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  • · Fachbeitrag · Firmen-Inhaltsversicherung

    Welche Anforderungen bestehen an die „stimmigen“ Spuren bei einem Einbruchdiebstahl?

    von RiOLG a.D. Dr. Dirk Halbach, Köln

    Das vom VN zu beweisende äußere Bild eines Einbruchdiebstahls setzt nicht voraus, dass die vorgefundenen Spuren „stimmig“ in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruchdiebstahl schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretende Spuren vorhanden sein (BGH 8.4.15, IV ZR 171/13, Abruf-Nr. 176481).

     

    Sachverhalt

    Der VN begehrt Versicherungsleistungen aus einer Firmen-Inhaltsversicherung für einen behaupteten Einbruchdiebstahl in seine Geschäftsräume. Gegenstand seiner gewerblichen Tätigkeit war die Herstellung von Armbanduhren aus Halbfertigprodukten. Am 12.1.02 meldete der Hausmeister des Anwesens der Polizei, dass versucht worden sei, in verschiedene Geschäftsräume im Haus einzubrechen. Der VN hielt sich zu dieser Zeit in der Türkei auf.

     

    Nach den Feststellungen der Polizei fanden sich vor einem aufgehebelten Fenster auf der Rückseite des Hauses Fußspuren im Schnee sowie zwei Armbanduhren. Zwei weitere Armbanduhren lagen auf dem Fenstersims und dem Boden des Treppenhauses. Die Eingangstür zu den Räumen des VN stand offen. Alle drei Verschlussriegel waren zweitourig herausgefahren. An Türblatt und Zarge befanden sich zahlreiche Werkzeugspuren. Hebelspuren fanden sich auch an den Eingangstüren zu den Geschäftsräumen von zwei anderen Firmen im Hause. Diese Türen waren aber noch verschlossen.

     

    Der VN nimmt den VR im Wege der Teilklage in Höhe von 285.815 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Dazu hat er zuletzt behauptet, dass bei dem Einbruch 4.770 in Kartons verpackte Uhren mit einem Gesamtwert von 271.950 EUR, sechs Ausstellungsstücke mit einem Wert von 306 EUR und zwei für die Produktion benötigte Apparate mit einem Wert von 13.559 EUR entwendet worden seien.

     

    Der VR wendet insbesondere ein, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht sei. Er verweist auf ein Privatgutachten. Danach hätten zum einen die Werkzeugspuren an der Tür nur bei geöffneter Tür verursacht werden können. Zum anderen hätte eine Erweiterung des Falzmaßes um mehr als die Länge der zweitourig ausgefahrenen Schließriegel zu einem Aufbrechen der oberen Ecke der Türzarge führen müssen. Das ist unstreitig nicht geschehen. In einem Strafverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat wurde der in erster Instanz noch zu einer Geldstrafe verurteilte VN freigesprochen. Das LG hat der Klage nach Einholung weiterer Sachverständigengutachten stattgegeben. Das OLG hat die Klage abgewiesen. Die Revision des VN führte zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt und seiner diesbezüglichen Prüfung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.

     

    Die Rechtsprechung billigt dem VN einer Sachversicherung Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zu. Diese beruhen auf der Überlegung, dass Täter ihre Tat üblicherweise unbeobachtet begehen und keine Tatspuren zurücklassen. Daher ist es oft nicht möglich, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Der VN will sich aber gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen. Daher kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der VN nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen. Der VN genügt deshalb seiner Beweislast bereits, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass - abgesehen von Fällen des Nachschlüsseldiebstahls - Einbruchspuren vorhanden sind.

     

    Ist dem VN dieser Beweis gelungen, muss der VR seinerseits beweisen, dass der Versicherungsfall nur vorgetäuscht war. Dabei kommen allerdings auch ihm Beweiserleichterungen zu. Für diesen Gegenbeweis erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen. Diese müssen allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist.

     

    Davon, dass die als gestohlen bezeichneten Sachen vor dem behaupteten Diebstahl am angegebenen Ort jedenfalls im Wesentlichen vorhanden und danach nicht mehr auffindbar gewesen sind, ist im Revisionsverfahren zugunsten des VN auszugehen, weil das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat.

     

    Vom bislang nicht festgestellten sogenannten Beutenachweis abgesehen, lassen die festgestellten Tatsachen in ihrer Gesamtschau mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf einen Einbruchdiebstahl zu. Sie ergeben mithin das äußere Bild einer solchen Tat. Die Werkzeugspuren an der geöffneten Eingangstür haben eine Indizwirkung für den behaupteten Einbruch. Insbesondere waren die Spuren derart, dass es erst gutachterlicher Untersuchung bedurfte, ob diese eventuell nicht mit einem Aufbrechen der Tür in Einklang zu bringen, und ob sie in verschlossenem Zustand oder bei geöffneter Tür verursacht worden sind. Demgemäß geht auch das Berufungsgericht nicht davon aus, dass die am Tatort vorgefundenen Spuren so unbedeutend sind, dass sie von vornherein nicht auf einen Einbruch hindeuteten. Es hat seiner Entscheidung vielmehr die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zugrunde gelegt. Dieser hatte im schriftlichen Gutachten ausdrücklich ausgeführt, dass der Schaden an Tür und Zarge durch einen Einbruch entstanden sein kann. Ein Einbruch sei daher nicht ausgeschlossen.

     

    Damit aber lag - insbesondere im Zusammenhang mit den weiteren Umständen wie den verstreuten Uhren und dem Vorhandensein von Hebelspuren auch an anderen Türen im selben Gebäude - hinsichtlich eines möglichen Eindringens in die Geschäftsräume das äußere Bild eines Einbruchs vor. Dem steht nicht entgegen, dass das Fehlen weiterer Spuren an der Eingangstür nach den Ausführungen des Sachverständigen im Falle ihres gewaltsamen Aufbruchs als sehr unwahrscheinlich anzusehen ist. Diese Unwahrscheinlichkeit betrifft nicht mehr das schon durch die vorhandenen Spuren erzeugte äußere Bild eines Einbruchdiebstahls, sondern allein die Frage, ob trotz dieses äußeren Bildes eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die bloße Vortäuschung eines Einbruchs besteht.

     

    Soweit das Berufungsgericht demgegenüber gemeint hat, dass schon das äußere Bild „stimmige“ Spuren voraussetze, die hier nicht in ausreichendem Maße vorhanden seien, hat es die Senatsrechtsprechung erkennbar missverstanden. Der Nachweis des äußeren Bildes setzt nicht voraus, dass die vorgefundenen Spuren „stimmig“ in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Der Sinn der Beweiserleichterung liegt gerade darin, dem VN, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Bild eines Diebstahls darbietet. Das gilt auch, wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann. Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen.

     

    Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die gebotenen Feststellungen zu den sonstigen Voraussetzungen des äußeren Bildes (Beutenachweis) treffen kann und, falls dieses bewiesen wird, zur erheblichen Wahrscheinlichkeit eines nur vorgetäuschten Einbruchs sowie gegebenenfalls zur Schadenhöhe Feststellungen treffen kann.

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat nunmehr die Anforderungen an plausible Spuren für die Annahme des äußeren Bildes konkretisiert.

     

    • Wichtig für den anwaltlichen Vortrag ist, dass nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein müssen. Die Vorinstanz war davon ausgegangen, dass im konkreten Fall ein gewaltsames Überwinden des zweitourigen Verschlusses auf der Schlossseite zwingend ein Ausbrechen der Schließbleche und ein Aufbrechen der Eckverleimung von Laibungsbrett und Sturzbrett zur Folge gehabt haben müsse. Dies war aber mit dem Inhalt des eingeholten Gutachtens nicht zu vereinbaren, wonach trotz des aus seiner Sicht sehr unwahrscheinlichen Fehlens der zu erwartenden weiteren Spuren ein Einbruch nicht ausgeschlossen war. Zum „Beutenachweis“ waren keine Feststellungen getroffen.

     

    • Die Entscheidung schließt an den Loggia-Fall (BGH VersR 07, 241) an. Dort hatte der BGH ausgeführt, dass es nicht zu den Mindesttatsachen für das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls gehört, dass der VN darlegt, auf welche Weise der Täter auf die im ersten Stock des Hauses belegene Loggia gelangt ist.

     

    • Das OLG Schleswig hatte ausgeführt, dass es nötig sei, dass ein konkreter Weg des bestimmungsgemäßen Eindringens dargelegt wird und dass die vorgefundenen Spuren die Annahme rechtfertigen, dass nach den Versicherungsbedingungen eingebrochen, eingestiegen oder eingedrungen wurde (VK 11, 32).

     

    • Die vom OLG Köln angelegten strengeren Maßstäbe bei Fehlen eines Schließzylinders ohne Spuren für gewaltsames Entfernen (r+s 05, 509) und bei Zweifeln an der behaupteten Form des Eindringens (keine Einbruchspuren am Fenster, unwahrscheinliche Möglichkeit des unbeschädigten Öffnens des Fensters, unerklärliche Stanzspuren (r+s 98, 382)) hat der BGH ausdrücklich abgelehnt.

     

    Der Umstand, dass das Fehlen weiterer Spuren an der Tür bei einem erfolgten Einbruch unwahrscheinlich sein mag, kann allerdings für die Frage der Vortäuschung des Versicherungsfalls bedeutsam werden. Es ist also noch zu prüfen, ob das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien, für die insoweit der VR darlegungs- und beweispflichtig wäre, ausreichend ist, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinn zu begründen, ggf, ob sogenannte Trugspuren gelegt waren.

     

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Weiterführende Checkliste zur Darlegungs- und Beweislast beim Einbruchdiebstahl: Halbach, VK 08, 176.
    Quelle: Ausgabe 06 / 2015 | Seite 94 | ID 43387160