Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Versicherungsvertragsrecht

    Aktuelle Rechtsprechung zur Prämienanpassung

    | Insbesondere aufgrund der derzeitigen äußeren Umstände sind Prämienerhöhungen bei den VR aktuell stark im Trend. Nicht immer geht die Anpassung geräuschlos über die Bühne. Viele VN setzen sich zur Wehr. Entsprechend häufig haben die Gerichte in letzter Zeit mit der Thematik zu tun. Nachstehend informieren wir Sie über die wichtigsten Aussagen der zuletzt ergangenen Entscheidungen. |

    1. BGH 12.07.23, IV ZR 347/22, Abruf-Nr. 236538

    Eine Prämienanpassungsklausel in der privaten Krankenversicherung, nach welcher der VR die Beiträge bei einer Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten Versicherungsleistungen um mehr als fünf Prozent überprüfen und anpassen kann, aber nicht muss, weicht nicht zum Nachteil des VN von § 203 Abs. 2 S. 4 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 S. 2 VAG ab und benachteiligt diesen auch nicht unangemessen gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB .

    2. OLG Braunschweig 27.2.23, 11 U 150/18, Abruf-Nr. 237620

    Die Grenzen der dem VR im Rahmen der Berechtigung zur Prämienanpassung zustehenden Beurteilungsspielräume sind voll gerichtlich überprüfbar.

     

    Bestandteil der insoweit stattfindenden Überprüfung sind alle vom Treuhänder zu beachtenden materiell-rechtlichen Vorgaben für die Beitragskalkulation einschließlich der Verwendung der Mittel aus den Rückstellungen für die Beitragsrückerstattung und deren Auswirkung auf die Anpassungen der einzelnen Tarife. Dazu gehört nicht nur das Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen, sondern auch, ob die vom VR vorgenommene Neuberechnung der Prämie nach aktuariellen Grundsätzen mit den bestehenden Rechtsvorschriften und eventuell zugunsten des Versicherten davon abweichenden vertraglichen Bestimmungen im Einklang steht.

     

    Diese Überprüfung hat sich sowohl auf die Ermittlung des Anpassungsfaktors als auch auf die Limitierungsmaßnahmen zu erstrecken (Anschluss an BGH 19.12.18, IV ZR 255/17 und 16.6.04, IV ZR 117/02).

     

    Der beklagte VR muss darlegen und beweisen, welche Unterlagen dem Treuhänder für die Überprüfung der Prämienanpassung zur Verfügung standen. Sind die dem Gericht vorgelegten Unterlagen für die Beurteilung, ob bei den Limitierungsmaßnahmen die in § 155 Abs. 2 VAG normierte Grenze des unternehmerischen Spielraums eingehalten wurde, nicht ausreichend, muss der VR hinnehmen, dass er hinsichtlich des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für die Neufestsetzung der Prämie beweisfällig bleibt.

    3. OLG Dresden 28.6.23, 1 U 167/23, Abruf-Nr. 237621

    Die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Wirksamkeit einer Beitragsanpassung trägt der VR. Eine vom VN beanstandete Unvollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen ist einer isolierten gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich. Auf die Frage, welche Unterlagen dem Treuhänder vorgelegen haben, kommt es nur an, wenn die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung als solche bestritten wird.

     

    Der Umstand, dass die Leistungsausgaben gesunken sind, steht einer

    Beitragserhöhung nicht entgegen.

    4. OLG Bremen 28.03.23, 3 U 26/22, Abruf-Nr. 236043

    Alleiniger Maßstab für die gerichtliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Prämienanpassungen ist, ob die Prämienanpassung nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist. Die gerichtliche Überprüfung dieser Frage kann regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen erfolgen.

     

    § 203 Abs. 5 VVG verlangt im Fall der Neufestsetzung der Prämien die Mitteilung der hierfür maßgeblichen Gründe. Nach der Rechtsprechung des BGH (16.12.20, IV ZR 294/19) ist für die von § 203 Abs. 5 VVG verlangte Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat, erforderlich.

     

    Zugleich folgt aus dem Wortlaut „maßgeblich“, dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. Die gesetzliche Mitteilungspflicht hat nicht den Zweck, dem VN eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (so auch BGH 16.12.20, IV ZR 294/19).

     

    Da der Gesetzeswortlaut die Angabe der „hierfür“ maßgeblichen Gründe vorsieht, wird deutlich, dass sich die Mitteilung auf die konkrete Prämienanpassung beziehen muss. Eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (vgl. BGH a. a. O.).

    5. OLG Dresden 29.6.23, 4 U 826/23, Abruf-Nr. 237622

    Wird dem VN einer privaten Krankenversicherung der Mechanismus einer Beitragsanpassung in einer verständlichen und seinem Informationsbedürfnis tragenden Weise erläutert, ist es unschädlich, wenn hierfür eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Terminologie verwendet wird.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Prämienanpassung: Begründung, Verjährung, Strategien, Taktiken: Conradi, VK 22, 13
    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 174 | ID 49676298