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  • Vollstreckungspraxis

    Schuldnerwechsel: Was ist zu tun?

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Stirbt der Schuldner, kann der Gläubiger aufverschiedenen Wegen zu einer erfolgreichen Vollstreckung gelangenRauch, VE 3/02, 39. Der folgende Beitrag schildert dieSchwierigkeiten, die bei einer Rechtsnachfolge und der damitverbundenen Titelumschreibung auftreten können und zeigtdarüber hinaus konkrete Lösungsmöglichkeiten auf.

    1. Schritt: Liegt ein Fall der Rechtsnachfolge vor?

    § 750 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass dieVollstreckung nur zwischen den Parteien stattfinden darf, wenn derTitel diese namentlich benennt. Da S. als eigentlicher Titelschuldnerverstorben ist, scheidet einerseits eine Zwangsvollstreckung gegen D.aus. Würde G. gegen ihn erneut klagen, könnte D. andererseitsdie Einrede der entgegenstehenden Rechtskraft geltend machen.

    Abhilfe schafft hier § 727 ZPO: Danach kannim Fall einer so genannten Rechtsnachfolge der gegen S. ergangene Titelgegen D. als Erben umgeschrieben werden qualifizierte bzw.titelübertragende Klausel. Hierunter versteht man jeden –materiell-rechtlichen – Wechsel in der Person des Gläubigersoder Schuldners nach Rechtshängigkeit, also nach Klage oderMahnbescheidszustellung. Dies bedeutet, dass reineNamensänderungen, wie zum Beispiel durch Heirat, Umfirmierung OLGZweibrücken MDR 88, 418 oder Adoption, nicht hierunter fallen, daimmer noch Personenidentität besteht. In diesen Fällen musslediglich eine Titelberichtigung durch klarstellenden Zusatz erfolgenMusielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn. 11 m.w.N.. Dasselbegilt, wenn ein Wechsel hinsichtlich der Zuordnung einer tituliertenForderung zum Geschäftsbetrieb einer bestimmten Zweigniederlassungeiner Bank begründet wird OLG Hamm InVo 01, 140. EineRechtsnachfolge kann sich auf Grund eines Rechtsgeschäfts zumBeispiel Abtretung, Hoheitsakt oder kraft Gesetzes zum BeispielBürgschaft nach § 774 BGB oder Erbfolge gemäߧ 1922 BGB ergeben OLG Köln MDR 90, 452. Dies sind diewichtigsten Fälle der Rechtsnachfolge auch aufGläubigerseite:

    Praxishinweis: Beieiner Forderungspfändung in eine titulierte Forderung desSchuldners muss sich der Gläubiger den Titel des Schuldners gegenden Drittschuldner nach § 727 ZPO umschreiben lassen. Erst dannkann er gegen den Drittschuldner vollstrecken. Eine Klage gegen denDrittschuldner ist unzulässig, da die Umschreibung billiger undeinfacher ist.

    2. Schritt: Nachweis der Rechtsnachfolge

    Bevor im Ausgangsfall G. gegen D. vollstrecken kann, muss er die Rechtsnachfolge dem Prozessgericht gegenüber – im Ausgangsfall also dem AG Münster – durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen. Dies ist wie folgt möglich:

    • Ist dem Gläubiger bekannt, dass der oder die Erben dieErbschaft zum Beispiel durch Beantragung eines Erbscheins angenommenhaben, ist es in der Regel ausreichend, wenn er auf die entsprechendenAkten des Nachlassgerichts, das den Erbschein erteilt hat, verweist.Nachlassgericht ist das AG, in dessen Bezirk der verstorbene Schuldnerzum Todeszeitpunkt gemeldet war. Im Ausgangsfall also das AG Bonn.
    • Fürden Fall, dass Erben zwar bekannt sind, diese allerdings keinen Antragauf Erlass eines Erbscheins gestellt haben, hat der Gläubiger dieMöglichkeit, diesen nach § 792 ZPO anstelle der Erben zubeantragen. Zum Nachweis seines Antragsrechts muss der Gläubigereine Abschrift des Titels vorlegen. Die hierfür notwendigen Kosten,zum Beispiel Erbscheinskosten § 107 KostO oderRechtsanwaltskosten § 118 BRAGO, muss der Schuldner tragen.Diese können mit dem vollstreckbaren Anspruch entweder direktbeigetrieben oder verzinslich festgesetzt werden §§ 788, 104ZPO.
    • Für den Fall, dass ein Testament vorhanden ist, kannder Gläubiger zum Nachweis der Rechtsnachfolge vom Nachlassgerichtebenfalls nach § 792 ZPO eine beglaubigte Abschrift des Testamentsnebst Eröffnungsprotokoll verlangen.
    • Ist demGläubiger nicht bekannt, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat,empfiehlt es sich, beim Nachlassgericht anzufragen, obNachlassvorgänge vorhanden sind. Dabei sollte eine Kopie desTitels beigefügt werden, um das rechtliche Interesse nachzuweisen.

    Praxishinweis: Es iststets von der Annahme der Erbschaft auszugehen, wenn der oder die Erbendie sechswöchige Ausschlagungsfrist § 1944 Abs. 1 BGBversäumt haben.

    Der Gläubiger muss den Beweis derRechtsnachfolge durch öffentliche oder öffentlich beglaubigteUrkunden – abgesehen von den Fällen des Verzichts –allerdings nicht immer führen. Ausnahmen vom Grundsatz der Beweisführung bestehen bei:

    • Offenkundigkeit einer Tatsache

      Dies ist der Fall, wenn die Tatsache entweder allgemein, d.h. von derÖffentlichkeit ohne Widerspruch als wahr anerkannt wird und dieUnsicherheit bei der Wahrnehmung des Einzelnen unerheblich ist OLGKarlsruhe MDR 89, 363; BGH MDR 89, 63 oder gerichtsbekannt ist.Gerichtsbekannt ist eine Tatsache, wenn sie vom Klauselerteilungsorganauf Grund seiner bisherigen Tätigkeit zuverlässig wahrgenommen wurdeetwa Tatsachen, die aus beim gleichen Gericht geführten Aktenersichtlich sind; BVerwG NVwZ 90, 571. Diese Tatsachen bedürfen keinesBeweises § 291 ZPO. Die Offenkundigkeit muss in derVollstreckungsklausel erwähnt werden § 727 Abs. 2 ZPO.
    • Zugeständnis

      Gesteht der Schuldner die einzelnen Tatsachen zur Klauselerteilunggegenüber dem Notar bzw. Rechtspfleger zu OLG Köln MDR 90, 452;Gottwald, a.a.O., § 730 Rn. 1, ist eine Beweisführung durch denGläubiger nicht notwendig. Streit besteht, ob die Geständnisfiktion nach § 138 Abs. 3 ZPO Gültigkeit hat, wonach nicht bestrittene Tatsachenbehauptungen als zugestanden gelten dagegen:OLG Braunschweig MDR 95, 94; OLG Hamm Rpfleger 94, 72; OLG Köln MDR 93,381; OLG Nürnberg NJW-RR 93, 1340; LG Mainz MDR 95, 1265; LG MünsterInVo 96, 135; LG München Rpfleger 97, 884; dafür:OLG Celle Rpfleger 89, 467; OLG Koblenz Rpfleger 90, 518; OLG KarlsruheJurBüro 95, 93; OLG Koblenz InVo 98, 160; Übersicht in StB 95, 476 bis480.

    Tipp: Es kann durchausim Interesse des Schuldners liegen, zu gestehen, weil er ansonsten miteiner Klage aus § 732 ZPO überzogen werden könnte. DerGläubiger sollte den Schuldner daher hierzu auffordern, mit demHinweis darauf, dass der Schuldner sonst erhebliche Kosten tragenmüsste.

    • Entbindung vom Nachweis durch notarielle oder gerichtliche Urkunde.

    3. Schritt: Unbedingt Zustellung der Klausel und ggf. Urkunden veranlassen

    Beachten Sie, dass bei Erteilung einertitelübertragenden Klausel §§ 727 bis 749 ZPO aufGrund einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten UrkundeAusnahme bei Offenkundigkeit, s.o. diese Urkunden in Abschrift vorder Vollstreckung bzw. gleichzeitig zugestellt werden müssen§ 750 Abs. 2 ZPO. Daneben muss die Klausel zugestellt werden.

    Praxishinweis: Die Zustellung muss im Parteibetriebdurch den Gerichtsvollzieher § 166 Abs. 1 ZPO erfolgen, nicht imWege der Amtszustellung, denn die Zustellung ist ein Teil derZwangsvollstreckung. Ein Fehlen dieser besonderen Voraussetzung derZwangsvollstreckung führt unweigerlich zu Zeitverlusten.Gläubiger verlieren dann die Möglichkeit, vor anderenGläubigern ein besseres Pfandrecht zu erlangen.

    4. Schritt: Rechtsnachfolgeklausel muss vom zuständigen Organ erteilt werden

    Bei der Erteilung der Klausel ist des Weiterendarauf zu achten, wer diese erteilt. Während bei der einfachenKlausel der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist,ist dies bei der titelübertragenden Klausel der Rechtspfleger§§ 20 Nr. 12, 26 RpflG des den Titel erlassenden Gerichts§§ 795, 724 Abs. 2 ZPO oder des Gerichts, welches dieUrkunde aufbewahrt § 797 Abs. 1, 2 S. 2 ZPO, bzw. der Notarbei notariellen Urkunden; § 797 Abs. 2 S. 1 ZPO. Ob einfunktioneller Verstoß zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeitführt, ist umstritten Musielak/Lackmann, a.a.O., § 726 Rn.4.. Dies bedeutet, dass die vorgenommene Pfändung kein Pfandrechtbegründet.

    Was kostet die Rechtsnachfolgeklausel?

    Bei einer Urteils- oder Vergleichsausfertigungentstehen keine Gerichtsgebühren. Bei anderen, etwa notariellenUrkunden, entsteht eine halbe Gebühr nach § 133 Abs. 1 KostOaus dem Wert des titulierten Anspruchs. Auslagen entstehen danebennicht.

    Die Tätigkeit des Rechtsanwalts istgrundsätzlich mit der Zwangsvollstreckungsgebühr nach §57 Abs. 1 BRAGO abgegolten §§ 37 Nr. 7, 58 Abs. 2 Nr. 1BRAGO. Dies gilt nicht für die Fälle, in denen die Klauselzum Beispiel für einen bestimmten Zeitraum wegen einesUnterhaltsanspruchs erteilt wurde, nunmehr jedoch hinsichtlich einesanderen Zeitraums umzuschreiben ist. Der Anwalt erhält dann dieGebühr des § 57 BRAGO gesondert OLG Schleswig JurBüro91, 1198. War hingegen der Anwalt weder Bevollmächtigter imvorherigen Prozess noch mit der Zwangsvollstreckung beauftragt,erhält er für einen solchen Antrag eine 2/10-Gebühr nach§ 56 Abs. 1, 3 BRAGO.

    Leserservice: Sie können diesen Musterantrag unter www.iww.de mit der Abruf-Nr. 020482 herunterladen.

    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 05/2002, Seite 59

    Quelle: Ausgabe 05 / 2002 | Seite 59 | ID 107552