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  • · Fachbeitrag · Hausratversicherung

    Das Einreichen der Stehlgutliste ist eine Schadensminderungsobliegenheit

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Die Obliegenheit des VN, der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen (Stehlgutliste), ist keine Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit, sondern eine Schadenminderungsobliegenheit i.S. des § 82 VVG. Einer Rechtsfolgenbelehrung des VR in der Form des § 28 Abs. 4 VVG bedarf es deshalb nicht (Abweichung von OLG Karlsruhe 20.9.11, 12 U 89/11, Abruf-Nr. 114145) (OLG Köln 15.10.13, 9 U 69/13, Abruf-Nr. 133609).

     

    Sachverhalt

    Der VN unterhielt bei dem VR eine Hausratversicherung nach VHB 2008. Am 21.12.10 brachen unbekannte Täter in die versicherte Wohnung ein. Mit Schreiben vom 6.1.11 wies der VR den VN darauf hin, dass er „zur Erhaltung des Versicherungsschutzes“ verpflichtet sei, der zuständigen Polizeibehörde „unverzüglich eine Aufstellung über die abhanden gekommenen Sachen einzureichen (Stehlgutliste)“. Am 28.1.11 übersandte der VN der Polizei per Fax eine handschriftliche Aufstellung über abhanden gekommene Schmuckstücke.

     

    Der VR zahlte 10.779 EUR. Ausgehend von einem Erstattungsbetrag von 17.965 EUR nahm er einen Abzug von 40 Prozent vor, weil der VN seine Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei verletzt habe. Der VN verlangte restliche Zahlung von 8.156 EUR. Das LG gab der Klage in Höhe von weiteren 7.186 EUR statt. Soweit Ersatz für einen Ring und ein Paar Ohrstecker verlangt wurde, wies es die Klage ab. Der VR habe es unterlassen, auf die Folgen der Aufklärungsobliegenheit hinzuweisen. Die Berufung des VR hatte Erfolg, während die Berufung des VN zurückgewiesen wurde.

     

    Entscheidungsgründe

    Ein Anspruch auf Versicherungsleistung, § 1 VVG i.V. mit A § 1 Nr. 1 b), § 3 Nr. 1, § 8 Nr. 1 und 2 VHB 2008, sei es in voller Höhe von 745 EUR oder in Höhe von 60 Prozent, steht dem VN nicht zu. Er ist weiterhin beweisfällig für die Voraussetzungen eines versicherten Entwendungstatbestands bezüglich des fraglichen Rings.

     

    Zu den Tatsachen, die beim Einbruchdiebstahl das äußere Bild ausmachen, gehören aber nicht nur die - hier unstreitigen - stimmigen Einbruchspuren, sondern auch der Beweis, dass die als gestohlen bezeichneten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort vorhanden und danach nicht mehr aufzufinden waren. Diesen Beweis hat der VN nicht angetreten.

     

    Auch in Höhe des verbleibenden Differenzbetrags von 90 EUR steht dem VN kein Anspruch auf Zahlung weiterer Versicherungsleistungen zu. Der VR beruft sich mit Erfolg auf ein Recht zur Leistungskürzung wegen Verletzung der Obliegenheit des VN zur Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei.

     

    Nach Teil B § 8 Nr. 2 a) ff VHB 2008 obliegt es dem VN, dem VR und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen. Die Klausel ist inhaltsgleich mit der entsprechenden Regelung in § 21 Nr. 1 c) VHB 92, welche in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgängig als wirksam zugrunde gelegt worden ist. Bedenken an der Wirksamkeit der Klausel sind vom VN nicht aufgezeigt worden und auch nicht ersichtlich.

     

    Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei liegen im Streitfall vor. Der VN hat erst am 28.1.11 und damit mehr als fünf Wochen nach dem Einbruch eine Aufstellung der abhanden gekommenen Wertsachen bei der Polizei eingereicht. Dieser erhebliche Zeitablauf ist ohne Zweifel nicht mehr „unverzüglich“ i.S. der Klausel. Obendrein war die handschriftlich gefertigte Liste teilweise nahezu unleserlich und beinhaltete lediglich eine ihrer Art nach schlagwortartige Aufstellung der Schmuckstücke ohne nähere Beschreibung.

     

    Der VN hat bei der deutlich verspäteten Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei jedenfalls grob fahrlässig gehandelt. Wenn nicht schon über die notwendige Kenntnisnahme von dem ihm nach dem Bedingungswerk obliegenden Pflichten so hat er jedenfalls durch das ihr von der Polizei bereits am 22.12. 10 übergebene Formular und nochmals durch die ausdrückliche Aufforderung des VR in deren Schreiben vom 06.01.11 von der Notwendigkeit erfahren, der Ermittlungsbehörde umgehend die Schadenaufstellung zukommen zu lassen. Es besteht unter diesen Umständen kein Zweifel daran, dass der VN die ihm obliegende Sorgfalt gröblich verletzt hat. Sein nur pauschaler Verweis auf berufliche und private Anspannung vermag den VN nicht zu entlasten. Den Kausalitätsgegenbeweis hat der VN nicht geführt.

     

    Einer teilweisen Leistungsfreiheit wegen der Obliegenheitsverletzung des VN steht nicht entgegen, dass es an einem Hinweis des VR auf die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung i.S. des § 28 Abs. 4 VVG fehlt. Eine Anwendung des § 28 Abs. 4 VVG auf die Obliegenheit zur unverzüglichen Vorlage einer sogenannten Stehlgutliste bei der Polizei setzte nach dem Gesetzeswortlaut voraus, dass es sich hierbei um eine „Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit“ handelte. Dies ist aber nicht der Fall. Die in § 28 Abs. 4 VVG genannten Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten dienen dem Interesse des VR an der Feststellung des Versicherungsfalls sowie dem Umfang seiner Leistungspflicht und halten den VN solcherart zur Information und Mitwirkung an. Die Klausel in Teil B § 8 Nr. 2 a) ff (2. Alternative) VHB 2008 ist demgegenüber, wie für den durchschnittlichen VN ohne Weiteres ersichtlich, nach Sinn und Zweck darauf ausgerichtet, die Ermittlungsbehörden durch möglichst konkrete Beschreibungen der bei einem Einbruch entwendeten Gegenstände in die Lage zu versetzen, zielgerichtete Fahndungsmaßnahmen frühzeitig einzuleiten. Zugleich soll die zeitnahe Übersendung einer Stehlgutliste der Möglichkeit vorbeugen, dass der VN den Schaden nachträglich aufbauscht, womit die Obliegenheit auch der Verminderung der Vertragsgefahr dient. Die Obliegenheit zur Vorlage einer Stehlgutliste bei der Polizei stellt sich deshalb unter allen Aspekten als Schadenminderungsobliegenheit i.S. des § 82 VVG dar, für welche das Belehrungserfordernis des § 28 Abs. 4 VVG nicht gilt.

     

    Die vom VR zugrunde gelegte Leistungskürzung um 40 Prozent trägt den Ausprägungen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grads des Verschuldens des VN sachgerecht und angemessen Rechnung.

     

    Praxishinweis

    Zur Frage der nicht unverzüglichen Einreichung gibt es umfangreiche Rechtsprechung.

     

    • Beispiele
    • OLG Köln NVersZ 01, 29: 80 Tage (zu spät)
     

     

    Demgegenüber ist umstritten, ob eine Hinweispflicht des VR zur Vorlage der Stehlgutliste besteht.

     

    • Der BGH hatte zum alten Recht die Ansicht vertreten, dass der VR nach Treu und Glauben verpflichtet sei, den VN auf typische, den Versicherungsschutz gefährdende Versäumnisse und Fehler hinzuweisen (vgl. VK 08, 193). In einer weiteren Entscheidung heißt es, dass es dem Hausrat-VR nach Treu und Glauben verwehrt sein kann, sich auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Einreichung zu berufen, wenn einerseits sein Verhalten nach der Schadenmeldung geeignet sei, den VN hinsichtlich der Obliegenheit und ihrer Rechtsfolgen irrezuführen und er es andererseits unterlässt, den VN darauf hinzuweisen, dass er auf der Erfüllung der Obliegenheit bestehe und anderenfalls leistungsfrei werden könne (VersR 10, 903).

     

    • Das LG hatte sich vorliegend der Auffassung des OLG Karlsruhe (VersR 11, 1560) angeschlossen. Danach könne die bisherige Rechtsprechung infolge der Reform des VVG nicht mehr aufrechterhalten werden. Es bedürfe vielmehr in nach dem VVG n.F. zu beurteilenden Versicherungsfällen einer Belehrung des VR über die Rechtsfolgen einer Verletzung der Obliegenheit.

     

    Die Pflicht, der Polizei das Verzeichnis einzureichen, ist aber wohl Schadensminderungsobliegenheit, weil sie nach Sinn und Zweck das Auffinden der Beute erleichtern soll. Die dem VR zu übermittelnde Liste dient demgegenüber der Aufklärung des Schadens, u.a. um eine Aufbauschung zu verhindern. Das OLG hat eingeschränkt auf die Frage der Belehrung die Revision zugelassen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kein Abzug wegen verspäteter Einreichung der Stehlgutliste bei Nachweis fehlender Ursächlichkeit: LG Berlin VK 13, 121.
    • Stehlgutliste: BGH verschärft die Belehrungspflichten des VR: BGH VK 08, 193.
    • Sechs wichtige Fragen zum Einbruchdiebstahl: Halbach, VK 06, 66.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 213 | ID 42418714