht das Recht der zweiten Andienung zu. Der Kunde muss auch einem solchen Händler erst einmal Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben haben, bevor er vom Kauf zurücktritt. Denn der Händler kann ja einen Kollegen für die Reparatur einschalten (LG Stuttgart, Beschluss vom 15.5.2012, Az. 3 S 7/12; Abruf-Nr. 122428).

     

    Polizeiliche Beschlagnahme ist ein behebbarer Mangel

    Wird das verkaufte Fahrzeug von der Polizei beschlagnahmt, kann der Kunde vom Vertrag erst zurücktreten, wenn er dem Verkäufer vorher erfolglos eine Frist gesetzt hat, für die Freigabe zu sorgen (OLG Hamm, Urteil vom 29.3.2012, Az. I-28 U 150/11; Abruf-Nr. 122783).

     

    Wo ist der Ort für die Nacherfüllung?

    • Das LG Hildesheim (Urteil vom 4.7.2012, Az. 2 O 100/12; Abruf-Nr. 122427) sieht den Erfüllungsort in Übereinstimmung mit dem BGH beim Händler und nicht dort, wo das Fahrzeug sich „vertragsgemäß“ befindet (Wohnort des Käufers). Die Entfernung Lengede in Westfalen - Berlin sei auch bei unterstellter Fahruntauglichkeit wegen des gerügten Motorschadens keine „erhebliche Unannehmlichkeit“ für den Käufer.
    • In das gleiche Horn bläst das AG Augsburg (Urteil vom 7.9.2012, Az. 72 C 893/12; Abruf-Nr. 130122) bei einer Entfernung von 300 km. Vorrangig kommt es in der Erfüllungsortfrage auf die vertraglichen Absprachen an.
    • Für eine nachträgliche Verständigung genügt dem OLG Naumburg (Beschluss vom 6.6.2012, Az. 1 U 19/12; Abruf-Nr. 122426) nicht, dass der Händler sich bereit erklärt hatte, das Fahrzeug durch einen Kollegen abholen zu lassen, wenn dieser ohnehin beim Käufer vorbeikomme. Das sei nur eine Kulanzzusage, keine verbindliche Abholvereinbarung.

     

    Nachbesserung auch mit Altteilen?

    Wer ein elf Jahre altes Auto kauft, kann nicht davon ausgehen, bei einer Nachbesserung Neuteile eingebaut zu bekommen (KG Berlin, Beschluss vom 6.9.2012, Az. 20 U 168/12; Abruf-Nr. 130166).

     

    Nutzungsausfall während der Nachbesserungsarbeiten?

    Für den mangelbedingten Nutzungsausfall ist der Verkäufer zwar unabhängig davon ersatzpflichtig, ob er mit der Nachbesserung in Verzug geraten ist. Keine Ersatzpflicht besteht jedoch ausnahmsweise, wenn ein Cabrio (hier: Renault Megane) nicht offen gefahren werden kann, weil sich das Verdeck wegen einer Fehlfunktion der Technik nicht öffnen lässt (AG Heidenheim, Urteil vom 9.7.2012, Az. 2 C 582/11; Abruf-Nr.122784).

    Rücktritt vom Kaufvertrag

    Die Abwicklung im Fall des Rücktritts (früher: Wandelung) ist eine Dauerbaustelle. Das fängt schon damit an, welches Gericht örtlich zuständig ist.

     

    Gerichtsstand: Auswärts- oder Heimspiel?

    Kfz-Käufer klagen in der Regel vor ihrem Heimatgericht. Sie berufen sich dabei auf § 29 Abs. 1 Zivilprozessordnung (Gerichtsstand des Erfüllungsorts). Begründung: Einheitlicher Erfüllungsort für sämtliche Rückgewähransprüche nach einem Rücktritt ist der Ort, an dem sich das Fahrzeug zur Zeit des Rücktritts „vertragsgemäß“ befindet. Das ist in der Tat die Mehrheitsmeinung der Gerichte (aktuell OLG Schleswig, Urteil vom 4.9.2012, Az. 3 U 99/11; Abruf-Nr. 123242). Nicht zuletzt aus Gründen eigener Arbeitsersparnis halten etliche Amtsgerichte den Firmensitz des Händlers für maßgeblich (AG Bergen/Rügen, Beschluss vom 8.8.2012, Az. 23 C 334/12; Abruf-Nr. 130555).

     

    Ersatz für Aufwendungen des Käufers - Verwendungsersatz

    Eine Komplettwinterbereifung mit Stahlfelgen hatte der Käufer erworben, allerdings erst nach Erklärung des Rücktritts. Auf den Kosten von 796 Euro blieb er sitzen (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2012, Az. 3 O 356/11; Abruf-Nr. 123752).

     

    Höhe der vom Käufer zu zahlenden Nutzungsvergütung

    • 0,67 Prozent des Kaufpreises pro gefahrene 1.000 km bei einem BMW 125i (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.10.2012, Az. 3 O 356/11; Abruf-Nr. 123752)
    • 0,3 Prozent bei einem Lexus LS 600 h (OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.10.2012, Az. 1 U 475/11 - 141; Abruf-Nr. 123735).

    In Zahlung genommenes Altfahrzeug mit Unfallschaden

    Überwiegend gewonnen hat ein Händler einen durch sämtliche Instanzen geführten Prozess gegen einen Kunden, der ihm einen Audi A 6 mit verdecktem Unfallschaden in Zahlung gegeben hatte (BGH, Urteil vom 19.12.2012, Az. VIII ZR 117/12; Abruf-Nr. 130121). Einzelheiten dazu in ASR 2/2013, Seite 3.

    GW-Garantie und Werkstattbindung

    Der Rover-Käufer hatte eine fällige Inspektion nicht - wie in den Garantiebedingungen vorgeschrieben - in einer Vertragswerkstatt durchführen lassen. Damit war der Garantieschutz verloren. Die Inspektionsklausel mit der Werkstattbindung war für den BGH rechtlich okay. Springender Punkt: Der Käufer hatte für die Garantie nichts gesondert gezahlt. Damit gab es keine entgeltliche Hauptleistungspflicht, folglich auch nichts, was die Inspektionsklausel hätte in unzulässiger Weise einschränken können (BGH, Beschluss vom 9.10.2012, Az. VIII ZR 349/11; Abruf-Nr. 123749).

    Gutgläubiger Erwerb

    Einem Händler war ein Wohnmobil von einem Verkäufer „angedreht“ worden, der unter dem Namen des Vorbesitzers (Wohnmobil-Vermieter) aufgetreten war. Anders als in solchen Fällen üblich, hat das OLG Karlsruhe (Urteil vom 29.3.2012, Az. 9 U 143/10; Abruf-Nr. 123366, nicht rechtskräftig) Gutgläubigkeit des Händlers und damit dessen Eigentumserwerb bejaht.

     

    PRAXISHINWEIS | Das Urteil des OLG Karlsruhe beleuchtet sämtliche Facetten des sogenannten gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten.

    Strohmanngeschäft

    Der „Strohmann“ war eine Frau, nämlich die Ehefrau eines Kfz-Händlers. Um Mängelansprüche auszuschließen, hatte er sie dazu benutzt, den Kaufvertrag über den zehn Jahre alten Fiat 146L zu unterzeichnen. Etwas überraschend hat die Sache funktioniert, obwohl die HU/AU-Bescheinigungen gefälscht waren und ein Voreigentümer nicht in den Papieren stand. Der BGH ist trotz des „Strohmann-Tricks“ von einem wirksamen Kaufvertrag zwischen den beiden Verbrauchern ausgegangen. Anders wäre es gelaufen, wenn der Käufer gewusst hätte und damit einverstanden gewesen wäre, dass die Frau nur als „Strohmann“ für ihren Ehemann aufgetreten ist.

     

    Beachten Sie | Interessant an dem Urteil ist ferner, wie der BGH mit dem Vorwurf des Käufers umgeht, in mehrfacher Hinsicht arglistig getäuscht worden zu sein. Für die Kaufentscheidung sei das alles nicht von maßgeblicher Bedeutung gewesen (BGH, Urteil vom 12.12.2012, Az. VIII ZR 89/12; Abruf-Nr. 130232).

    Unternehmer oder Verbraucher - Rollenspiele

    „Käufer ist Gewerbetreibender, somit keine Gewähr auf Sachmängel“ hieß es in einem Kaufvertrag über einen gebrauchten MB E 320. Dennoch wollte der Käufer später - nach Auftreten eines Getriebeproblems - als Verbraucher behandelt werden. Die Rechnung hatte er jedoch ohne den Wirt gemacht. Wer sich nachweisbar als Händler aufspielt, muss sich auch so behandeln lassen (OLG Hamm, Urteil vom 29.3.2012, Az. I-28 U 147/11; Abruf-Nr. 121733).

    Internethandel (eBay)

    • Abbruch einer eBay-Auktion wegen eines vom Anbieter nachträglich entdeckten Mangels. Das LG Bonn (Urteil vom 5.6.2012, Az. 18 O 314/11; Abruf-Nr. 130163) hat den Abbruch genehmigt, weil der beklagte Anbieter nachweisen konnte, erst nach dem Start der fünftägigen Auktionslaufzeit Kenntnis von dem Unfallvorschaden erlangt zu haben.

     

    • In einer ähnlichen Sache hat das LG Bochum (Urteil vom 18.12.2012, Az. 9 S 166/12; Abruf-Nr. 130557) die vorzeitige Beendigung gleichfalls anerkannt. Der Anbieter konnte nachweisen, dass während der Auktionszeit die Zentralverriegelung der A-Klasse kaputt gegangen war.

     

    • Verloren hat dagegen ein eBay-Anbieter eines Wohnwagens. Zum Höchstgebot von nur 56 Euro wechselte der Wagen - rechtlich korrekt - den Besitzer (LG Detmold, Urteil vom 22.2.2012, Az. 10 S 163/11; Abruf-Nr. 130164).

    Internationaler Kauf

    Ein Verbraucher aus Österreich kann einen deutschen Autohändler wegen eines Pkw-Mangels auch dann in Österreich verklagen, wenn er den Wagen nicht im Fernabsatz, sondern beim Händler vor Ort in Deutschland gekauft hat. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Händler sein Geschäft auch auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers „ausgerichtet“ hat. Das ist beispielsweise der Fall, wenn er das Fahrzeug im Internet anbietet (EuGH, Urteil vom 6.9.2012, Rs. C - 190/11; Abruf-Nr. 123047).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „Rechtsprechungsreport - Die wichtigsten Urteile des Jahres 2012 zum NW-Handel auf einen Blick“, ASR 2/2013, Seite 15
    • Beitrag „Altfahrzeug mit Unfallschaden 7- BGH stärkt Händlern den Rücken“, ASR 2/2013, Seite 3
    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 13 | ID 38025960