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  • · Fachbeitrag · Autokauf

    Update: Berechnung der Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags

    | Jede Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrags ist nicht nur ärgerlich, weil sie die Beziehung zum Kunden empfindlich stört, sie ist auch meist mit Verlusten für Ihr Autohaus verbunden. Diesen Verlust gilt es mittels der Nutzungsentschädigung so gering wie möglich zu halten. Egal, wieviel Ihr Kunde mit dem Fahrzeug gefahren ist, es lohnt sich, bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung mit spitzem Bleistift zu rechnen. Der folgende Beitrag bringt Sie auf den neuesten Stand wie Sie vorgehen und worauf Sie dabei achten sollten. Ein Rechen-Tool hilft Ihnen dabei. | 

    Der Käufer muss für die Nutzung zahlen

    Vom Ansatz her ist klar: Ein Kfz-Käufer, egal, ob er Verbraucher ist oder nicht, muss im Fall des Rücktritts (ehemals Wandelung) oder des Widerrufs für die gefahrenen Kilometer zahlen.

     

    Beachten Sie | Zum Nulltarif fährt nur ein Verbraucher im Fall des Fahrzeugtausches per Ersatzlieferung. Nicht-Verbraucher sind auch bei dieser Konstellation kilometergeldpflichtig.

    So müssen Sie rechnen

    Beim NW-Kauf können Sie - nach wie vor - wie folgt rechnen:

    Bruttokaufpreis x Gefahrene Kilometer

    Erwartbare Gesamtlaufleistung

     

     

    • Beispiel

    Bruttokaufpreis Golf VII 32.150 Euro, vom Kunden gefahrene Strecke 10.000 km, erwartbare Gesamtlaufleistung 200.000 km. Nutzungsvergütung = 1.607,50 Euro (32.150 Euro x 10.000 km : 200.000 km).

     

    In GW-Fällen müssen Sie die Formel wie folgt modifizieren:

    Bruttokaufpreis x Gefahrene Kilometer

    Erwartbare Restlaufleistung

     

     

    Wichtig | Die Formel wird beim GW modifiziert, weil ein GW in der Regel schon einige tausend km auf der Uhr hat. Der Käufer erwirbt damit nicht die volle Laufleistung (Tacho null bis Exitus), sondern nur eine Restlaufleistung.

    • Beispiel

    Bruttokaufpreis Golf VI 18.130 Euro, vom Kunden gefahrene Strecke 10.000 km, Km-Stand bei Auslieferung an den Kunden 85.000 km, erwartbare Restlaufleistung 200.000 minus 85.000 = 115.000 km. Nutzungsvergütung = 1.576,52 Euro (18.130 Euro x 10.000 km : 115.000 km).

     

    Knackpunkt ist die erwartbare Gesamtlaufleistung

    Wenn Sie die beiden Berechnungsformeln nachvollziehen, können Sie folgende Faustformel ableiten: Je niedriger die Gesamtlaufleistung des Fahrzeug veranschlagt wird, desto günstiger ist das für Sie als Händler.

     

    Beachten Sie | Manche von Ihnen arbeiten möglicherweise generell mit der 0,67-Prozent-Berechnungsmethode für die Nutzungsentschädigung: Das heißt: Sie stellen dem zurückgetretenen Käufer 0,67 Prozent des Fahrzeugkaufpreises pro tausend gefahrene km in Rechnung. Die 0,67-Prozent-Formel beruht auf der Annahme, dass ein Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung von 150.000 km erreicht. Entsprechend beträgt der Prozentsatz bei 200.000 km 0,5, bei 250.000 km 0,4 und bei 300.000 km 0,33.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Wir empfehlen Ihnen: Verwenden Sie zur Berechnung die eingangs erwähnten Formeln. Aus zwei Gründen:
      • Der 0,67-Prozentsatz als Einheitswert über alle Fahrzeugklassen und -typen hat ausgedient. Die meisten Fahrzeuge schaffen heute mehr als 150.000 km.
      • Auch die anderen drei Prozentsätze reichen heute oft für die Berechnung der Nutzungsentschädigung nicht mehr. Denn die Rechtsprechung hat ihren Urteilen mittlerweile viele unterschiedliche Gesamtlaufleistungen innerhalb einer Bandbreite von 133.000 km bis 350.000 km zugrunde gelegt.
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    • Ein (Excel-)Tool zur Berechnung der Nutzungsentschädigung finden Sie auf asr.iww.de Dort finden Sie auch eine tabellarische Übersicht über die Rechtsprechung zur Gesamtlaufleistung - alphabetisch nach Hersteller und Modell sortiert - mit derzeit 54 Entscheidungen. Mehr dazu am Ende des Beitrags unter „Weiterführende Hinweise“.
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    • Aus der umfangreichen Rechtsprechung lässt sich folgendes Fazit ziehen: Bei Kleinwagen können Sie weiter mit einer Gesamtlaufleistung von 150.000 km rechnen, egal ob es sich um einen Benziner oder Diesel handelt. Ab der Mittelklasse müssen Sie bei diesem Wertansatz mit Widerstand rechnen, zumal bei anwaltlich vertretenen Kunden.
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    • Händlergünstig, bundesweit aber nicht repräsentativ, ist die Rechtsprechung des OLG Koblenz (Urteil vom 18.12.2008, Az. 6 U 564/08; Abruf-Nr. 091016). Dort heißt es „Da es sich hier um ein Mittelklassefahrzeug handelt, ist eine höhere Laufleistung als 150.000 km nicht zu erwarten.“ Ebenso hat das OLG Koblenz (Urteil vom 16.4.2009, Az. 6 U 574/08; Abruf-Nr. 092629) im Fall eines Fiat Stilo entschieden. Unter Berufung auf diese beiden Entscheidungen können Sie also auch bei einem Fahrzeug der Mittelklasse mit 150.000 km Gesamtlaufleistung rechnen. Protest müssen Sie dabei aber einkalkulieren.
     

    Für Nutzfahrzeuge, Krafträder und Wohnmobile gelten andere Regeln

    Schwieriger als Pkw zu bewerten sind Lkw und Omnibusse, Krafträder und vor allem Wohnmobile. Während die Gesamtlaufleistungen von Lkw und Omnibussen zwischen 500.000 km und 1 Mio. km liegen, reichen die Ansätze bei Motorrädern, je nach Klasse und Typ, von 60.000 km bis 120.000 km. Bei Wohnmobilen (nicht Anhänger) gibt es mindestens vier Bewertungsansätze:

     

    • Ansicht A rechnet - wie bei einem normalen Pkw/SUV - mit der erwartbaren Laufleistung und der tatsächlich zurückgelegten Strecke (so das OLG Hamm, Urteil vom 10.3.2011, Az. I-28 U 131/10; Abruf-Nr. 112500), wobei der Wohnfaktor nur infolge der reklamierten Feuchtigkeit außer Ansatz blieb.
    • Ansicht B stellt auf den Faktor Zeit ab, das heißt auf die voraussichtliche Nutzungsdauer und die effektive Nutzungszeit (inklusive Standzeit daheim).
    • Ansicht C kombiniert Fahren und Wohnen.
    • Ansicht D schließlich, vorzugsweise von Sachverständigen vertreten, orientiert sich an den Mietpreisen für Wohnmobile.

     

    In der Rechtsprechung dominiert Ansicht B, die im Fachjargon „zeitanteilige lineare Wertminderung“. genannt wird. Wie diese funktioniert, zeigt das folgende Beispiel, das einer Entscheidung des OLG München (Urteil vom 24.10.2012, Az. 3 U 297/11; Abruf-Nr. 132528) nachgebildet ist.

    • Beispiel

    Verkauf eines Daimler Benz, Typ 1017 A, im März 2009 für 35.000 Euro. Nutzungsdauer seit Erstzulassung 11 Jahre und 1 Monat (= 133 Monate) Gesamtnutzungsdauer 24 Jahre (vom Gericht geschätzt), Restnutzungsdauer im Verkaufszeitpunkt 12 Jahre und 11 Monate (= 155 Monate), tatsächliche Nutzungszeit 7,75 Monate. Die Nutzungsvergütung in Höhe von 1.750 Euro berechnet sich wie folgt:

     

    Bruttokaufpreis 35.000 Euro x Tatsächliche Nutzungszeit 7,75 Monate

    Restnutzungsdauer 155 Monate

     

    Beim Verkauf eines neuen Wohnmobils muss nach Ansicht B auf die Gesamtnutzungsdauer abgestellt werden. Bei einem Trigano, Typ Sirio Ti 592, mit Ford Motor 2,0 TDE nahm das OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.4.2008, Az. I-1 U 273/07; Abruf-Nr. 083140) eine Gesamtnutzungsdauer von 12 Jahren an. Da die Differenz zwischen Ansicht A und B (10 Monate Nutzung, 9.400 km) geringfügig war, musste das OLG sich nicht auf eine bestimmte Ansicht festlegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Rechnen Sie in einem Wohnmobil-Fall nach beiden Methoden (A und B) und wählen Sie die für Sie günstigere. Setzen Sie bei der Methode A eine erwartbare Gesamtlaufleistung von 200.000 bis 250.000 km an.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Das (Excel-)Tool „Berechnung der Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs“ finden Sie auf asr.iww.de unter Downloads → Rechentools.
    • Die „Rechtsprechungsübersicht zur Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen“ finden Sie auf asr.iww.de unter Downloads → Checklisten/Arbeitshilfen → Autokauf.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 17 | ID 42243817