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  • Autokauf

    Was kann der Kunde bei Mängeln am Fahrzeug verlangen?

    von Rechtsanwalt Dipl.-Kfm. LL.M. Dr. Markus Lubitz, Sozietät Norton Rose Vieregge, Köln

    Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, ... Die Schuldrechtsreform hat Ihren Kunden bei Mängeln am verkauften Fahrzeug neue Rechte eröffnet. Zunehmend machen diese auch davon Gebrauch. Nachfolgend erfahren Sie, um welche Rechte es sich im Einzelnen handelt und wie Sie sich im Fall einer Inanspruchnahme verhalten sollten.

    Wenn Sie einen Neuwagen verkaufen, der Mängel aufweist, kommen als Mängelansprüche des Kunden in Frage

    • die Nacherfüllung (§ 439 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]),
    • der Rücktritt (§§ 440, 323, 326 Absatz 5 BGB),
    • die Minderung (§ 441 BGB),
    • der Schadenersatz (§§ 440, 280, 281, 283, 311a BGB) oder
    • der Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB)

    Beachten Sie: Bevor Sie sich mit dem Kunden einigen, sollten Sie sich auf jeden Fall beim Hersteller bzw. Importeur rückversichern, ob dieser mit Ihrer Vorgehensweise einverstanden ist. Lassen Sie sich das Einverständnis auch schriftlich bestätigen.

    Nacherfüllung

    Ist das Fahrzeug mangelhaft, kann der Kunde zunächst Nacherfüllung verlangen. Es kommen zwei Alternativen in Frage: Die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs (Nachlieferung). Welche Art der Nachbesserung er wählt, ist Sache des Kunden. Sie können die vom Kunden gewählte Art der Nacherfüllung allerdings ablehnen, wenn sie bei Ihnen unverhältnismäßige Kosten verursacht. Dass Unverhältnismäßigkeit vorliegt, müssen Sie aber beweisen.

    Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung

    Entscheidend für das Wahlrecht des Käufers hinsichtlich der Art der Nacherfüllung ist

    • der Wert des Fahrzeugs im mangelfreien Zustand,
    • die Bedeutung des Mangels und
    • ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden kann.

    Das Landgericht Ellwangen hat entschieden, dass die Nachlieferung unverhältnismäßig ist, wenn die Kosten der Nachlieferung die der Mängelbeseitigung um 20 Prozent überschreiten und der Mangel durch die Nachbesserung vollständig behoben werden kann (Urteil vom 13.12.2002, Az: 3 O 219/02; Abruf-Nr. 030390). In der Literatur wird sogar eine Grenze von zehn Prozent vertreten (Bitter/Meidt, ZiP 2001, 2122) bzw. eine Staffelung zwischen 5 und 25 Prozent, wenn den Händler ein Verschulden am Mangel trifft (Bamberger/Roth, Kommentar zum BGB, 2003, § 439 BGB, Randnummer 46).

    Unser Tipp: Verweisen Sie Ihren Kunden auf die bloße Mängelbeseitigung, falls der Mangel beseitigt werden kann und der Kostenaufwand für die Nachlieferung um 20 Prozent höher ist als die Reparatur.

    Wie Sie den Mangel beseitigen, ist Ihre Sache. Das heißt: Sie können entscheiden, ob Sie die schadhaften Teile reparieren oder durch neue ersetzen, den Mangel selbst beseitigen, bei einem anderen Händler oder durch das Herstellerwerk beseitigen lassen. Beachten Sie aber, dass Sie für die Nacherfüllung erforderliche Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, selbst tragen müssen.

    Fehlgeschlagene Nacherfüllung

    Die Beseitigung des Mangels gilt grundsätzlich nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen (§ 440 Satz 2 BGB). Im Einzelfall kann die Nachbesserung bereits nach einem erfolglosen Versuch fehlgeschlagen sein oder erst nach drei erfolglosen Versuchen. Es kommt in erster Linie auf die Art und Schwere des Mangels an. Ist zum Beispiel die Karosserie wasserdurchlässig, gilt die Nachbesserung schon nach dem ersten erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen (Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., 2001, § 11 Nr. 10 AGBG, Rn. 40). Entsprechendes gilt, wenn die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigt ist. Bei mehreren Schäden ist eine Gesamtschau erforderlich.

    Bei der Nachlieferung werden Ihnen dagegen keine zwei Versuche zugestanden. Schon nach einer erfolglosen Nachlieferung gilt diese als fehlgeschlagen. Hinsichtlich der Abwicklung gelten die gesetzlichen Rücktrittsvorschriften. Das heißt: Der Käufer muss den Pkw zurückgeben und Ihnen etwaige Gebrauchsvorteile vergüten.

    Beachten Sie: Über die Nacherfüllung hinausgehende Rechte (Minderung, Rücktritt, Schadenersatz) kann der Kunde geltend machen, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist oder der Kunde Ihnen eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese Frist verstrichen ist. Eine Frist muss dann nicht gesetzt werden, wenn Sie

    • die Beseitigung des Mangels ablehnen,
    • die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit verweigern oder
    • die Nacherfüllung für den Kunden unzumutbar ist (§ 440 Satz 1 BGB).

    Minderung

    Ist es nicht zur Nacherfüllung gekommen, kann der Kunde Minderung des Kaufpreises verlangen. Das Recht steht ihm auch bei unerheblichen Mängeln zu. Wie sich der geminderte Kaufpreis errechnet, sehen Sie an folgendem Beispiel:

    Wichtig: Als Wert der mangelfreien Sache ist der Verkehrswert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags anzusetzen.

    Rücktritt

    Alternativ zur Minderung kann der Kunde vom Kaufvertrag zurücktreten. Allerdings ist der Rücktritt im Gegensatz zur Minderung nur möglich, wenn der Mangel erheblich ist.

    Erheblicher Mangel

    Maßgeblich für die Definition eines erheblichen Mangels ist die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Fehlern im Sinne von § 459 Absatz 1 BGB alte Fassung. In erster Linie muss der für die Beseitigung der Mängel erforderliche Aufwand berücksichtigt werden:

    • Ein unerheblicher Mangel liegt in der Regel vor, wenn er sich leicht, vollständig und mit geringen Kosten beheben lässt.
    • Kann der Mangel nicht oder nur teilweise behoben werden, müssen seine Auswirkungen auf das Fahrzeug analysiert werden.
    • Wenn Verkehrssicherheit und Betriebsbereitschaft beeinträchtigt werden, ist von einem erheblichen Mangel auszugehen.

    Ersatz der „notwendigen Verwendungen“

    Tritt der Kunde vom Kaufvertrag zurück, müssen Sie ihm die „notwendigen Verwendungen“ ersetzen. „Notwendige Verwendungen“ sind Aufwendungen, die der Sache zugute kommen, ohne sie grundlegend zu ändern (Staudinger-Kaiser, BGB, 13. Auflage, 2001, § 347 BGB, Randnummer 99). Beim Fahrzeugkauf müssen sie der Erhaltung des Fahrzeugs dienen oder das Fahrzeug kann ohne sie nicht genutzt werden, wie es zum Beispiel beim Benzin der Fall ist. Anerkannt als „notwendige Verwendung“ wurde auch die für das Auto angemietete Garage (BGH, WM 1978, 326, 327) sowie die Reparatur eines defekten Motors oder von defekten Bremsen (Reinking/Eggert, Rn. 309 mwN). Nicht als „notwendige Verwendung“ wurden jedoch die Kosten für die erste Inspektion anerkannt (Oberlandesgericht [OLG] Köln, DAR 1986, 320; andere Ansicht OLG Frankfurt, DAR 1988, 242, 243) sowie die Eigenkosten für die Abholung des Fahrzeugs im Werk (OLG Celle, DAR 1995, 404, 405).

    Ersatz anderer Aufwendungen

    Andere Aufwendungen müssen Sie dem Kunden nur ersetzen, soweit Sie dadurch bereichert sind. Das ist der Fall, wenn sie sich in einem höheren Verkaufspreis widerspiegeln. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kunde die Mängel kannte oder aus Fahrlässigkeit nicht kannte.

    Schadenersatz

    Wenn Sie ein Verschulden am Mangel trifft und der Mangel erheblich ist, kann der Kunde auch Schadenersatz fordern. Wenn Sie das verhindern wollen, müssen Sie beweisen, dass Sie kein Verschulden trifft.

    Beachten Sie: Haben Sie eine Garantie abgegeben, kann der Kunde auch ohne Ihr Verschulden Schadenersatz verlangen. Beim Schadenersatz gibt es zwei Varianten: Den „kleinen Schadenersatz“ und den „großen Schadenersatz“.

    Kleiner Schadenersatz

    Der „kleine Schadenersatz“ ist eine Art Minderung. Hier kann der Käufer den mangelhaften Wagen behalten. Er kann verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn ihm ein mangelfreier Wagen geliefert worden wäre. Der „kleine Schadenersatz“ kommt auch bei unerheblichen Mängeln bzw. Bagatellschäden in Betracht. Der Schadenersatz kann gerichtet sein auf drei Dinge:

    • Den Ersatz des Minderwerts des mangelhaften Wagens. Das führt dann praktisch zum gleichen Ergebnis wie die Minderung.
    • Den Ersatz der Kosten, die erforderlich sind, um den Mangel zu beseitigen.
    • Die allgemeinen Vermögensschäden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache stehen (zum Beispiel entgangener Gewinn).

    Wichtig: Beim „kleinen Schadenersatz“ gilt das „Entweder-Oder-Prinzip“. Der Kunde muss sich also entscheiden, welche Art Schadenersatz er von Ihnen verlangt.

    Großer Schadenersatz

    Beim „großen Schadenersatz“ wird der Kaufvertrag rückabgewickelt, das Fahrzeug muss zurückgegeben werden. Die Inanspruchnahme des „großen Schadenersatzes“ setzt voraus, dass ein erheblicher Mangel vorliegt. Ist dies der Fall, hat der Kunde hat folgende Rechte:

    • Er gibt das Fahrzeug zurück und verlangt, so gestellt zu werden, wie wenn das Fahrzeug mangelfrei geliefert worden wäre (BGHZ 126, 131). Insbesondere kann der Kunde den entgangenen Gewinn (zum Beispiel aus Weiterverkauf) sowie Gutachterkosten für die Feststellung des Mangels verlangen.
    • Daneben kann er nach bisheriger Rechtsprechung die Erstattung der Vertragskosten verlangen (BGH, NJW 1991, 2708). Das sind zum Beispiel Abhol-, Anmelde- und Überführungskosten sowie Kosten für Nummernschilder. Die Rechtsprechung wird voraussichtlich hieran festhalten, obwohl nach § 284 BGB vergebliche Aufwendungen nur an Stelle des „großen Schadenersatzes“ zu ersetzen sind.

    Ersatz vergeblicher Aufwendungen

    Anstelle des „großen Schadenersatzes“ kann der Käufer bei einem Verschulden des Händlers und einem erheblichen Mangel auch den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Das sind Aufwendungen, die der Käufer im Vertrauen auf den Erhalt der „mangelfreien“ Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte. Darunter fallen zum Beispiel die Vertragskosten. Ferner können Kosten für das nutzlose Anmieten einer Garage im Vorgriff auf den Erwerb des Fahrzeugs geltend gemacht werden.

    Unser Service: Damit Sie sich einen abschließenden Überblick verschaffen können, finden Sie auf der nächsten Seite ein Diagramm, das die einzelnen Käuferrechte auf einen Blick darstellt.


    Quelle: Auto - Steuern - Recht - Ausgabe 07/2003, Seite 15

    Quelle: Ausgabe 07 / 2003 | Seite 15 | ID 101191